Schlagwort-Archive: Vergleich

„Tage am Strand“ – Ein Vergleich von Buch und Film

Es ist ein idyllischer Anblick, der sich der Kellnerin Theresa zu Beginn von Doris Lessings Novelle „Großmütter“ am Strand offenbart: Eine Gruppe gutaussehender Menschen, zwei Frauen um die Sechzig, ihre Söhne und deren kleinen Töchter, sitzen zusammen und „Seligkeit und Glück“ scheinen in der „heißen blauen Luft zu schimmern“. Doch dann taucht eine der Ehefrauen der Söhne auf und zerstört dieses Idyll. Sie hat etwas herausgefunden – und es folgt ein Rückblick, der von den Hauptfiguren Lil und Roz erzählt. Von Kindesbeinen an sind sie beste Freundinnen und verbringen am Strand glückliche Tage miteinander. Sie heiraten zur gleichen Zeit, bekommen jeweils einen Sohn und als Lils Mann stirbt, scheint es endgültig keinen Platz mehr für Roz‘ Ehemann zu geben. Fortan verbringen die Frauen mit ihren Söhnen die Tage allein. Eines Tages beginnen sie eine Beziehung mit dem Sohn der jeweils anderen, die über Jahre geht und schließlich von ihnen beendet wird. Lil und Roz sind diejenigen, die den Ton angeben – und schließlich wollen sie, dass ihre Söhne heiraten und sie zu den titelgebenden Großmüttern machen. Ihre Söhne haben ihnen diese Entscheidung jedoch niemals verziehen und als nun die Ehefrauen Briefe entdecken, in denen diese Beziehung aufgedeckt werden, zerbricht auch der Lebensentwurf der Großmütter Lil und Roz.

Die Gefahr des privilegierten Narzissmus

Roz und Lil am Strand (c) Concorde

Roz und Lil am Strand (c) Concorde

In oftmals schwülstigen und kitschigen Tönen erzählt Doris Lessings Novelle weniger von älteren Frauen, die sich mit jüngeren Männern einlassen, als vielmehr von dem Leben privilegierter Figuren, die völlig in ihrem selbst erschaffenen und selbstgenügsamen Idyll aufgehen. Für die Frauen gibt es nur ihre Freundschaft, ihr ordnen sie letztlich alles unter. Ihre Söhne sind ein Teil dieser Welt geworden, so dass sie ihre Rolle erfüllen. Auch die Enkeltöchter scheinen perfekt hineinzupassen, fast könnte es eine Wiederkehr dieser Freundschaft geben. Jedoch zerstören die Ehefrauen mit einem Blick von außen und der Wahrheit diese heile Abgeschiedenheit. Weiterlesen

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„The Paperboy“ oder: Wie aus einem famosen Roman ein schwüles B-Movie wurde

Was hat sich Lee Daniels nur dabei gedacht? Diese Frage habe ich mir im Verlauf dieses Films mehr als einmal gestellt – und eine eindeutige Antwort habe ich bis heute nicht gefunden. Lee Daniels‘ Adaption von Pete Dexters „Paperboy“ ist ein schwüler, hitziger Southern-Gothic-Film geworden, in dem vor allem die unterdrückten sexuellen Leidenschaften der Figuren dargelegt werden. Von dem Geflecht aus Journalismus, Wahrheit und Rassismus aus Pete Dexters Roman ist dabei aber nur wenig übriggeblieben.

Ward Jensen und Yadley Archman (c) Planet Media Home Entertainment

Roman wie Film spielen im Jahre 1969 in der Kleinstadt Lately im Moat County, Florida. Vor vier Jahren wurde Sheriff Thurmond Call ermordet und Hillary van Wetter (John Cusack) als Täter zum Tode verurteilt. Nun tauchen die Journalisten Yardley Acheman (David Oyelowo) und Ward Jansen (Matthew McConaughey) auf, um einigen Ungereimtheiten des Falls nachzugehen. Ward kommt aus Lately, sein Vater W.W. (Scott Glenn) und sein jüngerer Bruder Jack (Zac Efron) wohnen dort noch. Also kann er sich zumindest auf Jacks Hilfe verlassen. Zu den Journalisten stößt außerdem noch Charlotte Bless (Nicole Kidman), eine verblassende Südstaaten-Schönheit mit einer Vorliebe für Häftlinge, die mit Hillary verlobt ist und an seine Unschuld glaubt. Im Vergleich zum Roman gibt es nun im Film eine Reihe Umdeutungen, die sich letztlich auf die gesamte Rezeption auswirkt. Weiterlesen

