Schlagwort-Archive: Kriminalroman

Krimi-Kritik: „Brixton Hill“ von Zoë Beck

Gerade noch hat Eventmanagerin Em mit ihrer Kollegin und Freundin Kimmy Rasmussen ein Gespräch in deren Büro geführt, nun liegt diese tot auf dem Fußweg. Nachdem sich Rauch in der Büroetage gebildet hatte, glaubte Kimmy, das einzig richtige zu tun und sprang aus dem 15. Stock. Weder Em noch ihre Mitarbeiter konnten sie daran hindern. Dann wird Em verhaftet: Sie soll die Gebäudetechnik manipuliert und die Katastrophe ausgelöst haben. Damit beginnt für sie ein lebensbedrohlicher Kampf um ihre Unschuld, in dem sie auf Immobilienspekulanten, Hacker und ihre eigene Familie trifft.

Gentrifizierung als Thema im Kriminalroman

(c) Rotbuch

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(c) btb

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Ems Nachforschungen konfrontieren sie mit hässlichen Wahrheiten über ihre Familie und das dreckige Geschäft mit Immobilien, das sich in London sowohl an dem ersten Tatort Canary Wharf als auch im titelgebenden „Brixton Hill“ zeigt: überteuerte Bürogebäude werden ohne Rücksicht auf die Umwelt hochgezogen, alteingesessene Bewohner werden vertrieben, damit wohlhabende Möchtegern-Hipster in einem ‚alternativen‘ Umfeld wohnen können.Auch in den neuen Romanen von Rob Alef („Immer schön gierig bleiben“) und Ulrich Ritzel („Trotzkis Narr“) ist Gentrifizierung der Hintergrund des Krimi-Plots. Die Fälle sind indes grundverschieden: Bei Alef ermittelt sein Kommissar Paschulke in dem Mord an einer Immobilienmaklerin, bei Ritzel stößt Privatdetektiv Hans Berndorf bei der Untersuchung einer Beschattung auf einen Bestechungsskandal und bei Zoë Beck gerät nun eine Eventmanagerin unschuldig unter Mordverdacht.Die Ermittlungen in allen drei Büchern führen in die Aktivisten-Szene – und bei Beck und Ritzel zum Linksterrorismus der 1970er Jahre. Weiterlesen

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Krimi-Kritik: „Gottes Zorn“ von Olle Lönnaeus

(c) Rowohlt

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Mitten in der Nacht erhält der betrunkene Joel Lindgren einen Anruf von seinem Vater Mårten, zu dem er seit Jahrzehnten kein Kontakt mehr hat. Nun stammelt er nur „Komm her. Es ist eilig. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit …“ ins Telefon. Widerwillig macht sich Joel auf den Weg, kämpft sich durch einen Schneesturm, legt sich fast mit einem Wildschwein an und kommt schließlich am Haus des Vaters an. Doch seine unterdrückten Befürchtungen werden bestätigt: Sein Vater hängt tot von der Decke im Wohnzimmer. Joel fällt in Ohnmacht – und als er wieder aufwacht, kommt die Erinnerung: „Er hatte die Leiche berührt, daran erinnerte er sich. Voller Grauen war er darauf zugegangen und hatte seine Finger auf eine herabhängende Hand gelegt. Sie war kalt, genau wie er es vermutet hatte. So viel wusste Joel über Tote: Man sieht innerhalb eines Augenblicks, ob es bereits zu spät ist.“

Ansonsten weiß Joel aber nicht allzu viel – weder über sich selbst noch über seinen Vater. Im Alter von 18 Jahren hat er seinen Heimatort verlassen und für ein Jahr bei einer Sekte gelebt, in der er Halt und vermeintliche Orientierung fand. Schließlich fühlte er sich dort beengt, verließ die Sekte und traf eine Frau, aber die Ehe scheitere, weil er keine Kinder wollte. Durch den Tod des Vaters wird er nun mit seinen diffusen Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend konfrontiert, die vor allem von seinem gewalttätigen Vater und dem Weggang der Mutter bestimmt sind. Als er jedoch beginnt, im Leben seines Vaters herumzuwühlen und mit Menschen zu sprechen, die seinen Vater besser kanten, geraten diese Erinnerungen ins Wanken. Allmählich erkennt er, dass er trügerischen Wahrnehmungen unterlegen war.

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Krimi-Kritik: „Abbey Road Murder Song“ von William Shaw

London im Oktober 1968. Im Abbey Road Studio entsteht das vielleicht wichtigste Musikalbum aller Zeiten, vor der Straße warten hunderte junge Frauen auf die Beatles. Die vermeintliche Swingings-Sixties-Idylle wird durch einen Mordfall überschattet: In der Nähe der Abbey Road Studios wurde ein junges Mädchen tot aufgefunden. Anscheinend war sie von zuhause weggelaufen und ein Fan der Beatles. Die Ermittlungen führen Detective Cathal Breen und seine Kollegin Helen Tover daher durch Swinging London, allerdings zeigt sich schon bald, dass für die Tote das Leben weniger bunt war als sie es sich erhofft hatte.

