Einige Worte zu „Grace und Frankie“

Nachdem ich zuletzt mit einigen Serien („Peaky Blinders“, „Mr. Selfridge“,„Blutsbande”) nicht warm geworden bin, habe ich bei Twitter gelesen, dass Jens und insbesondere seine Frau sehr angetan von „Grace und Frankie“ waren. Wer skandinavische Filme mindestens ebenso sehr schätzt wie ich und mir noch dazu immer die korrekte Aussprache der Namen sagen kann, kann nicht so daneben liegen. Abgesehen davon mag ich Lily Tomlin und hatte Lust auf etwas nicht-kriminelles, also habe mal reingesehen und war von der ersten Folge an hingerissen: „Grace und Frankie“ ist witzig, traurig, rührend und echt. Erzählt wird die Geschichte zweier befreundeter Familien: Sol (Sam Waterston) und Robert (Martin Sheen) sind seit Jahren Geschäftspartner in einer Anwaltskanzlei, ihre Frauen Frankie (Lily Tomlin) und Grace (Jane Fonda) sind sehr verschieden, machen aber seit Jahrzehnten gute Miene bei freundschaftlichen Unternehmungen. Dann eröffnen Sol und Robert ihren Frauen, dass sie seit 20 Jahren eine homosexuelle Affäre haben und nun heiraten wollen. Grace und Frankie sind vor dem Kopf gestoßen, immerhin waren sie 40 Jahre verheiratet.

Daraus könnte eine furchtbare weichgespülte und klischeehafte Serie werden, aber „Grace und Frankie“ ist eine aufrichtige Serie über Menschen, die sich im Alter rund um 70 Jahre darauf besinnen, wer sie sind und was sie wollen. Sicherlich leben alle Figuren in einer Westküstenvariante von Nancy Meyers RomComs – jeden Moment erwartete ich, dass Diane Keaton dort spazieren geht und Steine sammelt – und sind es die Probleme der Wohlhabenden und – mehrheitlich – Weißen. Aber: Erwachsene dürfen sich benehmen wie Erwachsene, Probleme werden direkt angesprochen und auf so ehrliche Weise gelöst, das Verhalten jeder einzelnen Figur nachzuvollziehen ist. Deshalb gibt es keine nervigen Intrigen, keine peinlichen Momente, sondern zwei hinreißende Hauptdarstellerinnen, die jede auf ihre Weise und doch zusammen mit der neuen Situation zurechtkommen müssen. Als amüsante, kleine Serienabwechslung also sehr zu empfehlen.

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KrimiZEIT-Bestenliste Juni 2015

Und hier ist sie, die KrimiZEIT-Bestenliste für Juni:

(c) Ariadne

(c) Ariadne

1 (-) Merle Kröger: Havarie (Ariadne)
2 (10) Dominique Manotti: Abpfiff (Ariadne)
3 (-) Sara Gran: Dope (Droemer)
4 (1) James Lee Burke: Sturm über New Orleans (Pendragon)
5 (-) Gary Victor: Soro (litradukt)
6 (-) Mukoma wa Ngugi: Blackstar Nairobi (Transit)
7 (-) Davide Longo: Der Fall Bramard (Rowohlt)
8 (3) James Ellroy: Perfidia (Ullstein)
9 (9) Benjamin Black: Der Blonde mit den schwarzen Augen (Kiepenheuer & Witsch)
10 (2) Zoë Beck: Schwarzblende (Heyne)

Eigentlich wollte ich fortan die Liste unkommentiert lassen, weil ich darüber mitabstimme. Aber ich freue mich so über dieses Ergebnis: Vier Autorinnen, davon drei auf den Plätzen eins bis drei! Außerden zwei deutschsprachige, ein haitianischer, ein italienischer, eine französische und ein kenianischer Autor_innen!

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Filmreihe Patricia Highsmith

Vom 3. Juni bis 27. Juni läuft in Kino des Deutschen Filmmuseum eine Reihe mit Patricia-Highsmith-Verfilmungen. Den Auftakt macht Alfred Hitchcocks „Strangers on a train“ mit dem die Autorin weltbekannt wurde.

