Schlagwort-Archive: Kritik

Poe in Baltimore – Über „The Raven“

(c) Universum Film

„Anscheinend sind meine eigenen Werke zur Inspiration für einen Mörder geworden!“, muss Edgar Allen Poe (John Cusack) feststellen. Nach Baltimore zurückgekehrt, um endlich die wunderschöne Emily (Alice Eve) zu heiraten, deren Vater ihn hasst, ist mit ihm ein Serienmörder in die Stadt gekommen, der die Methoden seiner Werke mit seinen Taten kopiert. Schnell hat der findige Inspektor Fields (Luke Evans) diese Parallele entdeckt, ermittelt erst gegen und zügig mit Poe. Gemeinsam begeben sie sich auf eine Verbrecherjagd, bei der Poes Werke lediglich Anreize für blutige Tatorte geben. Denn „The Raven“ ist weder ein meta-literarisches Spiel mit Poes Werken noch ein fiktives Biopic des Meisters des Schreckens. Aber der Film vermag dank eines ansehnlichen Produktionsdesigns und einiger Spannung durchaus zu unterhalten. Weiterlesen

Diesen Beitrag teilen

„Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger” – Vom Buch zum Film

(c) S. Fischer

Piscine Molitor Patel, benannt nach einem französischen Schwimmbad, lebt mit seinen Eltern und seinem Bruder in der ehemals französischen Kolonie Pondicherry in Indien. Sein Vater ist Zoodirektor und Pi – so nennt er sich, um den Hänseleien seiner Klassenkameraden zu entgehen – wächst weitgehend unbeschwert auf. Während sich sein Bruder ganz dem Cricket verschrieben hat, findet Pi in der Religion und Biologie sein Zuhause. Er ist zugleich Moslem, Christ und Hindu und interessiert sich sehr für Zoologie. Unzufrieden mit den politischen Entwicklungen in Indien und aus Angst, das bisherige Leben nicht aufrechterhalten zu können, beschließt Pis Vater, nach Kanada zu gehen. Er verkauft die Zootiere, und die Familie reist mit ihnen auf einem japanischen Frachter. Eines Nachts kommt es zu einem Zwischenfall – und das Schiff sinkt. Pi findet sich mit einem Zebra, einer Hyäne, einem Orang Utan auf einem Rettungsboot wieder. Nach einigen Tagen sind nur noch der Tiger namens Richard Parker und Pi am Leben. Pi erkennt, dass er sich mit dem Tiger arrangieren muss. Hierfür muss er zum einen seine Angst überwinden, denn sein Vater lehrte ihn in einer grausamen Lektion die Gefahr dieses Tieres – und zum anderen einen Weg finden, mit Richard Parker zurechtzukommen. Außerdem warten weitere Herausforderungen auf ihn: Er braucht Nahrung und Wasser, muss Stürmen und Haien trotzen, vor allem aber darf er nicht die Hoffnung verlieren.

Erzählweise und Deutungsmöglichkeiten

Patel (Suraj Sharma) mit dem Tiger Richard Parker (c) 2012 Twentieth Century Fox

Vom Anfang des Buches „Schiffbruch mit Tiger“ von Yann Martel an steht fest, dass Pi diese Reise überleben wird, da er in Kanada einem Schriftsteller diese Geschichte erzählt. Der Schriftsteller wurde von Pis altem Freund Adirubasamy nach Kanada geschickt wurde, der ihm prophezeit hatte, durch Pis Geschichte werde er an Gott glauben. Diese Rahmenerzählung bedeutet aber noch etwas anderes: Wenn es nicht um Pis Überlebenskampf geht, dann muss die Geschichte eine weitere Bedeutung haben Weiterlesen

Diesen Beitrag teilen

Über „Tabu – Eine Geschichte von Liebe und Schuld“ von Miguel Gomes

Ein melancholisches Krokodil (c) Real Fiction

In seinem Film „Tabu – Eine Geschichte von Liebe und Schuld“ erzählt der portugiesische Regisseur Miguel Gomes eine Geschichte über die Melancholie. Im Prolog ist im Stil eines alten Schwarzweiß-Films ein älterer weißer Mann zu sehen, der durch die afrikanische Savanne marschiert. Er geht nicht wild entschlossen, sondern zögern und als trüge er eine Last auf seinen Schultern. Tatsächlich klärt ein Erzähler auf, dass dieser Mann dem Kummer um seine verstorbene Frau entfliehen will. Aber er kann der Trauer nicht entkommen – und lässt sich deshalb von einem Krokodil töten. Seither ist einer Legende zufolge häufig ein melancholisches Krokodil in Begleitung einer Frau zu sehen.