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„Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger” – Vom Buch zum Film

(c) S. Fischer

Piscine Molitor Patel, benannt nach einem französischen Schwimmbad, lebt mit seinen Eltern und seinem Bruder in der ehemals französischen Kolonie Pondicherry in Indien. Sein Vater ist Zoodirektor und Pi – so nennt er sich, um den Hänseleien seiner Klassenkameraden zu entgehen – wächst weitgehend unbeschwert auf. Während sich sein Bruder ganz dem Cricket verschrieben hat, findet Pi in der Religion und Biologie sein Zuhause. Er ist zugleich Moslem, Christ und Hindu und interessiert sich sehr für Zoologie. Unzufrieden mit den politischen Entwicklungen in Indien und aus Angst, das bisherige Leben nicht aufrechterhalten zu können, beschließt Pis Vater, nach Kanada zu gehen. Er verkauft die Zootiere, und die Familie reist mit ihnen auf einem japanischen Frachter. Eines Nachts kommt es zu einem Zwischenfall – und das Schiff sinkt. Pi findet sich mit einem Zebra, einer Hyäne, einem Orang Utan auf einem Rettungsboot wieder. Nach einigen Tagen sind nur noch der Tiger namens Richard Parker und Pi am Leben. Pi erkennt, dass er sich mit dem Tiger arrangieren muss. Hierfür muss er zum einen seine Angst überwinden, denn sein Vater lehrte ihn in einer grausamen Lektion die Gefahr dieses Tieres – und zum anderen einen Weg finden, mit Richard Parker zurechtzukommen. Außerdem warten weitere Herausforderungen auf ihn: Er braucht Nahrung und Wasser, muss Stürmen und Haien trotzen, vor allem aber darf er nicht die Hoffnung verlieren.

Erzählweise und Deutungsmöglichkeiten

Patel (Suraj Sharma) mit dem Tiger Richard Parker (c) 2012 Twentieth Century Fox

Vom Anfang des Buches „Schiffbruch mit Tiger“ von Yann Martel an steht fest, dass Pi diese Reise überleben wird, da er in Kanada einem Schriftsteller diese Geschichte erzählt. Der Schriftsteller wurde von Pis altem Freund Adirubasamy nach Kanada geschickt wurde, der ihm prophezeit hatte, durch Pis Geschichte werde er an Gott glauben. Diese Rahmenerzählung bedeutet aber noch etwas anderes: Wenn es nicht um Pis Überlebenskampf geht, dann muss die Geschichte eine weitere Bedeutung haben Weiterlesen

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Daniel Kehlmann und Detlev Buck – Eine zweifache „Vermessung der Welt“

Mit seinem Roman „Die Vermessung der Welt“ stand Daniel Kehlmann über 37 Wochen auf der Bestseller-Liste und hat im In- sowie Ausland große Erfolge gefeiert. Und tatsächlich ist diese geschickt montierte Doppelbiographie von Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß ungemein lustig und gut zu lesen. Dabei bietet sie mit der Parodie auf klassische Lebensbeschreibungen intelligente Unterhaltung im besten Sinne. Nun hat Detlev Buck diesen Erfolgsroman in 3D verfilmt

