Schlagwort-Archive: Film

Über „Tabu – Eine Geschichte von Liebe und Schuld“ von Miguel Gomes

Ein melancholisches Krokodil (c) Real Fiction

In seinem Film „Tabu – Eine Geschichte von Liebe und Schuld“ erzählt der portugiesische Regisseur Miguel Gomes eine Geschichte über die Melancholie. Im Prolog ist im Stil eines alten Schwarzweiß-Films ein älterer weißer Mann zu sehen, der durch die afrikanische Savanne marschiert. Er geht nicht wild entschlossen, sondern zögern und als trüge er eine Last auf seinen Schultern. Tatsächlich klärt ein Erzähler auf, dass dieser Mann dem Kummer um seine verstorbene Frau entfliehen will. Aber er kann der Trauer nicht entkommen – und lässt sich deshalb von einem Krokodil töten. Seither ist einer Legende zufolge häufig ein melancholisches Krokodil in Begleitung einer Frau zu sehen.

Dona Aurora (Laura Soveral) (c) Real Fiction

Danach springt der Film in die Gegenwart und das hellere Schwarzweiß wird klarer, deutlich kontrastreicher. Das Bild zeigt die Rentnerin Pilar (Teresa Madruga), die in einem leeren Kino sitzt und sich einen Film an schaut. Der Titel „The Lost Paradise“ wird eingeblendet. Anscheinend hängt Pilar vergangenen Zeiten nach. Die Filme, die sie liebt, sind nicht mehr zeitgemäß, erfüllen sie aber mit Melancholie. Ihre restliche Zeit verbringt die gläubige Pilar mit sozialem und politischem Engagement: Sie protestiert gegen die UNO, will einer Taizé-Anhängerin eine Unterkunft bieten und sorgt sich um ihre ältere Nachbarin Aurora (Laura Soveral). Weiterlesen

Diesen Beitrag teilen

Auf DVD: „Haus der Sünde“

Kunde und Prostituierte (c) NFP

„Ich bin müde“, sagt zu Beginn von Bertrand Bonellos Film „Haus der Sünde“ eine Dame im Negligé. Sie arbeitet in dem Pariser Luxusbordell „L`Appollonide“ und gibt mit diesem Satz bereits die Richtung des Films vor: Im schwummerigen Licht des Kerzenscheins und mit beinahe benommener Ruhe erzählt Bertrand Bonello von den letzten Wochen eines Bordells. Dabei gibt es keinen strukturierenden Plot, sondern gemäß des Originaltitels „L’Apollonide – Souvenirs de la maison close“ versammelt Bertrand Bonello in loser Szenenfolge Erinnerungen an eine vergangene Zeit. Weiterlesen

Diesen Beitrag teilen

Eine andere Welt – „Beasts of the Southern Wild“

„In a million years, when kids go to school, they gonna know: Once there was a Hushpuppy, and she lived with her daddy in The Bathtub.“

Hushpuppy auf der Inselstraße (c) Jess Pinkham/MFA+ FilmDistribtuion e.K.

Die sechsjährige Hushpuppy (Quvenzhané Willis) lebt mit ihrem Vater Wink (Dwight Henry) und anderen Aussteigern und Nonkonformisten in The Bathtub, einem halb überfluteten Flussarm im Süden der USA. Sie wissen, dass der große Sturm unweigerlich kommen wird – und mit ihm womöglich auch das Ende der Welt. Hushpuppy hat gelernt, dass im Universum alles zusammenhängt. Sollte ein kleiner Teil zerstört werden, wird die ganze Welt zusammenbrechen. Aber ihr Vater hat sie auch gelehrt, dass tapfere Männer nicht fliehen, sondern vor Ort bleiben, schauen, was passiert, und versuchen, das zerbrochene Teil der Welt wieder zu reparieren, indem sie stark bleiben. Als nun der Sturm kommt und The Bathtub in den Fluten versinkt, bleibt Hushpuppy mit ihrem Vater dort – und setzt alles daran, den Schaden wiedergutzumachen.

Hushpuppy (c) Jess Pinkham/MFA+ FilmDistribtuion e.K.

