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Kritik und Verlosung zu „Der Blender – The Imposter“

Im Jahr 1994 verschwindet der 13-jährige Nicholas Barclay auf dem Rückweg vom Basketball spielen spurlos. Die Familie sucht den Jungen vergebens – dann erhält sie drei Jahre später einen Anruf: Der vermisste Nicholas wurde in Spanien gefunden. Mit einem Zusammenschnitt der wichtigsten Ereignisse beginnt Bart Layton seine eindrucksvolle Dokumentation „The Imposter“, in der er mittels der Geschichte eines Betrügers über Manipulationen erzählt.

Von Frédéric zu Nicholas

Im Heim (c) Ascot Elite Home

Von Anfang an weiß der Zuschauer, dass der gefundene Junge tatsächlich der damals 23-jährige Frédéric Bourdin ist, ein Betrüger und Identitätsdieb. Er hat Polizisten, Richter, und Botschafter manipuliert, indem er zunächst sein wahres Alter verschleierte, sich als schwer traumatisiertes Verbrechensopfer darstellte und dann eine vermeintlich passende Identität suchte. Schließlich gelingt es ihm sogar, die Familie von Nicholas zu täuschen – obwohl der dunkelhaarige und braunäugige Frédéric mit dem blonden und blauäugigen Nicholas kaum Ähnlichkeit hat. Notdürftig färbte er sich die Haare, trug meist eine Sonnenbrille und ließ sich die Tätowierungen machen, die auch Nicholas hatte. Doch selbst Frédéric ist überzeugt, dass die Ähnlichkeit zu gering ist. Weiterlesen

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Krimi-Kritik: „Manhattan“ von Don Winslow

(c) Suhrkamp

Nach dem großen Erfolg der späteren Werke von Don Winslow hat sich Suhrkamp entschlossen, auch seine frühen Romane herauszubringen. Und im Gegensatz zu dem etwas langatmigen „Die Sprache des Feuers“ ist „Manhattan“ ein herrlich eleganter und spannender Thriller, als dessen Autor man Don Winslow auf den ersten Blick gar nicht vermuten würde.

Erzählt wird die Geschichte von Walter Withers, dem „Großen Skandinavischen Lude und Tödlichen Anwerber“. Diese Beinamen hat er sich bei der CIA redlich verdient, immerhin sind seine Anwerbungserfolge im Europa der Nachkriegszeit legendär. Seine Waffen sind seine Überredungskunst und sein Charme, überzeugt hat er damit noch jeden potentiellen Spitzel. Auch ist „Walther Withers (…) bei der CIA nicht unglücklich. Ihm fehlte einfach nur New York.“ Also kehrt er im Jahr 1958 nach New York zurück und fängt bei einer Sicherheitsfirma als Privatdetektiv an. Seine Hauptaufgabe besteht darin, potentielle Angestellte von großen Firmen zu überprüfen – als ehemaliger CIA-Agent eine Kleinigkeit. Seine Arbeit erledigt er gewissenhaft und sorgfältig, und seine freie Zeit verbringt er mit seiner großen Liebe Anne, einer Jazz-Sängerin, die er in Europa kennengelernt hat. Dann bittet ihn sein Chef Weihnachten 1958 zu einem besonderen Auftrag: Der Senator und vermutlich zukünftige Präsident Joe Keneally ist mit seiner Frau Madeline in der Stadt und benötigt einen diskreten Sicherheitsmann. Walter übernimmt den Job – und gerät in eine abenteuerliche Verschwörungsgeschichte. Weiterlesen

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Die BBC-Serie „Call the Midwife – Ruf des Lebens“

Jenny Lee mit den Nonnen (c) UPHE

Eigentlich dachte die 22-jährige Krankenschwester und Hebamme Jenny Lee (Jessica Raine), sie würde im Londoner East End der 1950er Jahre eine Stelle in einem kleinen privaten Krankenhaus antreten. Stattdessen landet sie in einem Kloster, in dem die Frauen des Viertels Geburtshilfe und Unterstützung bekommen. Da sie selbst vom Land kommt, ist das Leben dort anfangs ein Schock für sie: kleine beengte Wohnungen, mit teilweise erschreckenden hygienischen Verhältnissen, und bei den meisten Frauen folgt eine Schwangerschaft auf die andere. Aber Jenny Lee beißt sich durch – und entdeckt die liebenswerten Seiten ihres neuen Lebens.