Dona Aurora (Laura Soveral) (c) Real Fiction

Danach springt der Film in die Gegenwart und das hellere Schwarzweiß wird klarer, deutlich kontrastreicher. Das Bild zeigt die Rentnerin Pilar (Teresa Madruga), die in einem leeren Kino sitzt und sich einen Film an schaut. Der Titel „The Lost Paradise“ wird eingeblendet. Anscheinend hängt Pilar vergangenen Zeiten nach. Die Filme, die sie liebt, sind nicht mehr zeitgemäß, erfüllen sie aber mit Melancholie. Ihre restliche Zeit verbringt die gläubige Pilar mit sozialem und politischem Engagement: Sie protestiert gegen die UNO, will einer Taizé-Anhängerin eine Unterkunft bieten und sorgt sich um ihre ältere Nachbarin Aurora (Laura Soveral). Weiterlesen

Diesen Beitrag teilen

Krimi-Kritik: „Bloodman“ von Robert Pobi

(c) Ullstein

Als Jugendlicher hat Jake Cole seine Heimat in Montauk, New York und seinen egomanischen Vater Jacob Coleridge verlassen und hat auf der Straße gelebt, zu viel getrunken und alle möglichen Drogen genommen. Er hatte sogar einen viermonatigen Blackout, währenddessen er sich Verse auf die Haut tätowieren lies. Aber er ist wieder auf die Beine gekommen und arbeitet nun als Sonderermittler für das FBI. Jake ist Experte für Tatorte und liest sie wie kein zweiter. Als sein Vater mit der Diagnose Alzheimer in eine Klinik eingeliefert wird, nachdem er versucht hat, sich selbst zu verstümmeln, kehrt Jake nach Montauk zurück. Und mit ihm ein grausamer Mörder, der seinen Opfern die Haut abzieht. Für Jake gibt es keinen Zweifel, dass dieser Mann vor Jahren seine Mutter auf ebenso grausame Weise tötete. Deshalb will er ihn dieses Mal unbedingt stellen.

Die Handlung von Robert Pobis Thriller „Bloodman“ klingt spannend und beginnt auch vielversprechend: Jake ist gerade in Montauk angekommen, als die zwei gehäutete Leichen gefunden werden. Damit wird ein hohes Tempo suggeriert, allerdings hat der Autor zahlreiche unnötige Verzögerungen eingebaut, die den Fluss hemmen. Weiterlesen

Diesen Beitrag teilen

Auf DVD: „Haus der Sünde“

Kunde und Prostituierte (c) NFP

„Ich bin müde“, sagt zu Beginn von Bertrand Bonellos Film „Haus der Sünde“ eine Dame im Negligé. Sie arbeitet in dem Pariser Luxusbordell „L`Appollonide“ und gibt mit diesem Satz bereits die Richtung des Films vor: Im schwummerigen Licht des Kerzenscheins und mit beinahe benommener Ruhe erzählt Bertrand Bonello von den letzten Wochen eines Bordells. Dabei gibt es keinen strukturierenden Plot, sondern gemäß des Originaltitels „L’Apollonide – Souvenirs de la maison close“ versammelt Bertrand Bonello in loser Szenenfolge Erinnerungen an eine vergangene Zeit. Weiterlesen

Diesen Beitrag teilen

Arne Dahl im ZDF – Ein erstes Resümee

Paul Hjelm (Shanti Roney), Jorge Chavez (Matias Varela), Aarto Söderstedt (Niklas Åkerfelt), Jenny Hultin (Irene Lindh), Viggo Norlander (Claes Ljungmark), Kerstin Holm (Malin Arvidsson), Gunnar Nyberg (Magnus Samuelsson) von li. nach re.

