Schlagwort-Archive: Schweden

Krimi-Kritik: „Gottes Zorn“ von Olle Lönnaeus

(c) Rowohlt

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Mitten in der Nacht erhält der betrunkene Joel Lindgren einen Anruf von seinem Vater Mårten, zu dem er seit Jahrzehnten kein Kontakt mehr hat. Nun stammelt er nur „Komm her. Es ist eilig. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit …“ ins Telefon. Widerwillig macht sich Joel auf den Weg, kämpft sich durch einen Schneesturm, legt sich fast mit einem Wildschwein an und kommt schließlich am Haus des Vaters an. Doch seine unterdrückten Befürchtungen werden bestätigt: Sein Vater hängt tot von der Decke im Wohnzimmer. Joel fällt in Ohnmacht – und als er wieder aufwacht, kommt die Erinnerung: „Er hatte die Leiche berührt, daran erinnerte er sich. Voller Grauen war er darauf zugegangen und hatte seine Finger auf eine herabhängende Hand gelegt. Sie war kalt, genau wie er es vermutet hatte. So viel wusste Joel über Tote: Man sieht innerhalb eines Augenblicks, ob es bereits zu spät ist.“

Ansonsten weiß Joel aber nicht allzu viel – weder über sich selbst noch über seinen Vater. Im Alter von 18 Jahren hat er seinen Heimatort verlassen und für ein Jahr bei einer Sekte gelebt, in der er Halt und vermeintliche Orientierung fand. Schließlich fühlte er sich dort beengt, verließ die Sekte und traf eine Frau, aber die Ehe scheitere, weil er keine Kinder wollte. Durch den Tod des Vaters wird er nun mit seinen diffusen Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend konfrontiert, die vor allem von seinem gewalttätigen Vater und dem Weggang der Mutter bestimmt sind. Als er jedoch beginnt, im Leben seines Vaters herumzuwühlen und mit Menschen zu sprechen, die seinen Vater besser kanten, geraten diese Erinnerungen ins Wanken. Allmählich erkennt er, dass er trügerischen Wahrnehmungen unterlegen war.

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Krimi-Kritik: „Korrupt“ von Robert Kviby

„Sie würde noch mehr Gründe zum Weinen haben, die Frau, die schluchzend neben dem noch nicht getrockneten Blutfleck des Ministerpräsidenten stand.“ Dessen ist sich der Erzähler von Robert Kvibys „Korrupt“ sicher. Denn der Mord an Olof Palme ist Ausgangspunkt des Aufstiegs von „neuen Zysten der schmutzig grauen Machtamöbe“, die sich in Schweden dank starker Allianzen und schweigender Polizei breit macht. Und mit einem Teil dieser Machtamöbe stößt die Polizeireporterin Annie Lander zusammen, als sie über eine Mordserie an Prostituierten schreiben will.

(c) Rowohlt

(c) Rowohlt

In dem Auftakt der Reihe um die Polizeireporterin Annie Lander und ihren Mann Max greift Robert Kviby auf bewährte Zutaten zurück: Eine Reporterin als Hauptfigur, sexuelle Folterungen von Prostituieren und die Verstrickung von Politik und Wirtschaft erinnern an Stieg Larssons „Millenium“-Trilogie und die Rolle der Balkan-Mafia lässt an Jens Lapidus‘ „Snabba Cash“-Reihe denken. Dadurch gerät gerade die erste Hälfte des Romans formelhaft: Annie ist schön, begehrt, klug und mutig; ihre Mutter wurde umgebracht, als sie noch ein Kind war. Ihr Mann Max ist als Jazzmusiker natürlich melancholisch, introvertiert und rastlos. Dennoch war es Liebe auf den ersten Blick, nun ist Annie schwanger – und sie könnten glücklich sein, würde Max nicht zu viel trinken und Annie zu viel arbeiten. Derzeit recherchiert sie in einer Serie von ungeklärten Mordfällen an Prostituierten. Dabei kommt sie einer Verschwörung auf die Spur, die bis in die höchsten Kreise der schwedischen Gesellschaft reichen. Ihr Hauptverdächtiger ist ein schwerreicher Industrieller, der zurückgezogen lebt. Er ist Chef eines Herrenbundes, der in Schweden das Sagen hat, aber weitgehend im Verborgenen agiert. Diese mächtigen Männer lassen sich von einer Reporterin jedoch nicht einschüchtern – und so gerät Annie in Lebensgefahr.

