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„Carl Theodor Dreyer – My Metier“ – Dokumentation von Torben Skjødt Jensen

(c) Studicanal

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„Vampyr“ ist ein Klassiker des Horrorfilms, „La passion de Jeanne d’Arc“ eines der bedeutendsten Werke der Filmgeschichte; „Gertrud“ und „Vredens Dag“ haben dem personalisierten Kamerastil den Weg geebnet und seine Blicke in die Psyche einer weiblichen Hauptfigur sowie die Strukturen einer geschlossenen Gemeinschaft sind bemerkenswert – der dänische Regisseur Carl Theodor Dreyer (1898-1968) hat die Filmgeschichte maßgeblich mitbestimmt und bis heute großen Einfluss auf Filmemacher wie Lars von Trier. Mit seiner Dokumentation „Carl Theodor Dreyer – My Metier“, die in der Criterion Collection und der ARTHAUS-Dreyer-Collection enthalten ist, ermöglicht Torben Skjødt Jensen nun einen Einstieg in Dreyers Werk.

Gut 90 Minuten lang folgt Torben Skjødt Jensen chronologisch Dreyers Leben und Filmschaffen, in dem er Interviews mit Weggefährten mit Filmausschnitten und Zitaten verbindet. Dabei sind die Einsichten und Geschichten seiner Gesprächspartner unterhaltsam und informativ, insbesondere über Dreyers Umgang mit Schauspielern ist durch die Gespräche mit Clara Pontoppidan (Hauptdarstellerin in „Blade af Satans bog“), Hélène Falconetti (Tochter von Jeanne-Darstellerin Maria Falconetti), Lisbeth Movin (Hauptdarstellerin in „Vredens Dag“), Preben Lerdorff-Rye („Vredens Dag), Baard Owe und Axel Strøbye („Gertrud“) viel zu erfahren. Jedoch fehlen tiefere Einsichten in das Werk Dreyers, in seine kompositorische und bildnerische Arbeit sowie den Stil seiner Filme. Das ist insbesondere angesichts der Interviews mit dem Kameramann Henning Bendtsen („Ordet“, „Gertrud“) sowie dem Kameramann und Regisseur Jørgen Roos zu bedauern, die gute Einsichten in Dreyers Arbeitsweise hatten. So war Roos der einzige, der ein Filmporträt von Dreyer zu dessen Lebzeiten drehen durfte. Jedoch zieht Torben Skjødt Jensen hier Anekdoten einer tiefergehenden Beschäftigung vor. Diese Oberflächlichkeit erlaubt aber auch eine einfache erste Annäherung an diesen Filmemacher, daher ist „Carl Theodor Dreyer – My Metier“ insbesondere als Einstieg zu empfehlen – und für alle Dreyer-Fans, die Interesse an Interviews mit Zeitzeugen haben.

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Verschenkte Möglichkeiten – Über die Serie „Hannibal“

Es gibt Serien, bei denen klingt alles vielversprechend: die Namen der Beteiligten, die Geschichte und Kritikermeinungen aus den USA. Das trifft alles auf „Hannibal“ zu – sie ist mit Mads Mikkelsen, Hugh Dancy und Lawrence Fishburne namhaft besetzt, erzählt wird die Vorgeschichte des wohl berühmtesten Serienkillers der Popkultur und die Serie wurde von Bryan Fuller entwickelt, von dem „Heroes“ und „Pushing Daisies“ stammt. Leider kann er mit keiner Folge an diese Serien anknüpfen.

Eine Vorgeschichte voller Widersprüche

(c) Studiocanal

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In „Hannibal“ wird laut Produktion die Vorgeschichte zu Thomas Harris‘ Buch „Roter Drache“ erzählt, wenngleich es rein zeitlich eher die Vor-Vor-Vor-Geschichte ist, schließlich wollen sich die Serienmacher noch Platz für weitere Staffeln lassen. Dr. Hannibal Lecter (Mads Mikkelsen) ist ein angesehener Psychiater und wird vom Leiter der FBI-Einheit für Verhaltensanalyse, Jack Crawford (Lawrence Fishburne), auf Empfehlung von Dr. Alana Bloom (Caroline Dhavernas) angeheuert, sich um die Psyche von Will Graham (Hugh Dancy) zu kümmern. Graham ist zu nahezu umfassender Empathie fähig, daher kann er sich an Tatorten so in die Täter einfühlen, dass er deren Taten nacherlebt. Mit dieser Gabe – oder diesem Fluch – kann er eine äußerst wichtige Stütze bei den Ermittlungen sein, schließlich erlebt er die Tat aus Sicht des Mörders (damit wir das merken wird zu Beginn und am Ende seiner Episoden ein Pendel eingeblendet), zugleich droht aber beständig die Gefahr, dass er sich zu tief auf sie einlässt und daran zerbricht. Dennoch will Crawford nicht auf seine Hilfe verzichten, betont er doch wiederholt, dass Graham mit seiner Gabe Morde verhindern kann. Dass er dafür einen äußerst labilen Menschen diese Arbeit zutraut, ist eine der vielen Widersprüche, die man als Zuschauer hinnehmen muss. Ein weiterer ist beispielsweise, dass Hannibal Lecter allein auf eine Empfehlung hin eine nahezu ebenso wichtige Rolle spielt wie Graham und – obschon zuvor völlig unbekannt – Einsicht in vertrauliche Ermittlungen bekommt. Weiterlesen

