Am Sonntagabend lief mit „Misterioso“ der erste Teil der Arne-Dahl-Verfilmungen im ZDF. Ich hatte mich auf die Adaptionen gefreut, zumal ich weiterhin überzeugt bin, dass die Romanreihe sehr viel Potential bietet. Allerdings stellte sich innerhalb der ersten halben Stunde schnell Ernüchterung ein. Der Anfang war fahrig, die Handlungsstränge lieblos aneinandergereiht und insbesondere die Hauptfigur Paul Hjelm war blass. Dabei geht es gar nicht um das Äußere der Figur. Hier hat jeder beim Lesen andere Vorstellungen, so ergab beispielsweise die Blitzumfrage auf meinem Sofa, dass sich mein Mann Paul Hjelm als jüngeren Claus Theo Gärtner vorstellte, während er bei mir eher eine sportlichere Version von Axel Milberg ist. Aber diesem Paul Hjelm, der dort am Sonntagabend zu sehen, fehlte jegliche emotionale Tiefe – und das hängt entscheidend mit den Schwächen der Verfilmung zusammen.
Das Ermittlerensemble wird vorgestellt
Die Folge beginnt mit einem Bankraub, bei dem einer der Räuber mit einem Dartpfeil ins Auge getötet wird. Danach springt die Handlung zu einer Geiselnahme, bei der Paul Hjelm (Shanti Roney) auf eigene Faust eingreift und den Geiselnehmer anschießt. Danach steht er kurz vor der Suspendierung, als ihm Kriminalrätin Jenny Hultin (Irene Lindh) einen Ausweg bietet: Er soll Mitglied der „A-Gruppe“ werden, einer neuen Spezialeinheit der Stockholmer Polizei, die die Morde an schwedischen Finanzgrößen aufklären soll. Die zusammengewürfelte Gruppe setzt sich aus gegensätzlichen Charakteren zusammen: dem Computer-Experten Jorge Chavez (Matias Varela), dem freigeistigen Intellektuellen Arto Söderstedt (Niklas Åkerfeldt), der brillanten Kerstin Holm (Malin Arvidsson), dem Polizeiveteranen Viggo Norlander (Claes Ljungmark) und dem muskulösen Gunnar Nyberg (Magnus Samuelson). Zusammen nehmen sie die Ermittlungen auf, die sie von geheimen Bruderschaften bis zur russischen Mafia in verschiedenste Richtungen führen.
Das große Ermittler-Ensemble, das in der ersten Folge vorgestellt werden muss, ist sicherlich die größte Herausforderung bei der Verfilmung des Buches. Leider nimmt sich die Serie nicht ausreichend Zeit, um die verschiedenen Figuren kurz zu charakterisieren. Dadurch wird schon ein grundlegendes Dilemma der Serie deutlich: Für Leser der Bücher von Arne Dahl ist es nicht notwendig, dass die Figuren noch lange eingeführt werden. Aber diese Serie richtet sich offenbar ein weiteres Publikum – und hier gelingt es nicht, nur ansatzweise Verbindungen zu den Figuren aufzubauen. Dazu bleiben sie zu blass und unterkühlt. Dabei war es grundsätzlich ein guter Ansatz, Paul Hjelm – wie in dem Buch – in der ersten Folge in den Vordergrund zu stellen. Ihm wird die meiste Zeit auf dem Bildschirm eingeräumt, allerdings erscheint er als schlecht gelaunter Polizist, der seine vorbildhafte Familie vernachlässigt und sich hinter seiner Arbeit versteckt. Es fehlen Anzeichen auf die Ehe- und Lebenskrise, in der er im Buch steckt. Seine Beule auf der Wange, in der sich gewissermaßen sein gesamter Lebensekel sammelt, spielt keine Rolle. Und dadurch fehlt dem Fernsehermittler Hjelm jegliche Melancholie und Verlassenheit. Dadurch sind aber auch seine Aktionen nicht nachzuvollziehen. Darüber hinaus wird auch seine Verbindung zu Kerstin Holm überhaupt nicht deutlich, so dass ihre plötzliche Affäre nicht im geringsten eingeleitet wird.
Gekürzte Folgen im ZDF
Bei diesen vielen losen Enden drängt sich als erfahrene „Luther“-Seherin schnell der Verdacht auf, dass im ZDF abermals geschnittene Fassungen gezeigt werden. Tatsächlich zeigt ein Vergleich der Folgenlänge, dass laut IMDb die erste Folge 180 Minuten dauerte – beim ZDF allerdings nur 120 Minuten. Das ist eine Stunde (60 Minuten!), die fehlt. Doch warum entscheidet man sich, eine Reihe ausstrahlen und schneidet dann einzelne Folgen auf die passende Länge? Stattdessen hätte das ZDF die erste Folge auch als Zweiteiler mit jeweils 90 Minuten zeigen können. Aber diese Kürzungen sind ärgerlich, zumal zu vermuten, ja, fast zu hoffen ist, dass insbesondere am Anfang sehr viel fehlt. Das würde auch erklären, warum das entscheidende und titelgebende Musikstück zwar am Anfang kurz angespielt wird, dann aber bis zum letzten Mord keine Rolle mehr spielt.
Ärgerlich ist auch, dass in der deutschen Synchronisation das A-Team tatsächlich dem BKA unterstellt sein soll. Mal ehrlich: Gibt es außerhalb Schwedens ein Land, das sich aufgrund der vielen schwedischen Erfolgskrimis besser mit der dortigen Polizeistruktur auskennt als Deutschland? Und abgesehen davon: Das ist eine schwedische Krimi-Serie. Und so wie hierzulande Mac Taylor bei der Crime Scene Investigation und nicht der Spurensicherung arbeitet, es das BAU-Team beim FBI und nicht dem BKA arbeitet und es DCI Luther gibt, gehört das A-Team eben zum Rikspolisstyrelsen (RPS) oder kurz Rikspolisen (Reichspolizei), das zwar mit dem BKA gleichgesetzt werden kann – aber eben nicht so heißt. Dazu tritt gleich noch eine ärgerliche Synchronisation: In den Büchern ist stets die Rede davon, dass sich das A-Team in der sogenannten Kampfleitzentrale trifft, nicht in der Gefechtsleitzentrale. Das müsste doch – trotz unterschiedlicher Lippenbewegungen – möglich sein, zumal dieser Begriff immer wiederkehrt.
Und zum Schluss etwas Gutes
Abgesehen davon bot die erste Folge wenigstens gegen Ende Unterhaltung und macht zumindest Lust auf weiteren Episoden. Auch die Charakterisierung von Viggo Norlander – gut gespielt von Claes Ljungmark – lässt hoffen. Am besten hat mir aber die völlig umgedeutete Figur Hultin gefallen, aus der eine Frau geworden ist, die mich ein wenig an Margareta Oberg aus den „Kommissar Beck“-Filmen erinnerte. Ohnehin ist fraglich, warum sich die Drehbuchautoren Cecilia und Rolf Börjlind, die mit „Kommissar Beck“ eine Reihe geschaffen haben, die sich sehr weit von den Büchern entfernt, nicht mehr Freiheiten genommen haben. Davon hätte die Serie sicherlich profitiert, zumal die einzelnen Fälle auch Stoff für mehr als eine Folge bieten. Nun bin ich erst einmal gespannt auf die folgenden Teile, zumal „Böses Blut“ und insbesondere „Falsche Opfer“ zu meinen Lieblingstiteln der Reihe gehören. Vielleicht wird es ja besser.