Die Verdächtigen sind in „Korrupt“ schnell ausgemacht, auch sind die privaten Schwierigkeiten von Annie und Max eher der Konvention denn dem Plot geschuldet. Glücklicherweise folgt dann jedoch eine Wendung, die originell und witzig ist, auch am Ende Ende wagt sich Robert Kviby ein wenig aus den Genreregeln heraus. Dadurch ist „Korrupt“ als Auftakt einer Reihe durchaus unterhaltsam – sofern sich Robert Kviby hier ebenfalls an Larsson und Lapidus hält. Deren Serien endeten nach drei Teilen.

Robert Kviby: Korrupt. Übersetzt von Lotta Rüegger und Holger Wolandt. Rowohlt 2013.

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Ein Film über Zwangsprostitution – „Lilja-4-ever“ von Lukas Moodysson

Lilja (Oksana Akinschina) auf der Flucht (c) Arsenal

Lilja (Oksana Akinschina) auf der Flucht (c) Arsenal

Der Film „Lilja-4-ever“ beginnt mit seinem Ende: Ein verprügeltes Mädchen läuft die unwirtlichen Straßen einer Stadt entlang, dazu erklingt Rammstein mit „Mein Herz brennt“. Das Mädchen ist verstört, orientierungslos und steigt schließlich auf das Geländer einer Autobahnbrücke. Dann folgt eine Einblendung: Drei Monate früher, irgendwo in der ehemaligen Sowjetunion. Die junge Frau ist die 16-jährige Lilja, die ihrer Freundin freudestrahlend erzählt, dass sie die trostlose Satellitenstadt verlassen und mit ihrer Mutter sowie ihrem Stiefvater nach Amerika gehen wird. Ihre Freundin ist neidisch, verspricht Amerika doch Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Es folgt die Ernüchterung: Liljas Mutter verkündet, dass sie ohne sie gehen wird und belässt sie in der Obhut ihrer Tante, die sie als erstes aus der Wohnung schmeißt.

Zerstörte Hoffnungen

In der Hochhaussiedlung (c) Arsenal

In der Hochhaussiedlung (c) Arsenal

Damit beginnt Liljas unaufhaltsamer Weg in den Abgrund. Anfangs findet sie noch Halt bei Freunden und hofft auf den Brief der Mutter, die sie irgendwann nachholen will. Mit einer Freundin fährt sie in die Innenstadt, dort hat diese Sex gegen Geld mit einem älteren Mann. Lilja sagt, sie würde es nie machen. Doch als bei ihrer Freundin das Geld entdeckt wird, behauptet diese, Lilja habe es ihr gegeben. Dadurch wird sie für eine Prostituierte gehalten, ihre Freunde wenden sich ab und auch der Brief der Mutter bleibt aus. Dennoch will Lilja sich behaupten, ritzt trotzig das titelgebende „Lilja-4-ever“ in eine Bank. Als das Geld knapp wird, folgt Lilja dem Beispiel ihrer verräterischen Freundin, fährt in die Stadt und lässt sich für Sex bezahlen. Anschließend übergibt sie sich vor lauter Selbstekel, als sie aber das Geld ausgibt, versucht sie sich darüber zu freuen. Dann folgt eine leider allzu bekannte Geschichte: Beim nächsten Mal lernt sie in dem Club einen netten jungen Mann kennen, der ihr eine Zukunft in Schweden verspricht. Sie glaubt ihm und landet schließlich in einer anonymen Hochhaussiedlung, eingeschlossen in einer Wohnung, aus der sie nur herausgeholt wird, wenn sie zu einem Freier gebracht wird. Weiterlesen

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Kritik und Gewinnspiel: „Sebastian Bergman – Spuren des Todes 1“

(c) Rowohlt Polaris

(c) Rowohlt Polaris

Als ich Anfang des Jahres 2012 den Roman „Der Mann, der kein Mörder war“ von dem Autoren-Duo Michael Hjorth und Hans Rosenfeldt las und besprach, äußerte ich die Vermutung, dass mir die Geschichte als TV-Serie besser gefallen würde als das Buch. Nun wurden die ersten beiden Bände der Reihe um den Psychologen Sebastian Bergman verfilmt und im ZDF ausgestrahlt, außerdem erscheint am 25. Oktober die DVD.

