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Spione reloaded (2) – Die Cosy-Spy-Serie „Black Doves“

Eigentlich hat „Black Doves“ eine vielversprechende Ausgangssituation: Der Geliebte der Politikergattin und Spionin Helen Webb (Keira Knightley) wird ermordet. Zufall? Oder steckte hinter der vermeintlich großen Liebe doch etwas anderes? Helen macht sich auf, mehr über den Mord zu erfahren – und entdeckt möglicherweise einen Zusammenhang mit dem verdächtigen Todesfall des chinesischen Botschafters in Großbritannien sowie dem Verschwinden von dessen drogensüchtiger Tochter. Sogar ihr irrationales Verhalten – sie gefährdet mit ihren Nachforschungen ihre gesamte Scheinidentität – ist innerhalb ihrer Figur begründet. So verhält sie sich, wenn sie jemanden verliert, der ihr etwas bedeutet. Ansonsten darf man aber nicht allzu sehr auf Plausibilität hoffen. Erweisen sich anfangs scheinbar offensichtliche Logiklücken noch als gezielte Irrführung – bspw. dass der Killer eine Patrone hinterlässt, die zu seiner Identität führt – sind Serienschöpfer Joe Barton spätestens ab der vierten Folge die Ideen ausgegangen.

Insbesondere in Spionagehinsicht: Die „Black Doves“ sind eine Art private Spionageeinheit, die für den höchstzahlenden Auftraggeber arbeitet und deshalb eine Reihe von ‚Tauben‘ beschäftigt, die an geheime Informationen kommen bzw. den Lauf der Dinge beeinflussen können. „Spies for hire“ sozusagen. Aus der Ausgangssituation macht die Serie aber nuzr sehr, sehr wenig. Stattdessen verliert sie sich in privaten Verwicklungen: Der Auftragskiller Sam Young (Ben Wishaw), ein alter Freund von Helen, wird zu ihrem Schutz wieder nach England geholt. Wishaw und Kneightly haben eine gute Chemie, aber sein Handlungsstrang soll wohl vor allem die sechs Folgen füllen, die heutzutage für diese Art Mini-Serie erforderlich: Er trauert vor allem seiner großen Liebe Michael (sehr gut: Omari Douglas) hinterher, dazu bekommen wir Flashbacks und noch mehr fahrlässig-gefährliches Verhalten.

Offenbar ist derzeit die Idee, dass Auftragskiller ein Privatleben haben, recht beliebt: Auch in „The Day of the Jackal“ bekommt der Schakal Frau und Kind an die Seite – als wäre es nicht gerade das Faszinierende an dieser Figur, dass man nichts über sie weiß. Allerdings wäre dann wohl auch offensichtlich geworden, dass es bei Frederik Forsyth‘ Vorlage keine nennenswerte Frauenfiguren gibt. Möglicherweise sollen die Auftragskiller so „moderner“ erscheinen, vielleicht auch verletztlicher oder „nahbarer“. Mal eine emotionale Seite zeigen. Als Auftragskiller. Ich bekomme da eine ganz große Manchette-Sehnsucht. Ach, die 1970er, als Auftragskiller noch das waren, was ihre Jobbeschreibung vorsieht.

Bei „Black Doves“ aber ist Liebe ganz klar das Handlungsmotiv. Die geopolitischen Verwicklungen spielen sich deutlich im Hintergrund ab. Da frage ich mich schon, ob hinter der auf den ersten Blick ungewöhnlichen Besetzung einer Spionageserie mit einer Spionin und einem schwulen Auftragskiller Zufall ist. Denn „Black Doves“ ist eine ziemlich sentimentale Version einer Spionageserie. Interessanter – und tatsächlich bemerkenswert – ist dagegen, dass im Hintergrund Frauen die Fäden ziehen, die älter und in konventioneller Hinsicht weit weniger glamourös sind als Helen. Sie sind in der Gesellschaft weitgehend unsichtbar: Je spießiger sie aussehen, desto ungefährlicher erscheinen sie und die Frauen hier nutzen das gnadenlos aus. Dass allerdings ausgerechnet Helen ihre Auftraggeberin regelmäßig unterschätzt, ist wenig glaubwürdig.