Über den Roman von Daniel Kehlmann

(c) Rowohlt

Der Roman beginnt im Jahr 1828 – übrigens die einzige Jahreszahl in diesem historischen Roman – mit einer Reise von Carl Friedrich Gauß nach Berlin. Dorthin wurde er von Alexander von Humboldt zur 17. Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte eingeladen und hat sich widerwillig mit seinem Sohn Eugen auf den Weg gemacht. Der alte Gauß reist nicht gerne, sondern ist am liebsten zu Hause. In Berlin trifft er nun auf den reisenden Entdecker Alexander von Humboldt, der die Welt mit seinen Füßen erkundet hat. Ihre Begegnung bildet die Rahmenhandlung des Romans, in die die kapitelweise wechselnden chronologischen Lebensläufe von Gauß und Humboldt eingebunden sind. Beide haben die Welt erkundet – wenngleich auf verschiedenen Wegen. Humboldts Entdeckerdrang führte ihn nach seiner strengen Ausbildung und dem Tod der Mutter bis nach Amerika. Dort hat er mit seinem Assistenten Aimé Bonpland den damals bekannten höchsten Berg der Welt bestiegen. Dagegen forschte der aus armen Verhältnissen stammende Gauß am Schreibtisch und erkundet die Welt mathematisch. Seine sinnlichen Versuchungen sind die Frauen, während sich Humboldt eine strenge Askese auferlegt hat. Weiterlesen

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Die Schwierigkeiten bei einer Literaturverfilmung – Über „Die Wand“

Wie verfilmt man einen inneren Bericht? Mit dieser Frage sieht sich jeder konfrontiert, der Marlen Haushofers Roman „Die Wand“ auf die Leinwand adaptieren will. Völlig aus der Sicht der namenlosen Hauptfigur erzählt, mit wenigen Ereignissen und vielen Seelenzustanden ist „Die Wand“ ein grandioser Roman – als Film aber schwer vorzustellen. Denn dazu sind gleich zwei literarische Hürden zu überwinden: die Ich-Erzählperspektive und die Inneneinsichten der Erzählerin

Über den Roman „Die Wand“

(c) List

Bereits 1963 entstanden ist „Die Wand“ Marlen Haushofers erfolgreichster Roman. Die namenlose Ich-Erzählerin schreibt einen Bericht über die Ereignisse der letzten Jahre, um in einem einsamen Winter in den Bergen nicht in eine Depression zu verfallen. Vor gut zwei Jahren ist sie mit ihrer Cousine und deren hypochondrischen Ehemann zu deren Jagdhütte in die Berge gefahren. Am Nachmittag brach das Ehepaar zu einem Besuch im nahegelegenen Dorf auf, war aber am nächsten Morgen noch nicht zurückgekehrt. Also machte sich die Frau mit dem Hund Luchs ebenfalls auf den Weg ins Dorf. Sie ging eine menschenleere Straße entlang, als sie plötzlich mit der Stirn an etwas stieß. „Verdutzt streckte ich die Hand aus und berührte etwas Glattes und Kühles: einen glatten, kühlen Widerstand an einer Stelle, an der doch gar nicht sein konnte als Luft. Zögernd versuchte ich es noch einmal, und wieder ruhte meine Hand wie auf der Scheibe eines Fensters.“ Anfangs ist sie irritiert, dann bemerkt sie, dass sie tatsächlich allein auf der Straße ist. Sie geht weiter zu einem kleinen Gehöft, entdeckt dort aber nur einen Mann, der bewegungslos an einem Brunnen verharrt. Sie kann zu ihm nicht vordringen, sondern wird abermals von der unsichtbaren Wand zurückgehalten. Weiterlesen

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„On the road“ – Jack Kerouac und Walter Salles

Die Urfassung von „On the road“ – so will es die Legende – hat Jack Kerouac auf einer ca. 40 Meter langen, aus zusammengeklebten Schreibmaschinenpapieren bestehenden Rolle im Benzedrin-Rausch geschrieben. Und genau mit dieser Szene endet der Film von Walter Salles, der am 4. Oktober in den Kinos startet: Kerouacs Alter Ego Sal Paradise (Sam Riley) spannt eine Papierrolle ein – und legt los. Das Buch ist längt zur Kult-Fibel der Beat-Generation geworden, nun sieht sich der Film mit der Aufgabe konfrontiert, diesen Nimbus einzufangen.

