Vorige Woche habe ich einen Film aus der Bibliothek geholt. Auf diesen Film habe ich mehrere Wochen gewartet, er war immer ausgeliehen. Nun aber liegt die Disc da. Es ist ein bisschen wie früher, als ich freitags aufgeregt in die Videothek ging – in der Hoffnung, dass die Filme, die ich sehen wollte, noch da sind. Es ist noch nicht einmal ein besonders neuer Film – oder ein Film, den ich nicht woanders bekommen hätte. Er lief sogar schon einmal auf Arte. Aber ich wollte ihn nicht einfach streamen. Ich wollte eine Disc in den Player legen, die Sprachfassung aussuchen und den Film angucken.
Diese Freude über die Disc irritiert mich – ich bin eigentlich nicht versessen aufs Material. Doch hinter ihr steckt weniger ein haptisches Bedürfnis als vielmehr, dass ich mich bewusst für einen Film entschieden habe. Dass ich wieder Lust aufs Filme gucken habe. Filme waren immer wichtig für mich, meine recht lang dauernde Filmmüdigkeit hat mich nicht gerade glücklich gemacht. Ich weiß nicht, ob Filme jemals wieder so einen Stellenwert bekommt wie “damals”. Aber alleine dass ich diese Vorfreude verspüre, ist schon etwas.
Mittlerweile glaube ich sehr genau ausmachen zu können, was diese Filmmüdigkeit verursacht hat: Die Arbeitsbedingungen als Filmkritikerin spielten eine Rolle. Die vielen mittelmäßigen Filme, die ich gesehen habe. Aber auch dass ich viel gesehen habe, was ich eigentlich gar nicht sehen wollte. Das kommt mit der Profession, klar. Ich lese auch beruflich Bücher, die ich privat nicht lesen würde. Aber gerade weil Filme immer wichtig für mich waren, habe ich eine andere Beziehung zu ihnen – emotionaler, persönlicher. Und deshalb hat mich das irgendwann zermürbt. Seit vorigem Jahr mache ich nun wieder etwas, was für manche recht banal klingt: Ich gucke (fast) nur noch, was ich sehen will.
Es ist allerdings gar nicht so einfach, diesen Reflex des “Das-muss-ich-Gucken” abzustellen. Dass ich kaum noch in sozialen Netzwerken unterwegs bin, hilft sehr. Dass ich kaum noch Filmkritik mache. Stattdessen habe ich nun eine Notiz, in der ich Filmtitel notiere, die mich interessieren. Allerdings muss ich ein bisschen aufpassen, dass sie nicht zu einer Liste wird, die ich abarbeite (ich liebe Listen!). Habe ich mich für einen Film entschieden, schaue ich, wo ich ihn herbekomme und – da ich nur sporadisch Streamingsdienste abonniere – ihn ausleihen kann, entweder physisch oder als Stream.
Diese Suche, diese bewusste Entscheidung, ggf. der Aufwand, den ich betreiben muss, um an einen Film zu kommen, hat noch etwas verändert: Ich schätze den jeweiligen Film mehr. Kürzlich habe ich bei Feuilleton & Firlefanz gelesen, dass wieder die große Klage losgeht, dass es bei vielen Streaminganbietern keine alten Filme gibt. Ich stimme André zu, dass niemand, der alte Filme gucken will, sich davon abhalten lässt. (Und im Vergleich dazu, wie schwierig es “damals” in den 1990ern Jahren war, an alte Filme zu kommen, ist es heute wesentlich einfacher. Wir hatten ja nichts! ;)) In meinen Augen aber sind sowohl diese Entwicklung als auch die Klage Teile einer weit verbreiteten kulturellen Bequemlichkeit: Alles, was anstrengt, wird skeptisch betrachtet oder regelrecht abgelehnt. Sei es der Aufwand, an einen Film zu kommen. Oder die Tatsache, dass ich mich auf einen Film oder ein Buch konzentrieren muss, um ihn bzw. es zu verstehen. Diese Bequemlichkeit wird an vielen Ecken gefördert: durch Autoplay, nicht enden wollende Playlists und natürlich einem Algorithmus, der stets davon ausgeht, dass ich mehr von dem Gleichen haben will – und bloß nichts, was mich aus dieser Bequemlichkeit herausholt. Die meisten Streamingdienste wollen, dass man aus ihrem Katalog aussucht – sie setzen darauf, dass man zu faul ist, außerhalb zu suchen. Und dass einem gar nicht auffällt, wie vielseitig Kultur sein kann. Sonst würde Netflix nicht ein generisches Produkt nach dem anderen rausbringen oder Spotify mit banalen Tracks Playlists vollstopfen. Sie setzen darauf, dass man nicht aufpasst, was man konsumiert. Denn: Es ist Konsum, es ist keine Rezeption.
Dass mich diese Bequemlichkeit umtreibt, hat einen klaren Grund: Sie trägt dazu bei, dass die Wertschätzung von Kultur schwindet. Denn das nächste Unterhaltungsprodukt ist stets verfügbar, ohne dass man darüber nachdenken muss oder sich dafür entscheiden muss (und einem klar wird, dass man sich gleichzeitig gegen Millionen andere Dinge entscheidet). Diese Bequemlichkeit durchzieht nicht nur die Auswahl eines Films. Sie sorgt dafür, dass man weiterhin die Dienste und Netzwerke verwendet, die bequem sind – auch wenn sie möglicherweise die Demokratie gefährden oder gefährliche reiche Männer noch reicher machen. Sie sorgt dafür, dass man Dinge hinnimmt. Wenn jemand sagt, so ist es, wird es schon so sein. Sie sorgt dafür, dass man weniger hinsieht – was man konsumiert, was gerade geschieht. Weniger nachdenkt. Und wer daran ein Interesse hat, dürfte offensichtlich sein.
Ich kann dich da gut verstehen. Jetzt habe ich überhaupt keinen professionellen Anspruch, doch kann ich schlecht Filme im Stream sehen. Einfach weil zu viel (Vor-)Auswahl. Deshalb setze ich heute mehr denn je auf mein kuratiertes Filmregal und schaue, ja auch wegen den Kindern, gerade größtenteils Filme aus meiner eigenen Jugend. Habe in jüngerer Zeit auch immer wieder feststellen müssen, dass weit nicht alles via Stream verfügbar ist und auch haptische Medien immer mehr verschwinden. Um es kurz zu machen: Ich liebe meine Sammlung an Filmen und sie bringt mir, selbst wenn ich gerade keinen Film schaue, mehr Freude als ein x-beliebiger Streaming-Hype der über den Bildschirm huscht.