Schlagwort-Archive: Bachmannpreis

TDDL 2013 – Tag 3 des Lesens um den Bachmannpreis

Hannah Dübgen (c) TDDL2013

Von einem Preiskandidaten bis zur Teebeutelprosa reichten die heutigen Lesungen. Den Auftakt machte Hannah Dübgen mit einem Text über ein blindes Kind und die Gefühle seiner Mutter, aus deren Perspektive er auch erzählt ist. Der Text ist eine Annäherung der Mutter an die Tatsache, dass das Kind blind auf die Welt gekommen ist, und der möglichen Schwierigkeiten, die daraus entstehen. Anscheinend hat ein Chromosomenfehler dazu geführt, dass dem Mädchen – den Namen erfahren wir nicht – die Augäpfel fehlen. Nun fragt sich die Mutter, wie sie ihr erklären soll, was „hoch“ ist, beschreibt die Reaktion von Bekannten und ihres Mannes. Leider geht der Text nicht über eine Wohlfühlgrenze des bürgerlichen Paares hinaus, sondern bleibt in Beschreibungen stecken. Hubert Winkels kritisierte dann – wie zu erwarten war – die Du-Perspektive und untermauerte seine Anmerkungen abermals sehr gut, indem er darlegte, dass diese Redeform spätestens bei den Reflexionen über die eigenen Schuldgefühle nicht mehr passte. Weiterlesen

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TDDL 2013 – Tag 1 des Lesens um den Bachmannpreis

Heute ging es wieder, das Lesen um den Bachmannpreis, das offiziell „Tage der deutschsprachigen Literatur“ heißt. Drei Tage lang lesen 14 Autorinnen und Autoren aus ihren Texten, die von einer sechsköpfigen Jury interpretiert, gedeutet, bewertet und am Sonntag teilweise ausgezeichnet werden.

Larissa Boehning (c) TDDL2013

Den Auftakt am heutigen ‚Tag des Schamhaars’ (Daniela Strigl) machte Larissa Boehning, die auf Einladung von Meike Feßmann einen Auszug aus ihrem Romanmanuskript „Zucker“ gelesen hat. Darin erzählt sie von einem Versicherungsvertreter, der sich in das Haus und Leben einer an Knochenkrebs erkrankten älteren Dame einschleicht. Während sie ihn mit allerhand altmodischen Köstlichkeiten wie Ochsenzunge und Buttercremetorte versorgt, will er ihr Alleinerbe und endlich reich werden.
Die Zusammenfassung klingt abgründiger als der Text letztlich war. Weiterlesen

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Bachmann-Preis 2012 – Preisverleihung und Fazit

Gewinnern des Bachmann-Preises ist Olga Martynova (c) TDDL

Mit der Preisverleihung sind heute die Tage der deutschsprachigen Literatur zu Ende gegangen. Auf die Shortlist wählte die Jury Leopold Federmair, Lisa Kränzler, Inger-Maria Mahlke, Olga Martynova, Stefan Moster, Matthias Nawrat, Matthias Senkel und Andreas Stichmann. Bei der ersten Abstimmung siegte dann denkbar knapp mit vier gegen drei Stimmen Olga Martynova den Bachmann-Preis vor Matthias Nawrat. Damit gab die Jury einem poetischen und spielerischen Text den Vorzug vor einer Familiengeschichte. Olga Martynova wurde verschiedentlich als Favoritin gehandelt und gehörte auch zu meinen Preiskandidaten, da sie einen originellen und sprachlich raffinierten Text vorgelegt hat. Weiterlesen

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Bachmannpreis 2012 – Tag 1 der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt

Heute Morgen begann wieder das Lesen um den Bachmann-Preis in Klagenfurt. Bis Samstag werden 14 Autoren aus bisher unveröffentlichten Texten lesen und sich dem Urteil der Jury stellen. Mein Fazit nach dem ersten Tag: Zahnfehlstellungen als Charakteristikum für weibliche Figuren entwickeln sich zu einem Topos der Literatur und an den nächsten Tagen folgt hoffentlich noch ein Text, der mich begeistert.

Stefan Moster (c) TDDL

Den Anfang am heutigen Tag machte Stefan Moster, der in seinem Vorstellungsvideo erzählt, er habe aus der Angst, seine Sprache zu verlieren, in Finnland mit dem Schreiben deutschsprachiger Romane begonnen. Sein Text „Der Hund von Saloniki“ dreht sich vor allem um das Erinnern und Zuschreiben von Bedeutungen. Einst wurde der Ich-Erzähler seiner Geschichte von einem Hund ins Bein gebissen und hielt dieses Ereignis aufgrund der Umstände für prägend und erinnerungswürdig. Doch nun stellt er Jahrzehnte später im Urlaub mit seiner 17-jährigen Tochter fest, dass er dieses Erlebnis fast vergessen habe. Die Jury Weiterlesen

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Ingeborg-Bachmann-Preis 2011 – Die Gewinner und ein Fazit der Tage der deutschsprachigen Literatur