Das ganze Programm:

Mittwoch, 03.06.2015, 20:30 Uhr
„Strangers on a train“ („Der Fremde im Zug). USA 1951. R: Alfred Hitchcock. D: Farley Granger, Robert Walker, Ruth Roman. 92 Min. Blu-ray. OF

Donnerstag, 04.06.2015, 20:30 Uhr; Freitag, 12.06.2015, 18 Uhr
„Plein soleil“ („Nur die Sonne war Zeuge“). Frankreich 1960. R: René Clément. D: Alain Delon, Maurice Ronet. 118 Min. Blu-ray. OmeU

Mittwoch, 10.06.2015, 20:30 Uhr; Samstag, 13.06.2015, 20:15 Uhr
„Der amerikanische Freund“. BRD/Frankreich 1977. R: Wim Wenders. D: Dennis Hopper, Bruno Ganz. 126 Min. DCP

Dienstag 16.06.2015, 20:30 Uhr
„Die gläserne Zelle“. BRD 1978. R: Hans W. Geißendörfer. D: Helmut Griem, Brigitte Fossey, Dieter Laser. 93 Min. 35mm

Mittwoch 17.06.2015, 20:30 Uhr
„The talented Mr. Ripley“ („Der talentierte Mr. Ripley“). USA 1999. R: Anthony Minghella. D: Matt Damon, Jude Law, Gwyneth Paltrow, Cate Blanchett. 139 Min. 35mm. OmU

Donnerstag, 25.06.2015, 18 Uhr; Sonntag 28.06.2015, 20:30 Uhr
„Le cri du hibou“ („Der Schrei der Eule“). Frankreich 1987. R: Claude Chabrol. D: Christophe Malavoy,Jacques Penot, Mathilda May. 104 Min. 35mm. OmU

Freitag, 26.06.2015, 18 Uhr; Samstag 27.06.2015, 20:30 Uhr
„The Two Faces of January“ („Die zwei Gesichter des Januars“). USA/Großbritannien/Frankreich 2014. R: Hossein Amini. D: Viggo Mortensen, Oscar Isaac, Kirsten Dunst. 96 Min. DCP. OmU

Weitere Informationen sind unter auf der Homepage des Deutschen Filmmuseums zu finden.

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Norwegische Filme auf dem Filmfest Emden-Norderney

Vom 3. bis zum 10. Juni läuft das 26. Internationale Filmfest Emden Nordernery, auf dem dank der Partnerschaft mit dem Norwegian International Film Festival in Haugesund und des ortsansässigen Unternehmens Gassco AS auch wieder drei norwegische Film laufen:

(c) NFI

(c) NFI

In „Tausendmal Gute Nacht – A Thousand Times Good Night“ erzählt Erik Poppe von einer Kriegsfotografin (Juliette Binoche), die nach einem Anschlag versucht, wieder in ein ‚normales‘ Leben zurückzukehren. Mit schönen Bildern inszeniert, der jedoch etwas mehr Realismus und Härte vertragen hätte. Zu meiner Kritik.

„Doktor Proktors Pupspulver“ basiert auf einem Kinderbuch von Jo Nesbø.

„Beatles“ von Peter Flinth erzählt die Geschichte von vier Teenager in den 1960er Jahren, die auch gerne wie die Beatles werden. Ein unterhaltsamer Film mit kleineren Längen. Zu meiner Kurzkritik.

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Shots – April 2015

Fluchtpunkt Los Angeles

(c) ars vivendi

(c) ars vivendi

Nach dem er in „Nebenan ein Mädchen“ und „Hemmersmoor“ von kleinen Dörfern in Norddeutschland erzählte, spielt Kiesbyes neuer Roman in einer nicht näher datierten Zukunft in Los Angeles. Der Kritiker Gray Harden ist nicht mehr so angesagt wie einst, deshalb lässt er sich darauf ein, für einen befreundeten Geldgeber einen Deal mit vermeintlichen chinesischen Geldgebern einzufädeln. Aber dann verschwindet der Maler, dessen Bilder verkauft werden sollten – und seine Bilder gleich mit. Nach und nach dämmert Gray, dass er nur eine Figur in einem Spiel ist, das er nicht durchschaut. Leider verwendet Kiesbye sehr viel mehr Sorgfalt darauf, die zukünftige Welt mitsamt an Google Glass erinnernde Brillen und optischen Spielereien als seine Figuren auszugestalten. Außerdem spricht er mit der Kunstwelt, den Folgen des digitalen Wandels und einer kunstpolitischen Verschwörung viele Themen, belässt es aber bei Andeutungen und Verweisen. Immerhin gelingt es ihm aber, mit seiner sperrigen Sprache eine unterkühlte, sterile Atmosphäre zu entwickeln. (Und noch eine kleine Anmerkung zur Gestaltung des Buchs: Ich hätte mir einen etwas breiteren Seiteninnenrand gewünscht, damit ich das Buch beim Lesen nicht so sehr knicken muss.)