Beengte Wohnungen im East End (c) UPHE

Basierend auf den Erinnerungen von Jennifer Worth erzählt die BBC-Serie „Call the Midwife – Ruf des Lebens“ von dem Leben im Londoner East End Ende der 1950er Jahren und überzeugt vor allem mit ihrem Produktionsdesign. Die Kulissen, die Kleidung und jedes Detail passen perfekt und lassen die Atmosphäre jener Jahre sehr spürbar werden. Hinzu kommt die Handlung: In jeder Episode der Serie wird eine in der Regel abgeschlossene Geschichte erzählt, die ein Schlaglicht auf die Probleme der damaligen Zeit wirft. Dazu gehören dicht aufeinanderfolgende Schwangerschaften, die Gefahr einer Schwangerschaftsvergiftung, Prostitution und falsche Vaterschaften. Aber es werden auch die Errungenschaften des National Health System herausgestellt, die vielen Frauen das Leben retteten. Zumeist sind die erzählten Geschichten rührend und entlarven eher nebenbei die Zustände der Zeit. Dabei ragt insbesondere die Episode „We are Family“ („Geschwisterliebe“) heraus, die von der Liebe zwischen einem Bruder und seiner Schwester handelt. Anstatt einer standardisierten Inzest-Story wird hier von dem Leben zweier Waisenkinder erzählt, die immer nur sich selbst hatten. Bei aller Dramatik im Plot behält die Serie aber stets einen leichten Erzählton bei, der sie unterhaltsam macht – und zudem verhindert, dass sie allzu sehr in Kitsch abdriftet. Weiterlesen

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Krimi-Kritik: „Ein seltsamer Ort zum Sterben“ von Derek B. Miller

„Ich bin Amerikaner. Jude. Zweiundachtzig. Witwer in Rente. Ein ehemaliger Marine. Ein Uhrenreperateur. Ich brauche eine Stunde, um zu pinkeln.“ – und was, so schließt Sheldon an seine Ausführung an, soll er dann in Norwegen? Aber seine Enkelin Rhea, benannt nach der Titanin, möchte ihren Großvater nach dem Tod seiner Ehefrau nicht alleine lassen, deshalb soll er zu ihr und ihrem Mann Lars nach Oslo ziehen. Tatsächlich lässt sich Sheldon überreden, es wenigstens zu versuchen – wenngleich sein Integrationswille nicht sehr ausgeprägt ist. Bis sie sich ein Haus in der Nähe des Frogner Parks kaufen können, wohnen Rhea, Lars und Sheldon in Tøyen, einem Stadtteil, der Sheldon an die Bronx erinnert. Es ist eine „miefige Gegend“, die sich inmitten eines Gentrifizierungsprozesses befindet, aber Rhea und Lars wollen nicht mehr darauf warten, dass es „schicker würde“.

(c) Rowohlt

Allein über die Schwierigkeiten dieses bunten Zusammenlebens hätte Derek B. Miller einen warmherzigen und witzigen Roman schreiben können. Zumal er weiß, wie das Leben als Amerikaner in Norwegen aussieht. Geboren in Boston, lebt er mittlerweile dort. Auch sein Roman erschien 2011zuerst in Norwegen auf Norwegisch, obwohl er auf Englisch geschrieben wurde. Aber er fügt seinem Roman noch einen Krimi-Plot bei: Eines Morgens beobachtet Sheldon durch den Türspion, wie die Nachbarin aus der oberen Wohnung in panischer Angst auf dem Flur steht und nach einem Fluchtweg sucht. Er fühlt sich unangenehm erinnert. Denn fast alle Europäer „schauten durch ihre Spione, und draußen rannten Nachbarn vorbei, die Kinder an die Brust gepresst, während bewaffnete Verbrecher sie durchs Gebäude jagten. Kleine fischige Augen, die durch konkave Linsen lugten und anderen bei der Flucht zuschauten. Voller Furcht, voller Mitleid, hinter dem Glas oder auch mordlüstern und schadenfroh. Alle waren in Sicherheit, weil sie etwas nicht waren. Zum Beispiel keine Juden.“ Weiterlesen

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„Der Himmel über Greene Harbor“ von Nick Dybek