Aus der Sicht von Hushpuppy erzählt, hat Regisseur Benh Zeitlin mit seinem ersten Langfilm einen einzigartigen Film kreiert, der den Zuschauer auf eine magische Reise in die Welt eines sechsjährigen Mädchens einlädt. Hushpuppy glaubt an Monster und Wunder, deshalb ist ihre Welt, so schmutzig sie für manche sein mag, für sie magisch und das Allerwichtigste – und sie erzählt ihre Geschichte so, wie es ihr gefällt. Um diesen Film zu genießen, muss der Zuschauer bereit sein, sich auf dessen Subjektivität einzulassen. Das fällt aber nicht schwer, da Hushpuppy eine bezaubernde Erzählerin ist und über die Überzeugungskraft eines Kindes verfügt. Sobald man sich dieser Sichtweise hingegeben hat, entführt der Film in eine dystopische und zauberhafte Kinderwelt, in der nachgerade philosophische Fragen verhandelt werden. Dadurch entstehen beeindruckende Bildkompositionen, in der vor allem die Unbändigkeit der Natur kraftvoll eingefangen ist. Die Menschen in The Bathtub leben mit der Natur, mit ihrer Schönheit und Zerstörungskraft. Weiterlesen

Diesen Beitrag teilen

Ein hervorragender Film und deutscher Oscar-Beitrag – „Barbara“ von Christian Petzold

Im Sommer des Jahres 1980 beginnt die Kinderärztin Barbara (Nina Hoss) in einer Klinik in einem kleinen Ort an der Ostsee. Sie wurde dorthin von der Berliner Charité strafversetzt, nachdem sie einen Ausreiseantrag gestellt hat. Ihr neuer Vorgesetzter André (Ronald Zehrfeld) kennt ihre Absicht, er wurde noch vor ihrer Ankunft von dem Stasi-Mann Schütz (Rainer Bock) informiert. Er soll sie im Auge behalten – ebenso wie die Männer im Wagen, die ihr ungeniert folgen, und die Hausmeisterin ihres neuen Wohnhauses.

Barbara (Nina Hoss) (c) Pfiffl Medien

Offensichtlich ist es Barbara gewohnt, beobachtet zu werden. Regelmäßig blickt sie aus dem Fenster, sobald es an ihre Wohnungstür klopft, wird ihr Blick leicht panisch. Sie muss hinnehmen, dass ihre Wohnung willkürlich durchsucht und ihr Körper auf verstecktes Gut kontrolliert wird. Ihr Leben ist durchzogen von fremden Kontrollversuchen und Misstrauen. Daher begegnet auch sie selbst den Menschen mit Argwohn und bleibt den neuen Kollegen gegenüber reserviert – die der Neuen aus Berlin gegenüber ebenfalls Vorbehalte haben. Ihrem Chef André hingegen zeigt sie ihre Skepsis sehr deutlich. Er begegnet ihr mit sehr viel Aufmerksamkeit und offensichtlichem Gefallen, aber gerade dieses Verhalten macht sie misstrauisch. Schließlich könnte dahinter der Versuch stecken, sie auszuhorchen oder an den Staat zu binden. Weiterlesen

Diesen Beitrag teilen

Daniel Kehlmann und Detlev Buck – Eine zweifache „Vermessung der Welt“

Mit seinem Roman „Die Vermessung der Welt“ stand Daniel Kehlmann über 37 Wochen auf der Bestseller-Liste und hat im In- sowie Ausland große Erfolge gefeiert. Und tatsächlich ist diese geschickt montierte Doppelbiographie von Alexander von Humboldt und Carl Friedrich Gauß ungemein lustig und gut zu lesen. Dabei bietet sie mit der Parodie auf klassische Lebensbeschreibungen intelligente Unterhaltung im besten Sinne. Nun hat Detlev Buck diesen Erfolgsroman in 3D verfilmt

Über den Roman von Daniel Kehlmann

(c) Rowohlt

Der Roman beginnt im Jahr 1828 – übrigens die einzige Jahreszahl in diesem historischen Roman – mit einer Reise von Carl Friedrich Gauß nach Berlin. Dorthin wurde er von Alexander von Humboldt zur 17. Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte eingeladen und hat sich widerwillig mit seinem Sohn Eugen auf den Weg gemacht. Der alte Gauß reist nicht gerne, sondern ist am liebsten zu Hause. In Berlin trifft er nun auf den reisenden Entdecker Alexander von Humboldt, der die Welt mit seinen Füßen erkundet hat. Ihre Begegnung bildet die Rahmenhandlung des Romans, in die die kapitelweise wechselnden chronologischen Lebensläufe von Gauß und Humboldt eingebunden sind. Beide haben die Welt erkundet – wenngleich auf verschiedenen Wegen. Humboldts Entdeckerdrang führte ihn nach seiner strengen Ausbildung und dem Tod der Mutter bis nach Amerika. Dort hat er mit seinem Assistenten Aimé Bonpland den damals bekannten höchsten Berg der Welt bestiegen. Dagegen forschte der aus armen Verhältnissen stammende Gauß am Schreibtisch und erkundet die Welt mathematisch. Seine sinnlichen Versuchungen sind die Frauen, während sich Humboldt eine strenge Askese auferlegt hat. Weiterlesen