Dass „Black Doves“ überwiegend gute Kritiken bekommen hat, hat mich dann doch gewundert. Klar, manches ist recht unterhaltsam: Wie sich chinesische und US-amerikanische Geheimagenten gegenseitig abschießen, beispielsweise. Auch die Killerinnen-Sidekicks von Sam haben gute Pointen, passen allerdings nur wenig in das gesamte Setting. Möglicherweise steckt hierin ein Versuch, an „Slow Horses“ anzudocken. Allerdings übersieht „Black Doves“ hier, dass „Slow Horses“ durchzogen ist von institutionellem Versagen und einem Nihilismus, den die Spione vor allem haben, weil sie erkannt haben, dass sie ihrer Regierung egal sind.

Doch auch wenn ich mich darauf einlasse, dass hier vor allem die Privatleben verhandelt werden, bleiben Fragen. Ein sehr spannender Konflikt wird beispielsweise gar nicht angegangen: Helen hat Kinder mit ihrem Ehemann aka Großbritanniens Verteidigungsminister aka ihrer Zielperson. Als sie plant, ihn zu verlassen, will sie die Kinder mitnehmen. Aber sie fragt sich noch nicht einmal, ob sie das zu einer schlechten Mutter macht. Ihr Ehemann scheint ein ganz okayer Kerl zu sein: Gut, er ist ein etwas langweiliger konservativer Politiker, scheint aber verhältnismäßig wenig Dreck am Stecken zu haben. Seine Gefühle ihr gegenüber scheinen aufrichtig. Und um seine Kinder kümmert er sich im Zweifelsfall dann doch. Ein bisschen unwillig, ja. Warum also denkt sie nicht darüber nach, was es für ihre Kinder bedeuten würde, ihren Vater niemals wieder zu sehen? Denn darauf würde es ja hinauslaufen.

Diese Serie will einfach keine schwierigen Fragen stellen. Sie spielt zur Weihnachtszeit, ist im Dezember auf Netflix gestartet. Die Gewalt ist so cool, dass sie auf keinen Fall zu nahe geht oder gar existentiell wird. Der Plot wird regelmäßig noch einmal zusammengefasst, so dass ich nebenbei gut ein paar Kekse essen kann. Und vor allem meine Wohlfühlzone muss ich nie verlassen. Cosy Spy also. Und das in einer Zeit, in der eine neue Weltordnung entsteht.

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Spione reloaded – Steven Soderberghs „Black Bag“

Steven Soderbergh hat einen Spionagefilm gemacht: George Woodhouse (Michael Fassbender) muss einen Verräter in den eigenen Reihen suchen. Es gibt fünf Verdächtige, sie bekommen die Codenamen “Tinker Tailor …”, nein, natürlich nicht! Aber die Referenzen an die George(!)-Smiley-Romane von John le Carré sind offensichtlich: Es gibt fünf Verdächtige, eine ist Georges Ehefrau Kathryn St. Jean (Cate Blanchett). Deshalb kommt George auf die Idee, alle zu sich nach Hause einzuladen, Drogen unter das Essen zu mischen und mit ihnen ein Psychospielchen anzufangen. Seine Ehefrau warnt er vor, sie lässt das Masala liegen und bleibt daher unbeeindruckt von den Drogen.