(c) mare

Auf der Halbinsel Loyalty Island im Bundesstaat Washington wird nicht nur dem Namen nach Loyalität großgeschrieben: Die Menschen leben dort vornehmlich vom Fischfang. Die Männer fahren sechs Monate lang zusammen zur See, ihre Kinder und Frauen warten indessen auf sie. In dieser Zeit vertrauen die Männer einander ihr Leben an, sind der Kälte, den Winden und den Meeren ausgesetzt, während die Daheimgebliebenen mit dem abwesenden Vater und Ehemann zurechtkommen müssen. Auch Cals Vater arbeitet auf einem der Schiffe des wohlhabenden Inselpatriarchen John Gaunt, um seine Familie über die Runden zu bringen. Das ist das Leben auf Loyalty Island, mit dem Cals Mutter ihre Schwierigkeiten hat. Zwar hat ihr Mann ihr einen Keller aus Rückzugsort eingerichtet, aber ihr fehlt ihr altes Leben in Kalifornien. Als nun John Gaunt stirbt, wird die Existenzgrundlage von Cals Familie bedroht. Zum einen befürchten Cals Vater und die anderen Fischer, dass Gaunts Sohn Richard die Flotte verkaufen wird. Zum anderen war John Gaunt der einzige Freund, den seine Mutter auf der Insel hatte. Inmitten dieser Ängste und Trauer belauscht Cal ein Gespräch von seinem Vater und drei anderen Fischern, das ihn schaudern lässt: Anscheinend haben die Männer vor, Robert Gaunt zu töten! Weiterlesen

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Krimi-Kritik: „Bußestunde“ von Arne Dahl

(c) Piper

Nun ist es soweit: Das A-Team löst seinen letzten Fall. Von Anfang an hatte Arne Dahl festgelegt, dass seine Reihe – in Anlehnung an Maj Sjöwalls und Per Wahlöös „Kommissar Beck“ – zehn Teile umfassen wird. Und wenngleich er mit „Gier“ eine kleine Hintertür genutzt hat, ist „Bußestunde“ der zehnte und letzte Teil mit der Sonderheit für Gewaltverbrechen von internationalem Charakter.

Das Buch beginnt mit einer wunderbaren Übersicht, ja, fast könnte man Rundflug sagen, über die vertrauten Figuren aus den neun vorhergehenden Büchern. Sara Svenhagen und Jorge Chavez sitzen auf einer Parkbank am Mälarsee, beobachten ihre Tochter Isabel und freuen sich auf ihr zweites Kind. Gunnar Nyberg genießt mit seiner Freundin Ludmila Lundkvist ebenfalls die letzten Sonnenstrahlen vor einer anderen Hütte am Ulvsundasee, Jon Anderson wartet in einem Café auf seinen Verlobten, Familie Söderstedt versammelt sich im Park und Arto denkt an Viggo Norlander, der in einer Klinik gegen den Krebs kämpft. Kerstin Holm besucht ein Grab, Paul Hjelm trifft sich mit seinen Kindern in einem Restaurant und Lena Lindbergh war gerade noch einem Café, gerät dann aber in einen Raubüberfall. Damit endet der letzte idyllische Spätsommertag – und das A-Team hat einen neuen Fall. Weiterlesen

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Krimi-Kritik: „Der Sarg“ von Arno Strobel

(c) S. Fischer

Die wohlhabende Eva Rossbach hat einen Traum: Sie ist in einem Sarg eingeschlossen und bekommt keine Luft mehr. Verzweifelt versucht sie sich zu befreien, hämmert gegen den Deckel. Dann erwacht sie – und nach der kurzen Erleichterung, dass sie in ihrem Bett liegt, stellt sie Verletzungen fest, die zu ihrem Traum passen. Sie zweifelt an ihrem Verstand, kennt diese Aussetzer bereits seit ihrer Kindheit, als sie sich plötzlich an Orten befand und nicht wusste, wie sie dorthin gekommen ist. Doch dieses Mal ist der Schrecken realer: Sie erfährt, dass ihre Halb-Schwester Inge ermordet wurde, indem sie in einem Sarg lebendig begraben wurde. Kommissar Menkhoff hat die Ermittlungen übernommen und ahnt, dass er es mit einem Serientäter zu tun hat. Außerdem glaubt er, die Geheimnisse der Familie Rossbach würden ihn der Aufklärung näher bringen.

„Der Sarg“ von Arno Strobel ist ein Thriller, der aus seiner im Grunde genommen spannenden Handlungsidee nicht sehr viel macht. Dazu tragen zum einen die hölzernen Dialoge bei, in denen Polizisten etwas sagen wie „Es ist immer wieder unfassbar, wozu Menschen fähig sind. Die Presse wird sich auf diese Sache stürzen wie die Aasgeier“. Weiterlesen

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