An den letzten vier Sonntagen waren im ZDF die Verfilmungen der A-Team-Romane von Arne Dahl zu sehen. Jeden Sonntag saß ich daher vor dem Fernseher – und ärgerte mich. Über die mäßige Synchronisation, über falsche Begriffe, die wenig überzeugende Besetzung und die Schnittfassungen, die das ZDF zumindest bei den ersten beiden Teilen ausstrahlte. Machte ich meinem Unmut über „Misterioso“ noch Luft, war ich von der Episode „Böses Blut“ so enttäuscht, dass ich noch nicht einmal etwas zu schreiben wollte. Und das passiert äußerst selten. Nun wurde aber wenigstens der vorerst letzte Teil „Falsche Opfer“ vollständig in 180 Minuten ausgestrahlt und dafür auf zwei Sonntage verteilt.

„Falsche Opfer“ – In voller Länge

Gunnar Nyberg (Magnus Samuelsson) in Schwierigkeiten (c) Johan Paulin

Schon letzte Woche zeigten sich bei dem ersten Teil von „Falsche Opfer“ die Vorteile dieser langen Fassung: Die Handlungsstränge wurden sorgfältiger vorbereitet, den einzelnen Figuren wurde mehr Raum und dadurch zumindest die Möglichkeit zur Charakterisierung gegeben. Daneben fiel aber auch auf, dass manche Personen wie beispielsweise Sara Svenhagens Vater bisher noch gar nicht bekannt waren – zumindest innerhalb der Ausstrahlung. Dennoch waren allein die ersten 90 Minuten dieser Episode besser als die beiden vorherigen Teile. Weiterlesen

Diesen Beitrag teilen

Eine andere Welt – „Beasts of the Southern Wild“

„In a million years, when kids go to school, they gonna know: Once there was a Hushpuppy, and she lived with her daddy in The Bathtub.“

Hushpuppy auf der Inselstraße (c) Jess Pinkham/MFA+ FilmDistribtuion e.K.

Die sechsjährige Hushpuppy (Quvenzhané Willis) lebt mit ihrem Vater Wink (Dwight Henry) und anderen Aussteigern und Nonkonformisten in The Bathtub, einem halb überfluteten Flussarm im Süden der USA. Sie wissen, dass der große Sturm unweigerlich kommen wird – und mit ihm womöglich auch das Ende der Welt. Hushpuppy hat gelernt, dass im Universum alles zusammenhängt. Sollte ein kleiner Teil zerstört werden, wird die ganze Welt zusammenbrechen. Aber ihr Vater hat sie auch gelehrt, dass tapfere Männer nicht fliehen, sondern vor Ort bleiben, schauen, was passiert, und versuchen, das zerbrochene Teil der Welt wieder zu reparieren, indem sie stark bleiben. Als nun der Sturm kommt und The Bathtub in den Fluten versinkt, bleibt Hushpuppy mit ihrem Vater dort – und setzt alles daran, den Schaden wiedergutzumachen.

Hushpuppy (c) Jess Pinkham/MFA+ FilmDistribtuion e.K.

Aus der Sicht von Hushpuppy erzählt, hat Regisseur Benh Zeitlin mit seinem ersten Langfilm einen einzigartigen Film kreiert, der den Zuschauer auf eine magische Reise in die Welt eines sechsjährigen Mädchens einlädt. Hushpuppy glaubt an Monster und Wunder, deshalb ist ihre Welt, so schmutzig sie für manche sein mag, für sie magisch und das Allerwichtigste – und sie erzählt ihre Geschichte so, wie es ihr gefällt. Um diesen Film zu genießen, muss der Zuschauer bereit sein, sich auf dessen Subjektivität einzulassen. Das fällt aber nicht schwer, da Hushpuppy eine bezaubernde Erzählerin ist und über die Überzeugungskraft eines Kindes verfügt. Sobald man sich dieser Sichtweise hingegeben hat, entführt der Film in eine dystopische und zauberhafte Kinderwelt, in der nachgerade philosophische Fragen verhandelt werden. Dadurch entstehen beeindruckende Bildkompositionen, in der vor allem die Unbändigkeit der Natur kraftvoll eingefangen ist. Die Menschen in The Bathtub leben mit der Natur, mit ihrer Schönheit und Zerstörungskraft. Weiterlesen

Diesen Beitrag teilen