Stefan Kiesbye: Fluchtpunkt Los Angeles. ars vivendi, 2015

Dark House

(c) Droemer

(c) Droemer

Zehn Freunde wollen ein Wochenende in einem abgelegenen Landhaus an der englischen Küste verbringen, auch ihr ehemaliger Professor wird anwesend sein. Kurz nach ihrer Ankunft gibt es einen ersten Toten, dem weitere folgen werden. Denn die Freunde und ihren Professor verbindet ein Jahre zurückliegendes Psycho-Experiment, das nicht bei allen den gewünschten Erfolg hatte.
Eine bestimmte Anzahl Charaktere in eine abgeschlossene Situation zu bringen, sorgt auch bei Kastura für Spannung, zumal „Dark House“ kein behaglicher Landhauskrimi, sondern ein ordentlicher Thriller ist. Ingesamt hätten es etwas weniger Wendungen sein können – insbesondere die letzte ist überflüssig –, und er reicht gerne Erklärungen und „Überraschungen“ (ich nenne es die Kaninchen-Methode) nach. Aber seine Figuren sind gut entwickelt, auch wissen sich Frauen bei Kastura selbst zu helfen.

Thomas Kastura: Dark House. Droemer 2015.

Das Verbrechen, Teil 1 bis 3

(c) Zsolnay

(c) Zsolnay

Alle drei Teile von David Hewsons „Das Verbrechen“-Reihe haben dasselbe Muster: Der aus der Serie bekannte Fall und die vertrauten Figuren werden verwendet, zwischendurch werden einige Leerstellen der Serie gefüllt und leichte Änderungen vorgenommen – insbesondere findet er (fast) jedes Mal eine etwas andere Auflösung, was insbesondere im ersten Teil durchaus bemerkenswert ist. Denn somit gibt es hier für einen Fall mit der Serie, deren amerikanischen Remake „The Killing“ und Hewsons Buch drei verschiedene Täter. Allerdings ist Hewsons Version stets in Dramatik abgeschwächt.

David Hewson: Das Verbrechen. Kommissarin Lunds 1. Fall. Übersetzt von Barbara Heller und Rudolf Hermstein. dtv 2014.
ders.: Das Verbrechen. Kommissarin Lunds 2. Fall. Übersetzt von Barbara Heller und Rudolf Hermstein. dtv 2015.
ders: Das Verbrechen. Kommissarin Lunds 3. Fall. Übersetzt von Barbara Heller und Rudolf Hermstein. Zsolnay 2015.

Lebt

(c) Scherz

(c) Scherz

Einen interessanten Kriminalroman über Identität und Wahrheitssuche hat Orkun Ertener mit „Lebt“ zweifellos geschrieben: Ghostwriter Can Evinmann sollte eigentlich mit der Schauspielerin Anna Roth an ihrer Autobiographie arbeiten, als sie feststellen, dass ihre Familiengeschichten miteinander zusammenhängen. Etwas zu ausführlich erzählt Ertener nun die Geschichten der sephardischen Juden in Thessaloniki und der jüdischen Gemeinschaft der Dömne, die eng mit der Herkunft Evinmanns verbunden ist. Hier wären einige Kürzungen gut gewesen. Insgesamt ist „Lebt“ aber ein bemerkenswertes Debüt, das auf mehr Bücher von Orkun Ertener hoffen lässt.

Orkun Ertener: Lebt. Scherz Verlag 2014.