Bachmann-Preisträgerin 2011 ist Maja Haderlapp (c) TDDL 2011

Porno siegt beim Publikum, große Überraschungen gab es bei der heutigen Preisvergabe in Klagenfurt aber nicht. Auf die Shortlist wählte die Jury Nina Bussman, Gunther Geltinger, Maja Haderlap, Thomas Klupp, Steffen Popp, Julya Rabinowich und Leif Randt, die dort allesamt mehr oder weniger erwartet wurden. Spannung kam dann wenigstens bei der Vergabe des Hauptpreises, dem Ingeborg-Bachmann-Preis auf, der mit 25 000 Euro dotiert ist. In der ersten Runde bekamen Maja Haderlap, Steffen Popp und Leif Randt jeweils zwei Stimmen, Jandl stimmte für Nina Bußmann. In zweiten Runde stimmten drei Juroren für Haderlap, jeweils zwei für Popp und Randt; da setzte sich im „Stechen“ schließlich Steffen Popp durch. In der finalen Runde erhielt dann aber Maja Haderlap die notwendigen vier Stimmen und stand somit als Preisträgerin fest. Eine Überraschung ist diese Entscheidung nicht, allerdings hatte ich nicht erwartet, dass sie derart knapp vor Steffen Popp liegt. Weiterlesen

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Bachmann-Preis 2011 – Tag 3 der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt

Nun ist geschafft: 14 Lesungen in drei Tagen, die letzten vier fanden heute statt. Insgesamt war es heute der kurzweiligste Tag – und zwar nicht, weil Burkhard Spinnen nach der Mittagspause ständig Literatur mit Suppe verglich, sondern weil Leif Randt und Thomas Klupp zwei sehr witzige Texte vorgelesen haben und sich die Jury hin und wieder in den Haaren lag.

Leif Randt (c) TDDL 2011

Zu Beginn des Abschlusstages hat Leif Randt einen Auszug aus seinem Roman „Schimmernder Dunst über CobyCounty“ gelesen, in dem der Ich-Erzähler Wim von seinem Leben in dem künstlichen, scheinbar perfekten, an die Truman-Show erinnernden Ort CobyCounty erzählt. Voller witziger Anspielungen und mit viel Ironie schildert er sein Dasein, in dem sämtliche Klischees wahr geworden scheinen. Dass diese scheinbare Idylle nicht erhalten bleibt, klingt zunächst in Kleinigkeiten an, ehe dann am Ende des Textes Wims bester Freund Wesley eine Warnung seiner Mutter übermittelt. Spätestens dann ist offensichtlich, dass CobyCounty eine Blase ist, die auf einen Abgrund zusteuert. Oder in Worten von Hubert Winkels eine „Dystopie als Utopie“. Mir haben insbesondere die Ironie des Textes und – wie könnte es anders sein – die eingeflochtenen Versatzstücke aus Film und Literatur gefallen. Die Anlage des Textes, die kleinen Hinweise auf die Brüche in dieser Welt und das Spiel mit Klischees lassen sich mich sogar über das – zumindest auf den ersten Blick – unnötige Setting in einem fiktiven englischen Seebad hinwegsehen. Die Jury war durchaus geteilter Meinung. Während Hubert Winkels und Daniela Strigl sich überzeugt zeigten, kritisierte insbesondere Paul Jandl die künstliche Realität und mangelnde Authentizität und erhielt in diesem Punkt die Zustimmung von Hildegard E. Keller. Weiterlesen

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Bachmann-Preis 2011 – Tag 2 der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt

„Verschwurbelt“ ist das Wort dieser Lesetage in Klagenfurt. Nachdem gestern schon dem einen oder anderen Text verschwurbelte Metaphern angelastet wurden, fiel das Wort auch heute recht häufig. Dafür gab es aber – wenn ich richtig aufgepasst habe – keinen Thomas-Bernhard-Vergleich und auch der Name Hitler ist nicht gefallen.

Linus Reichlin (c) TDDL 2011

Den Auftakt des zweiten Tages machte Linus Reichlin mit dem Text „Weltgegend“, wohl ein Auszug aus einem Roman. Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Arzt Martens, der in Afghanistan einen Anschlag überlebt, in der Folge aber auf zwei Frauen schießt und sie – selbst traumatisiert – verletzt zurücklässt. Er macht sich auf den Rückweg in sein Lager und begreift erst allmählich, was er gerade erlebt hat – und welche Schuld er auf sich geladen hat. Das alles wird souverän erzählt, ein solcher Roman würde sicherlich ein Erfolg werden. Allerdings bot der Text in meinen Augen zu wenig Neues und ließ zu wenig Interpretationsraum. Er war „ganz und gar nicht verschwurbelt“ (Sulzer). Die Jury war ebenfalls durchaus angetan, obwohl sie ihm auch mangelnde Risikobereitschaft (Strigl) attestierten. Und nicht nur Hubert Winkels musste beim Zuhören an einen Fernsehfilm denken. Ich sah schon Hannes Jaenicke im Sand von Afghanistan. Weiterlesen

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