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Krimi-Kritik: „Gottes Zorn“ von Olle Lönnaeus

(c) Rowohlt

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Mitten in der Nacht erhält der betrunkene Joel Lindgren einen Anruf von seinem Vater Mårten, zu dem er seit Jahrzehnten kein Kontakt mehr hat. Nun stammelt er nur „Komm her. Es ist eilig. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit …“ ins Telefon. Widerwillig macht sich Joel auf den Weg, kämpft sich durch einen Schneesturm, legt sich fast mit einem Wildschwein an und kommt schließlich am Haus des Vaters an. Doch seine unterdrückten Befürchtungen werden bestätigt: Sein Vater hängt tot von der Decke im Wohnzimmer. Joel fällt in Ohnmacht – und als er wieder aufwacht, kommt die Erinnerung: „Er hatte die Leiche berührt, daran erinnerte er sich. Voller Grauen war er darauf zugegangen und hatte seine Finger auf eine herabhängende Hand gelegt. Sie war kalt, genau wie er es vermutet hatte. So viel wusste Joel über Tote: Man sieht innerhalb eines Augenblicks, ob es bereits zu spät ist.“

Ansonsten weiß Joel aber nicht allzu viel – weder über sich selbst noch über seinen Vater. Im Alter von 18 Jahren hat er seinen Heimatort verlassen und für ein Jahr bei einer Sekte gelebt, in der er Halt und vermeintliche Orientierung fand. Schließlich fühlte er sich dort beengt, verließ die Sekte und traf eine Frau, aber die Ehe scheitere, weil er keine Kinder wollte. Durch den Tod des Vaters wird er nun mit seinen diffusen Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend konfrontiert, die vor allem von seinem gewalttätigen Vater und dem Weggang der Mutter bestimmt sind. Als er jedoch beginnt, im Leben seines Vaters herumzuwühlen und mit Menschen zu sprechen, die seinen Vater besser kanten, geraten diese Erinnerungen ins Wanken. Allmählich erkennt er, dass er trügerischen Wahrnehmungen unterlegen war.

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Krimi-Kritik: „In der Nacht“ von Dennis Lehane

(c) Diogenes

(c) Diogenes

Ohne Emma Gould, so konstatiert der Protagonist zu Beginn von Dennis Lehanes „In der Nacht“, wäre „sein Leben – im positiven wie im negativen Sinne – nicht halb so bemerkenswert verlaufen“. Da er gerade mit seinen Füßen in einem Block Zement steckt und sich auf einem Schlepper im Golf von Mexiko befindet, ist allein dieser Gedanken schon bemerkenswert. Aber wie in jeder guten Gangstergeschichte, die in den USA der späten 1920er Jahre beginnt, muss eine Frau den Helden ins Verderben oder zumindest in eine Krise führen. Hier ist der Held Joseph „Joe“ Coughlin, ein junger Mann aus gutem Haus, der ein Leben als Gesetzloser führt. Er begegnet Emma Gould bei einem Überfall auf ein Speakeasy, bei dem er entgegen seiner Annahme nicht nur ein paar „müde Gestalten“ ausnimmt, sondern einen Handlanger von Albert White, dem Gangsterboss von Boston. Damit scheint sein Schicksal besiegelt, aber Joe ist klug genug, lediglich die offen liegende Beute mitgehen zu lassen und nicht noch den versteckten Tresor auszuräumen. Weniger schlau verhält er allerdings bei Emma, die dort als Kellnerin arbeitet und in die er sich auf den ersten Blick verliebt. Selbst als er erfährt, dass sie sich auch mit Albert White trifft, umwirbt er sie weiterhin und schafft sich damit einen mächtigen Widersacher.