„Der Mann, der kein Mörder war“

Bergman (links) mit seinem Team (c) Edel:Motion

Bergman (links) mit seinem Team (c) Edel:Motion

Der erste Teil von „Sebastian Bergman – Spuren des Todes 1“ erzählt die Geschichte von „Der Mann, der kein Mörder war“. Ein Schüler ist in dem Heimatort des Kriminalpsychologen Sebastian Bergman (Rolf Lassgård) ermordet worden, das Team um Kommissar Torkel Höglund (Tomas Laustiolahandelt) soll den Fall aufklären. Einst haben sie zusammengearbeitet, dann aber den Kontakt verloren – außerdem ist Bergman mittlerweile eher für seine Frauengeschichte und sein unmögliches Verhalten bekannt. Doch er ist in Västerås, um die Hinterlassenschaft seiner Mutter zu ordnen, und bietet deshalb seine Hilfe an. Torkel braucht Unterstützung, also gibt er Sebastian eine weitere Chance – wenngleich sein Team wenig davon hält. Weiterlesen

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Krimi-Kritik: „Bußestunde“ von Arne Dahl

(c) Piper

Nun ist es soweit: Das A-Team löst seinen letzten Fall. Von Anfang an hatte Arne Dahl festgelegt, dass seine Reihe – in Anlehnung an Maj Sjöwalls und Per Wahlöös „Kommissar Beck“ – zehn Teile umfassen wird. Und wenngleich er mit „Gier“ eine kleine Hintertür genutzt hat, ist „Bußestunde“ der zehnte und letzte Teil mit der Sonderheit für Gewaltverbrechen von internationalem Charakter.

Das Buch beginnt mit einer wunderbaren Übersicht, ja, fast könnte man Rundflug sagen, über die vertrauten Figuren aus den neun vorhergehenden Büchern. Sara Svenhagen und Jorge Chavez sitzen auf einer Parkbank am Mälarsee, beobachten ihre Tochter Isabel und freuen sich auf ihr zweites Kind. Gunnar Nyberg genießt mit seiner Freundin Ludmila Lundkvist ebenfalls die letzten Sonnenstrahlen vor einer anderen Hütte am Ulvsundasee, Jon Anderson wartet in einem Café auf seinen Verlobten, Familie Söderstedt versammelt sich im Park und Arto denkt an Viggo Norlander, der in einer Klinik gegen den Krebs kämpft. Kerstin Holm besucht ein Grab, Paul Hjelm trifft sich mit seinen Kindern in einem Restaurant und Lena Lindbergh war gerade noch einem Café, gerät dann aber in einen Raubüberfall. Damit endet der letzte idyllische Spätsommertag – und das A-Team hat einen neuen Fall. Weiterlesen

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Media Monday #60

Montag – ihr wisst, was das heißt …

1. Ben Stiller gefiel mir am besten in „Tropic Thunder“. Obwohl ich alles andere als ein großer Fan von Ben Stiller bin, hat mir dieser hoffnungslos übertriebene Satire über Satiren doch viel Spaß gemacht.

2. Susanne Bier hat mit „Brødre“ ihre beste Regiearbeit abgelegt, weil dieser Film ein packendes Drama mit exzellenten Schauspielern ist.

3. Ashley Johnson gefiel mir am besten in „The Help“ – nehme ich an. Denn ich habe an sie leider keine Erinnerung mehr.

4. Wenn ihr die Wahl habt: Lieber Vampire/Werwölfe/Zombies o. ä. oder Außerirdische? Eigentlich nichts von beiden. Halt, doch. Alexander Skarsgard als Vampir in „True Blood“, den nehme ich. 😉 Weiterlesen

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Dänisch-schwedische Krimi-Serie: „Die Brücke – Transit in den Tod“

Leichenfund auf der Brücke (c) Edel:Motion

Auf der Öresund-Brücke wird eine Leiche genau auf der Grenze zwischen Dänemark und Schweden gefunden. Zwei Ermittler treffen am Fundort ein: der dänische Kommissar Martin Rohde (Kim Bodnia, „In einer besseren Welt“) und die schwedische Kommissarin Saga Norén (Sofia Helin). Es stellt sich heraus, dass die Leiche aus zwei Teilen besteht: der obere Teil gehört zu einer Stadträtin aus Malmö, der untere Teil zu einer Prostituierten aus Kopenhagen. Letztere war bereits seit 13 Monaten vermisst, aber die Polizei stellte damals die Ermittlungen nach zwei Wochen ein. Und genau auf diesen Umstand wollte der Täter hinweisen: Bei polizeilichen Ermittlungen gibt es keine Gleichheit, ebenso wenig wie vor dem Gesetz.

Der Auftakt der Serie „Die Brücke – Transit in den Tod“ ist verwirrend und spannend. Der Täter plant sein Vorgehen seit mindestens dreieinhalb Jahren, dementsprechend scheint er die Kontrolle über die Ermittlungen zu haben. Er weiß, in welchem Tempo die Ermittler die Beweise finden, außerdem versorgt er einen schwedischen Journalisten mit Informationen. Dabei ist seine Tat groß angelegt: Er will auf insgesamt fünf Ungerechtigkeiten mit seinen Taten aufmerksam machen. Weiterlesen

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