Diesen Beitrag teilen

Die Schwierigkeiten bei einer Literaturverfilmung – Über „Die Wand“

Wie verfilmt man einen inneren Bericht? Mit dieser Frage sieht sich jeder konfrontiert, der Marlen Haushofers Roman „Die Wand“ auf die Leinwand adaptieren will. Völlig aus der Sicht der namenlosen Hauptfigur erzählt, mit wenigen Ereignissen und vielen Seelenzustanden ist „Die Wand“ ein grandioser Roman – als Film aber schwer vorzustellen. Denn dazu sind gleich zwei literarische Hürden zu überwinden: die Ich-Erzählperspektive und die Inneneinsichten der Erzählerin

Über den Roman „Die Wand“

(c) List

Bereits 1963 entstanden ist „Die Wand“ Marlen Haushofers erfolgreichster Roman. Die namenlose Ich-Erzählerin schreibt einen Bericht über die Ereignisse der letzten Jahre, um in einem einsamen Winter in den Bergen nicht in eine Depression zu verfallen. Vor gut zwei Jahren ist sie mit ihrer Cousine und deren hypochondrischen Ehemann zu deren Jagdhütte in die Berge gefahren. Am Nachmittag brach das Ehepaar zu einem Besuch im nahegelegenen Dorf auf, war aber am nächsten Morgen noch nicht zurückgekehrt. Also machte sich die Frau mit dem Hund Luchs ebenfalls auf den Weg ins Dorf. Sie ging eine menschenleere Straße entlang, als sie plötzlich mit der Stirn an etwas stieß. „Verdutzt streckte ich die Hand aus und berührte etwas Glattes und Kühles: einen glatten, kühlen Widerstand an einer Stelle, an der doch gar nicht sein konnte als Luft. Zögernd versuchte ich es noch einmal, und wieder ruhte meine Hand wie auf der Scheibe eines Fensters.“ Anfangs ist sie irritiert, dann bemerkt sie, dass sie tatsächlich allein auf der Straße ist. Sie geht weiter zu einem kleinen Gehöft, entdeckt dort aber nur einen Mann, der bewegungslos an einem Brunnen verharrt. Sie kann zu ihm nicht vordringen, sondern wird abermals von der unsichtbaren Wand zurückgehalten. Weiterlesen

Diesen Beitrag teilen

„Agent Hamilton“ – Mikael Persbrandt rettet die Welt

(c) Ascot Elite

Unweigerlich erinnert der Anfang von „Agent Hamilton“ an James Bond. In einer kurzen Sequenz ist Carl Hamilton (Mikael Persbrandt) im Bett mit einer schönen Frau zu sehen, die er aber für seinen nächsten Auftrag verlassen muss. Er sagt ihr nicht, wohin er gehen wird, verspricht lediglich, zu ihr zurückzukehren. Es folgt ein Schnitt, bei dem auch der Zuschauer anfangs nicht weiß, wo sich Hamilton befindet – doch schnell zeigt sich, dass er sich undercover in eine Waffenschmugglerbande eingeschlichen hat, die schwedische Skyshadows Raketen an der Grenze von Usbekistan zu Afghanistan verkaufen will. Doch der Deal platzt, als eine Gruppe bewaffneter Söldner den Übergabeort überfällt. Alle am Deal Beteiligten sterben – außer Hamilton, der nach Schweden zurückkehren kann. Und damit beginnt erst Hamiltons eigenes Abenteuer, bei dem er einen Landsmann aus der Hand somalischer Kämpfer befreien und verhindern muss, dass eine Privatarmee einen Krieg anzettelt.

Hamilton (Mikael Persbrandt) (c) Ascot Elite

Damit erschöpft sich die Ähnlichkeit zu James Bond bereits. Der schwedische Nachrichtenoffizier Carl Hamilton ist kein Held, sondern ein gut ausgebildeter Agent, der seit 20 Jahren diese Arbeit macht und nun auf schmerzhafte Weise mit der Erkenntnis konfrontiert wird, dass für ihn ein anderes Leben nicht mehr möglich ist. Entwickelt wurde die Figur in einer neunteiligen Romanreihe des Schwedens Jan Guillou in den 1980er Jahren. Drehbuchautor Stefan Thunberg und Regisseurin Kathrine Windfeld haben die Geschichte für diesen Film gut in die Gegenwart geführt und den kritischen linksliberalen Ton beibehalten. Weiterlesen

Diesen Beitrag teilen