Fünf Verdächtige, eine Hauptfigur, die seiner wunderschönen Ehefrau recht hoffnungslos ergeben ist, das ist sehr le Carré – neu ist, dass die Ehefrau hier mehr tun darf als Affären zu haben. Auch sie arbeitet für den Geheimdienst, offenbar sogar an höherer Stelle als ihr Ehemann. Und auch die anderen Verdächtigen sind privat miteinander verbandelt, so dass es einige amüsante Dialoge darüber gibt, wie schwierig eine Beziehung zwischen Geheimdienstmitarbeitern ist. Denn im Zweifelsfall ist alles “Black Bag” – also etwas, worüber man nicht reden darf. (Und vermutlich ist es auch kein Zufall, dass die Ausgangssituation auch an „Who’s afraid of Virgina Woolf“ erinnert.)

Soderberghs Film nach einem Drehbuch von David Koepp richtet sich offensichtlich an ein erwachsenes Publikum: Er erklärt nicht lang und breit, dass es um den britischen Geheimdienst geht oder wer da welche Funktion hat. Vielmehr vertraut er darauf, dass seine Zuschauer es wissen oder aus den Zusammenhängen erschließen können. Die Handlung wird nicht permanent nochmals zusammengefasst, nicht jedes Detail wird erklärt. Sie lässt sich ohnehin sehr knapp umreißen mit: alle glauben, dass dass eine Software mit Massenvernichtungswaffenausmaß an die Russen verkauft wurde. Aber die Handlung ist in diesem mit 93 Minuten wohltuend knackigen Film eh zweitrangig: Mit einiger Spionageerfahrung ist schnell klar, worauf es hinauslaufen wird. Stattdessen aber kann man sich sehr an den Bezügen zu Le Carrré, Len Deighton und Co. erfreuen. Dieser Film ist sich sehr bewusst, dass er sich innerhalb eines Bezugsrahmens bewegt – und macht daraus ein recht unterhaltsames Spiel.

Seine größte Schwäche liegt für mich in der Beziehung zwischen George und Kathryn. Man muss glauben, dass zwischen ihne die große Liebe herrscht, die ihnen von allen zugeschrieben wird. Ich hatte damit so meine Probleme – und das lag überraschenderweise an der Besetzung. Michael Fassbender passt gut in die Rolle das langweiligen Bürokraten. Er trägt wirklich sehr nachdrücklich eine langweilige Frisur sowie Klamotten. Seine Hornbrille allein erinnert sofort an Michael Caines Harry Palmer oder auch eine jüngere Version der George Smileys von Alec Guiness resp. Gary Oldman denken. Jedoch vermag er es kaum, Zuneigung auszudrücken. Cate Blanchett darf etwas glamouröser sein – sie ist ja schließlich die schillernde Verdächtige -, aber ich hatte sehr früh den Gedanken, dass sie ihren Kopf ständig so seltsam bewegt als sei sie es nicht gewohnt, lange Haare zu haben. Und nachdem ich es einmal gesehen hatte, konnte ich es nicht nicht mehr sehen. Es gibt nicht viel Knistern wischen ihnen – und auch nichts anderes, was zwischen Ehepaaren herrscht, die einander so treu, so loyal und in so großer Liebe zugetan sein sollen wie diese hier.

Nimmt man ihnen diese Liebe ab, dann gefällt einem der Film sicherlich besser als mir. Aber ich habe den Film dennoch gerne gesehen. Alleine schon, weil ich es gut finde, dass Soderbergh weiterhin Filme macht, die ihrem Publikum etwas zutrauen. In einem Interview hat er sich darüber beklagt, dass die Kino-Einnahmen zu gering sind und es damit andere Filmemacher mit solchen Filmen noch schwerer haben werden als ohnehin schon. Das passt in die momentane Kinolandschaft – stimmt mich aber ungemein traurig. Denn ich gehe gerne für Filme ins Kino, die mich als Zuschauerin ernst nehmen.