Der lange Weg zur Verfilmung

(c) 2012 Concorde Filmverleih GmbH

Bereits nach Erscheinen des Buches im Jahre 1957 hat Jack Kerouac angeblich die Filmrechte Marlon Brando angeboten. Er stellte sich vor, Brando sollte die Rolle von Dean Moriarty spielen und er selbst würde Sal Paradise sein. Aber zeitlebens scheiterten die Verfilmungsversuche an der Struktur von „On the road“, die der gängigen Anfang-Mittelteil-Ende-Aufteilung widerspricht. Dann sicherte sich Francis Ford Coppola die Filmrechte und unternahm seit 1979 verschiedene Anläufe zur Verfilmung: Unter anderem bot er Jean-Luc Godard die Regie an, auch Gus van Sant wurde mit dem Projekt in Verbindung gebracht. Schließlich wurde 1995 Barry Gifford („Wild at Heart“) engagiert, um das Drehbuch zu schreiben. Der Film kam nicht zustande, aber Giffords Buch „Jack’s Book“ aus dem Jahr 1978, in dem er Kerouacs Lebensgeschichte basierend auf Erzählungen von seinen Wegbegleitern nachspürt, hat Walter Salles nun bei seiner Adaption begleitet.

Zwischen Nähe und Abweichung

Regisseur Walter Salles mit Schauspieler Viggo Mortensen(c) 2012 Concorde Filmverleih GmbH

Fünf Jahre haben Walter Salles und Jose Rivera an dem Buch gearbeitet und verschiedene Fassungen diskutiert. „Wir haben versucht, so dicht wie möglich am Roman zu bleiben. Aber manchmal mussten wir abweichen: die Vorlage verraten, um ihr letztlich treu zu bleiben. Eine Adaption sollte das Publikum auch dazu anregen, das Buch – das Original – wieder zur Hand zu nehmen und seine eigene Version von „On the road“ zu entwerfen“, werden sie im Presseheft zitiert. Die Nähe und die Abweichungen sind gut zu erkennen. Beispielsweise sind der erste Satz in Buch und Film identisch, dagegen spielt Jacks Freund Henri im Film keine Rolle, seine typische Floskel „Was sagt Präsident Truman immer: Wir müssen die Lebenshaltungskosten senken!“ wird hingegen Sal und Neal in den Mund gelegt. Weiterlesen

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Sherlock – Die Hunde von Baskerville

Holmes (Benedict Cumberbatch, re.) und Watson (Martin Freeman) in Dartmoor © ARD Degeto/BBC/Hartwood Films 2012

Nervös stürzt Sherlock (Benedict Cumberbatch) mit blutverschmiertem Oberteil in die Baker Street 221B – anscheinend hat er gerade einen Fall gelöst. Aber er ist auf Nikotinentzug, daher braucht er schnellsten den nächsten Fall. Ein verschwundenes Kaninchen, das angeblich in der Nacht leuchtete, reizt ihn wenig. Der Besuch von Henry Knight (Russell Tovey) entpuppt sich hingegen als vielversprechend: Henry hat als Kind mit angesehen, wie sein Vater in Dartmoor von einem Höllenhund zerfleischt wurde. Seine Leiche wurde nie gefunden und Henry hat die Ereignisse niemals überwunden. Nun hat er sich im Rahmen einer Therapie erneut an den Tatort begeben und abermals Hinweise auf einen Höllenhund gefunden. Also sucht er die Hilfe von Sherlock Holmes – und der Meisterdetektiv macht sich mit John Watson (Martin Freeman) auf den Weg in die Grafschaft Devon, wo Henrys Vater in der Nähe des streng bewachten Militärstützpunktes Baskerville ums Leben kam. Interessanterweise sollen in Baskerville genetische Experimente mit Tieren vorgenommen werden. Ist den Militärs vielleicht eine gefährliche Kreatur entwischt? (Achtung Spoiler! In meiner Besprechung verrate ich wesentliche Teile des Inhalts und der Auflösung.) Weiterlesen

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