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Krimi-Kritik: „Dope“ von Sara Gran

Vor drei Jahren hat mich „Die Stadt der Toten“ von Sara Gran sehr begeistert, die Fortsetzung dann etwas weniger. Damals äußerte ich die Vermutung, dass dieser Band einfach noch nicht fertig war, er hätte mehr Zeit und Überarbeitung bedurft. Deshalb war ich nun sehr froh, dass mit „Dope“ kein weiterer Teil mit Claire DeWitt erschienen ist. Nach den ersten zwei Seiten des Buchs blätterte ich jedoch zum Anfang zurück – ich konnte nicht glauben, dass Sara Gran dieses Buch nach den DeWitt-Büchern geschrieben hat. Tatsächlich ist „Dope“ fünf Jahre vor „Stadt der Toten“ erschienen und man merkt es diesem Buch an. Es liest sich über weite Strecken wie die Stilübung einer Autorin, die ihren eigenen Ton noch festigen muss.

(c) Droemer

(c) Droemer

Erzählt wird die Geschichte von dem Ex-Junkie Josephine, die die süchtige Tochter eines vornehmen Ehepaars suchen soll. Joe kann das Geld gut gebrauchen, außerdem möchte sie sich gerne nützlich fühlen und so taucht sie in die Tiefen des New Yorks der 1950er Jahre ein. Die Handlung folgt dabei einer klaren Struktur: Joe klappert Menschen vornehmlich aus ihrer Vergangenheit ab, die ihr helfen sollen, das Mädchen zu finden. Nach ungefähr der Hälfte des Romans erfolgt eine erste große Wendung, der weitere folgen und die nicht alle überraschend sind. Die Fiebrigkeit und Dringlichkeit von „Stadt der Toten“ lässt sich in den besten Passagen erahnen, jedoch überwiegen nostalgische Momente, in denen Sara Gran das New York der 1950er Jahre heraufbeschwört. So isst Joe ein Pastrami-Sandwich, das noch vom alten Abe bei Katz’s zubereitet wurde und in der von ihr aufgesuchten Tanzbar kommen die Hoffnungen all der Figuren Cornell Woolrichs wieder hoch. Jedoch sind diese Passagen bisweilen zu ausführlich, es gibt viele Beschreibungen und Begegnungen, die hätten verdichtet und verkürzt werden müssen, zumal sich vieles an bekannte Noir-Elemente anlehnt. Außerdem liegt Sara Grans Stärke eindeutig in dem Unausgesprochenen, Angedeuteten, bei dem man selbst die Schlüsse ziehen muss.

Wäre dieses Buch zuerst erschienen, wäre ich wohl zu dem Schluss gekommen, dass ich auf weitere Bücher von Sara Gran gespannt bin. Denn bereits bei „Dope“ sind die Frauen entscheidende Charaktere, dürfen sie stark und manipulativ sein, ohne deshalb ihr Herz zu verlieren. Das ist für einen Roman, der sich deutlich an die noir- und hardboiled-Tradition anlehnt, durchaus bemerkenswert. Ohnehin kann Sara Gran Charaktere zeichnen, ihre Nebenfiguren erhalten mit wenigen Wesenszügen Lebendigkeit und werden dadurch haarscharf vom Klischee ferngehalten. Auch Joe ist eine gute Hauptfigur, sie ist widersprüchlich, mutig und zerrissen. Mit ihrer Schlaflosigkeit und ihrem Kampf gegen ihre Dämonen weist sie bereits auf Claire DeWitt hin, die in allem konsequenter sein wird. Das alles sind gute Ansätze. Jedoch hat Sara Gran ihr Meisterstück bereits vorgelegt.

Sara Gran: Dope. Übersetzt von Eva Bonné. Droemer 2015.

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KrimiZeit-Bestenliste Mai 2015

Es ist der erste Donnerstag im Monat – und damit Zeit für die neue KrimiZeit-Bestenliste:

(c) Pendragon

(c) Pendragon

1 (10) James Lee Burke: Sturm über New Orleans (Pendragon)
2 (2) Zoë Beck: Schwarzblende (Heyne)
3 (3) James Ellroy: Perfidia (Ullstein)
4 (4) Mike Nicol: bad cop (btb)
5 (1) William McIlvanney: Die Suche nach Tony Veitch (Kunstmann)
6 (5) Giancarlo de Cataldo/Carlo Bonini: Suburra (Folio)
7 (6) Adrian McKinty: Die verlorenen Schwestern (Suhrkamp)
8 (7) Alan Carter: Prime Cut (Nautilus)
9 (-) Benjamin Black: Die Blonde mit den blauen Augen (Kiepenheuer & Witsch)
10 (-) Dominique Manotti: Abpfiff (Ariadne)

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