(c) Suhrkamp

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Ein spannendes Setting hat sich William Shaw für sein Krimi-Debüt ausgesucht, jedoch dienen die Beatles mehr als prominenter Aufhänger. Sicher erwähnt er einige berühmte Namen, auch gibt es Besuche bei den Häusern der Beatles und einen fiktiven Gerichtsprozess gegen John Lennon. Der Fall führt jedoch aus dieser Szene und schließlich auch London heraus. Weitaus wichtiger ist die historische Kulisse hingegen für die Ermittler: Als Ire hat es Detective Breen in London schwer, außerdem ist sein Vater vor kurzem gestorben, er hat einen Kollegen in einer gefährlichen Situation im Stich gelassen und gilt noch dazu als integer und unbestechlich. Deshalb ist er bei seinen Kollegen nicht sehr beliebt. Auch seine Kollegin Helen Tover hat es nicht leicht: Sie ist eine der wenigen Frauen bei der Polizei und gibt sich nicht damit zufrieden, Tee zu kochen und den Schreibkram zu erledigen. Tapfer kämpft sie gegen Vorurteile und Diskriminierungen an, aber sogar nachdem sie entdeckt, dass auf einem Kleidungsstück, das dem Opfer gehört haben könnte, ein Spermafleck ist, erhält sie keine Anerkennung, sondern den Ruf, ein Flittchen zu sein. Wenigstens versteht sie sich mit dem ruhigen Breen gut. Weiterlesen

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Krimi-Kritik: „Korrupt“ von Robert Kviby

„Sie würde noch mehr Gründe zum Weinen haben, die Frau, die schluchzend neben dem noch nicht getrockneten Blutfleck des Ministerpräsidenten stand.“ Dessen ist sich der Erzähler von Robert Kvibys „Korrupt“ sicher. Denn der Mord an Olof Palme ist Ausgangspunkt des Aufstiegs von „neuen Zysten der schmutzig grauen Machtamöbe“, die sich in Schweden dank starker Allianzen und schweigender Polizei breit macht. Und mit einem Teil dieser Machtamöbe stößt die Polizeireporterin Annie Lander zusammen, als sie über eine Mordserie an Prostituierten schreiben will.

(c) Rowohlt

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In dem Auftakt der Reihe um die Polizeireporterin Annie Lander und ihren Mann Max greift Robert Kviby auf bewährte Zutaten zurück: Eine Reporterin als Hauptfigur, sexuelle Folterungen von Prostituieren und die Verstrickung von Politik und Wirtschaft erinnern an Stieg Larssons „Millenium“-Trilogie und die Rolle der Balkan-Mafia lässt an Jens Lapidus‘ „Snabba Cash“-Reihe denken. Dadurch gerät gerade die erste Hälfte des Romans formelhaft: Annie ist schön, begehrt, klug und mutig; ihre Mutter wurde umgebracht, als sie noch ein Kind war. Ihr Mann Max ist als Jazzmusiker natürlich melancholisch, introvertiert und rastlos. Dennoch war es Liebe auf den ersten Blick, nun ist Annie schwanger – und sie könnten glücklich sein, würde Max nicht zu viel trinken und Annie zu viel arbeiten. Derzeit recherchiert sie in einer Serie von ungeklärten Mordfällen an Prostituierten. Dabei kommt sie einer Verschwörung auf die Spur, die bis in die höchsten Kreise der schwedischen Gesellschaft reichen. Ihr Hauptverdächtiger ist ein schwerreicher Industrieller, der zurückgezogen lebt. Er ist Chef eines Herrenbundes, der in Schweden das Sagen hat, aber weitgehend im Verborgenen agiert. Diese mächtigen Männer lassen sich von einer Reporterin jedoch nicht einschüchtern – und so gerät Annie in Lebensgefahr.

Die Verdächtigen sind in „Korrupt“ schnell ausgemacht, auch sind die privaten Schwierigkeiten von Annie und Max eher der Konvention denn dem Plot geschuldet. Glücklicherweise folgt dann jedoch eine Wendung, die originell und witzig ist, auch am Ende Ende wagt sich Robert Kviby ein wenig aus den Genreregeln heraus. Dadurch ist „Korrupt“ als Auftakt einer Reihe durchaus unterhaltsam – sofern sich Robert Kviby hier ebenfalls an Larsson und Lapidus hält. Deren Serien endeten nach drei Teilen.

Robert Kviby: Korrupt. Übersetzt von Lotta Rüegger und Holger Wolandt. Rowohlt 2013.

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Krimi-Kritik: „Bußestunde“ von Arne Dahl

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Nun ist es soweit: Das A-Team löst seinen letzten Fall. Von Anfang an hatte Arne Dahl festgelegt, dass seine Reihe – in Anlehnung an Maj Sjöwalls und Per Wahlöös „Kommissar Beck“ – zehn Teile umfassen wird. Und wenngleich er mit „Gier“ eine kleine Hintertür genutzt hat, ist „Bußestunde“ der zehnte und letzte Teil mit der Sonderheit für Gewaltverbrechen von internationalem Charakter.