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Gastspiel: Interview mit James Grady

(c) Suhrkamp

(c) Suhrkamp


Für die BÜCHER-Ausgabe Juli/August habe ich einen größeren Beitrag über Politthriller geschrieben und dafür ein Interview mit James Grady über “Die letzten Tage des Condor” geführt. Und wie es im Print nun einmal so ist, habe ich nur eine begrenzte Zeichenzahl zur Verfügung. Das Interview in voller Länger gibt es daher beim CrimeMag zu lesen.

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Über „Der Anruf“ von Olen Steinhauer

Ein Mann und eine Frau treffen sich in einem Restaurant. Vor Jahren waren sie ein Paar. Er wollte damals mit ihr zusammenziehen, sie hat ihn verlassen. Die reduzierte Ausgangssituation in Olen Steinhauers „Der Anruf“ klingt nach einem Liebesroman. Doch Henry und Celia haben einst als CIA-Agenten in Wien gearbeitet. Damals kam es zu einer Geiselnahme auf dem Wiener Flughafen, bei der alle Insassen der entführten Maschine starben. Seither wird vermutet, dass es damals einen Verräter in dem Büro in Wien gegeben haben muss. Deshalb ist dieses Abendessen nicht nur das Wiedersehen zweier ehemals Liebenden.

Der Anruf von Olen Steinhauer

(c) Blessing

Mit zwei Ich-Erzählern entfaltet Olen Steinhauer auf jeweils zwei Zeitebenen das Geschehen: Es gibt die zurückliegenden Ereignisse in Wien und die Gegenwart in Carmel-by-the-sea. Und da Celia und Henry nicht nur miteinander gearbeitet haben, sondern auch eine Beziehung hatten, wird das übliche Spiel um Vertrauen und Verrat noch um Eifersucht und verletzte Gefühle erweitert. Das Abendessen wird zu einem nervösen Tanz, ein Abtasten und Erahnen des Wissens und der Gefühle des Gegenübers, je länger der Abend jedoch dauert, je mehr Wein getrunken und Gänge verspeist wurden, desto härter wird der Ton. Aus dem Tanz wird ein Verhör, das immer mehr Fragen aufwirft. Weiterlesen

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Krimi-Kritik: „Manhattan“ von Don Winslow

(c) Suhrkamp

Nach dem großen Erfolg der späteren Werke von Don Winslow hat sich Suhrkamp entschlossen, auch seine frühen Romane herauszubringen. Und im Gegensatz zu dem etwas langatmigen „Die Sprache des Feuers“ ist „Manhattan“ ein herrlich eleganter und spannender Thriller, als dessen Autor man Don Winslow auf den ersten Blick gar nicht vermuten würde.

Erzählt wird die Geschichte von Walter Withers, dem „Großen Skandinavischen Lude und Tödlichen Anwerber“. Diese Beinamen hat er sich bei der CIA redlich verdient, immerhin sind seine Anwerbungserfolge im Europa der Nachkriegszeit legendär. Seine Waffen sind seine Überredungskunst und sein Charme, überzeugt hat er damit noch jeden potentiellen Spitzel. Auch ist „Walther Withers (…) bei der CIA nicht unglücklich. Ihm fehlte einfach nur New York.“ Also kehrt er im Jahr 1958 nach New York zurück und fängt bei einer Sicherheitsfirma als Privatdetektiv an. Seine Hauptaufgabe besteht darin, potentielle Angestellte von großen Firmen zu überprüfen – als ehemaliger CIA-Agent eine Kleinigkeit. Seine Arbeit erledigt er gewissenhaft und sorgfältig, und seine freie Zeit verbringt er mit seiner großen Liebe Anne, einer Jazz-Sängerin, die er in Europa kennengelernt hat. Dann bittet ihn sein Chef Weihnachten 1958 zu einem besonderen Auftrag: Der Senator und vermutlich zukünftige Präsident Joe Keneally ist mit seiner Frau Madeline in der Stadt und benötigt einen diskreten Sicherheitsmann. Walter übernimmt den Job – und gerät in eine abenteuerliche Verschwörungsgeschichte. Weiterlesen

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