Eine klassische Gangstergeschichte

Dennis Lehane / Foto: Gaby Gerster (c) Diogenes Verlag

Foto: Gaby Gerster (c) Diogenes Verlag

Mit seinem knapp 600 Seiten langen Buch über den Aufstieg und Fall eines Bostoner Kriminellen bedient Dennis Lehane sämtliche Klischees über Gangster, auch verläuft Joes Leben in den zu erwartenden Bahnen. Dass dieses Buch dennoch von Anfang bis Ende fesselt, liegt vor allem an Lehanes lässig-ironischem Erzählstil. Er verleiht den Figuren nicht mehr Dramatik als nötig und behandelt sie zwar distanziert, aber nicht lieblos. Zudem ist Joe Coughlin ein moderner Gangster, der Verbrechen als Möglichkeit sieht, Geld zu verdienen und Bedürfnisse zu befrieden, die das Gesetz verbietet. Weiterlesen

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Krimi-Kritik: „Unter dem Auge Gottes“ von Jerome Charyn

Isaac Sidel ist designierter Vize-Präsident der USA, Bürgermeister von New York, Ex-Commissioner der Polizei und voller ‚ehrlicher Grausamkeit‘. Seit 1974 steigt der Cop aus der Bronx die Karriereleiter hinauf – „Unter dem Auge Gottes“ ist daher der elfte Band von Jerome Charyns Reihe über Isaac Sidel. Hierzulande erscheint er als erster Band der neuen Pulp-Penser Reihe des Verlags Diaphanes und hat nahezu hymnische Kritiken erhalten.

(c) diaphanes

(c) diaphanes

Tatsächlich ist „Unter dem Auge Gottes“ ein atemberaubender Kriminalroman mit einer charismatischen Hauptfigur. Isaac Sidel ist bei den Menschen beliebt, weil er knallhart und unbestechlich ist. Selbst im Wahlkampf läuft er noch mit „einer Glock in der Hose durch die Gegend“ und macht „Verbrecher dingfest“. Deshalb ist er ein „Rabauke mit einer Kanone. Er geriet in Faustkämpfe. Sein ganzer Körper war mit Narben übersät, wie Gottes eigener Krieger.“ Da er nur die bösen Jungs aus dem Weg räumt, lieben und verehren ihn die Menschen. Deshalb wissen auch die Strategen in der Demokratischen Partei, dass sie ihm den Sieg bei den Wahlen verdanken, haben aber mit seiner Unangepasstheit und seinem Gerechtigkeitssinn einige Schwierigkeiten. Dann wird von einem Attentäter, der sich selbst als das „Auge Gottes“ bezeichnet, ein Anschlag auf Sidel verübt. Das kann er nicht hinnehmen, außerdem zweifelt er an den schnell aufgedeckten Hintergründen des Attentats. Also beginnt er mit eigenen Nachforschungen und kommt dahinter, dass der reiche David Pearl etwas mit dem Anschlag zu tun hat. Pearl war einst der Assistent des berühmt-berüchtigten Arthur Rosenstein und lebt wie einst dieser im 17. Stock des legendären, aber leicht heruntergekommenen Hotels Ansonia. Sidel kennt ihn seit Kindestagen und teilt mit Pearl die Liebe zu dem Mythos des Ansonia, doch er weiß auch, dass er ihm nicht trauen kann. Und so deckt er nach und nach unglaubliche Verstrickungen von Politik und organisiertem Verbrechen auf. Weiterlesen

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Krimi-Kritik: „Kein Opfer ist vergessen“ von Michael Harvey

(c) Piper

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Die Fernsehserie „Cold Case“ mochte ich immer recht gerne. Die Fälle waren meist gut, die Charaktere sympathisch und lange Zeit hielten sich die privaten Verwicklungen auch im Hintergrund. Vor allem aber haben mir die Musik in den historischen Rückblenden und die leicht kitschigen zusammenfassenden Bilder am Ende der Folge gut gefallen. Dann verleidete mir eine kaum zu durchschauende Sendereihenfolge die Serie, ich wurde älter und kritischer und hörte auf, sie zu gucken. Als ich vor kurzem jedoch in dem Programm von Piper auf einen Krimi von einem der Drehbuchautoren und Entwickler der Serie stieß, dessen Cover schon an die typisch blaue Farbgebung der Serie erinnert, war meine Neugier geweckt – und dankenswerterweise bekam ich ein Rezensionsexemplar. Weiterlesen

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Dänisches Kino: „Das Erbe“ von Per Fly

Der plötzliche Tod seines Vaters stellt Christoffer (Ulrich Thomsen, „Das Fest“) vor ein lebensentscheidendes Dilemma: Soll er dem Wunsch seiner Mutter folgen und sein bisheriges, äußerst glückliches Leben in Stockholm zurücklassen, um das familieneigene Stahlunternehmen durch eine Fusion zu retten, obwohl er weiß, welche Belastung es für ihn ist? Oder soll er auf seine Ehefrau Maria (Lisa Werlinder) hören und mit ihr in Stockholm bleiben, obwohl er weiß, dass seine Familie ihm das kaum verzeihen wird? Weiterlesen

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