Das Buch beginnt mit einer wunderbaren Übersicht, ja, fast könnte man Rundflug sagen, über die vertrauten Figuren aus den neun vorhergehenden Büchern. Sara Svenhagen und Jorge Chavez sitzen auf einer Parkbank am Mälarsee, beobachten ihre Tochter Isabel und freuen sich auf ihr zweites Kind. Gunnar Nyberg genießt mit seiner Freundin Ludmila Lundkvist ebenfalls die letzten Sonnenstrahlen vor einer anderen Hütte am Ulvsundasee, Jon Anderson wartet in einem Café auf seinen Verlobten, Familie Söderstedt versammelt sich im Park und Arto denkt an Viggo Norlander, der in einer Klinik gegen den Krebs kämpft. Kerstin Holm besucht ein Grab, Paul Hjelm trifft sich mit seinen Kindern in einem Restaurant und Lena Lindbergh war gerade noch einem Café, gerät dann aber in einen Raubüberfall. Damit endet der letzte idyllische Spätsommertag – und das A-Team hat einen neuen Fall. Weiterlesen

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„Öl auf Wasser“ von Helon Habila

(c) AfrikaWunderhorn

Vergiftete Gewässer, verpestete Luft, brennender Fackeln und Ölfässer sind in Helon Habilas „Öl auf Wasser“ keine Requisiten einer apokalyptischen Vision, sondern Bestandteile der sehr realen Beschreibung der Dörfer um Port Harcourt im Delta des Niger. Ölgesellschaften sind hier auf der Jagd nach dem wertvollen Bodenschatz, sie zerstören und beuten das Land aus – geschützt von der Armee und Regierung. Rebellengruppen kämpfen dagegen an und entführen Mitarbeiter dieser Firmen, um Geld zu erpressen. Nun ist die weiße, britische Frau eines hochrangigen Mitarbeiters einer ausländischen Firma entführt worden – und dem Reporter Rufus bietet sich eine einmalige Chance: Mit einer Gruppe anderer Journalisten soll er sich mit den Rebellen treffen und das Lösegeld verhandeln.

Im Stil einer Reportage lässt Helon Habila seine Hauptfigur von seiner Reise zu den Rebellen erzählen, in deren Verlauf er an seine eigene Vergangenheit denken muss. Begleitet von dem in die Jahre gekommenen Ex-Starreporter Zaq gerät Rufus während seiner Reise zwischen alle Fronten und findet sich inmitten der Auseinandersetzungen der Rebellen, der Soldaten und Flussbewohner wieder. Sie führt ihn letztlich tief in die Gegenwart des Landes, in seine eigene Vergangenheit – und erlaubt auch einen Blick auf die Zukunft. Vor allem aber führt diese Reise dem Leser eindringlich vor Augen, wie die Realität in Nigeria aussieht. Weiterlesen

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Elmore Leonard – Über „Out of Sight“ und die Verfilmung von Steven Soderbergh

Elmore Leonard ist einer der Autoren, die perfekt ins Zeilenkino passen. In seinen Geschichten spielen Filme oft eine Rolle, viele seiner Romane sind bereits verfilmt worden, außerdem schreibt er selbst auch Drehbücher. Also nehme ich die Neuauflage seiner Werke im Suhrkamp-Verlag zum Anlass, eine Elmore-Leonard-Reihe zu beginnen. Den Anfang macht „Out of Sight“, ein Buch, dessen Verfilmung ich sehr gut kenne – und die sogar Teil meiner Abschlussprüfung im Studium war. Daher war ich auf das Buch sehr gespannt!

„Out of Sight“ von Elmore Leonard

(c) Suhrkamp

Elegant und temporeich erzählt Elmore Leonard von dem berühmten Bankräuber Jack Foley, der mit der Hilfe seines treuen Kumpanen Buddy aus dem Gefängnis ausbricht. Zufällig werden sie von dem US Marshall Karen Sisco überrascht. Sie überwältigen sie und sperren sie mit Jack Foley in den Kofferraum eines Cadillacs. Obwohl die Fronten sehr klar – sie will ihn zurück ins Gefängnis bringen, er will lieber sterben als noch einmal in den Knast zu gehen – sind sie fasziniert voneinander und reden über Filme. Dadurch besticht diese beengte Situation nicht nur mit elegantem Humor, sondern zugleich wird Jack Foley charakterisiert. Er hat ein Faible für Outlaws –so findet er es gut, dass sich Peter Finch in „Network“ nichts mehr gefallen lassen will – und ist ein Romantiker – er mag „Die drei Tage des Condor“ und bekennt später, er wünsche sich ein Ende wie Clyde in „Bonnie & Clyde“. Dennoch vergisst Karen nicht, auf welcher Seite sie steht und entkommt mit der unfreiwilligen Hilfe von Foleys zweitem Fluchthelfer. Aber Foley und Karen werden sich wiedersehen, daran besteht kein Zweifel. Weiterlesen

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