Bachmannpreis 2012 – Tag 1 der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt

Heute Morgen begann wieder das Lesen um den Bachmann-Preis in Klagenfurt. Bis Samstag werden 14 Autoren aus bisher unveröffentlichten Texten lesen und sich dem Urteil der Jury stellen. Mein Fazit nach dem ersten Tag: Zahnfehlstellungen als Charakteristikum für weibliche Figuren entwickeln sich zu einem Topos der Literatur und an den nächsten Tagen folgt hoffentlich noch ein Text, der mich begeistert.

Stefan Moster (c) TDDL

Den Anfang am heutigen Tag machte Stefan Moster, der in seinem Vorstellungsvideo erzählt, er habe aus der Angst, seine Sprache zu verlieren, in Finnland mit dem Schreiben deutschsprachiger Romane begonnen. Sein Text „Der Hund von Saloniki“ dreht sich vor allem um das Erinnern und Zuschreiben von Bedeutungen. Einst wurde der Ich-Erzähler seiner Geschichte von einem Hund ins Bein gebissen und hielt dieses Ereignis aufgrund der Umstände für prägend und erinnerungswürdig. Doch nun stellt er Jahrzehnte später im Urlaub mit seiner 17-jährigen Tochter fest, dass er dieses Erlebnis fast vergessen habe. Die Jury Weiterlesen

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Leben in den Ozarks – „Der Tod von Sweet Mister“ von Daniel Woodrell

Morris Akins, der von allen Shug genannt wird, lebt in den Ozarks Mountains im Süden von Missouri. Seine Mutter Glenda ist eine verblühende Schönheit, die ihren Tee – Cola mit Rum – trinkt und ihrem Sohn zärtlich zuneigt ist. Sein Vater Red ist ein drogenabhängiger Schläger, der Shug mit Vorliebe Fettsack nennt und auf seine Raubzüge mitnimmt, damit er Alten und Kranken Medikamente klaut. Die grenzenlose Liebe seiner Mutter und die Angst vor seinem Vater sind die Konstanten in Shugs trostlosem Leben. Doch dann taucht der joviale Jimmy Vin Pearce in seinem grünen Thunderbird auf – und bringt diese Welt ins Wanken.

Ausweglosigkeit und Folgen der Erfahrung

Daniel Woodrell (c) Bruce Carr

Wie schon in seinem Roman „Winters Knochen“ erzählt Daniel Woodrell auch in „Der Tod von Sweet Mister“ ohne moralischen Gestus und mit viel Sympathie für seine Hauptfigur eine düstere Coming-of-Age-Geschichte, die schon auf den ersten Seiten gefangen nimmt. Mühelos taucht man in diese fremde Welt in dem vergessenen Landstrich der USA ein, sieht das bunte Haus am Friedhof vor sich und spürt den unterdrückten Zorn des Ich-Erzählers Shug. Dass Shug nicht wie Ree Dolly auf sich allein gestellt ist, erweist sich nicht unbedingt als Vorteil. Seine Mutter kommt nicht einmal auf die Idee, ihrem Sohn eine Alternative zu bieten oder ihren Mann zu verlassen. Das Leben in ihren Augen ist einfach so, also bringt sie ihrem Sohn lieber bei, in dieser Welt zu überleben. Dafür muss er immer hellwach sein und darf Red niemals verraten. Weiterlesen

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Kinotour: „Das Haus auf Korsika“

(c) Schwarz-Weiss Filmverleih

In dem sehenswerten Film „Das Haus auf Korsika“ („Au cul du loup“) erzählt der belgische Regisseur Pierre Duculot von Christina (Christelle Cornil), die von ihrer Großmutter ein Haus auf Korsika erbt, von dem bisher niemand etwas wusste. Ihre Eltern und ihr Freund drängen auf einen Verkauf, aber Christina will sich das Haus erst einmal ansehen – und sieht auf einmal die Möglichkeit auf ein ganz anderes Leben.

Mit tollen Bildern von Korsika, einer beeindruckenden Hauptdarstellerin und ohne unnötige dramaturgische Wendungen erzählt dieses zurückhaltende Drama eine einfache Geschichte.

Im Juli ist Hauptdarstellerin Christelle Cornil auf Kinotour, um „Das Haus auf Korsika“ zu präsentieren:

Frankfurt, Dienstag, 10.7. 20.00 Uhr Cinema
Stuttgart, Mittwoch 11.7. 20.00 Uhr Delphi
Karlsruhe, Donnerstag 12.7. 21.00 Uhr Schauburg
Freiburg, Freitag 13.7. 21.00 Uhr Open Air
Bonn, Samstag, 14.7. 21.00 Uhr Rex
Aachen, Sonntag, 15.7. 17.00 Uhr Apollo

Meine ausführliche Kritik des Films ist bei spielfilm.de zu lesen.

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Büchner-Filmreihe im Deutschen Filmmuseum

Georg Büchner

Am 3. Juli 2012 beginnt eine Filmreihe zu Georg Büchner im Kino des Deutschen Filmmuseums aus Anlass der hessischen Georg-Büchner-Jahre 2012 und 2013. Neben zwei werkgetreuen Verfilmungen des „Woyzec“ von Georg C. Klaren und Werner Herzog ist eine freie filmische Adaption des „Lenz“ von Thomas Imbach zu sehen, der seine Titelfigur in die heutige Zeit verlagert. Büchners letzte Lebensjahre, sein politisches Handeln und die revolutionäre Zeit des Vormärz sind Thema des Films „Eine deutsche Revolution“ (1982) von Helmut Herbst und der Biografie „Addio, Piccola Mia“ von Lothar Warneke.

Die Filme: Weiterlesen

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Media Monday #53

Auch an diesem Montag beantworte ich wieder die Fragen des Media Monday vom Medienjournal:

1. Val Kilmer gefiel mir am besten in „The Doors“, weil er die undankbare Aufgabe, Jim Morrison zu spielen, völlig uneitel und ohne Effekthascherei erfüllt hat.

2. Jason Reitman hat mit „Thank You for Smoking“ seine beste Regiearbeit abgelegt, weil dieser Film so böse, so wahr und so originell ist, dass er aus seinen insgesamt guten Werk herausragt.

3. Helen Hunt gefiel mir am besten in „As Good As It Gets“, weil durch ihr Spiel dieser Film überhaupt funktioniert. Sie füllt die eindimensionale Rolle als aufopferungsvolle Mutter und desillusionierte Kellnerin mit viel Leben und sorgt dafür, dass letztlich sogar das völlig unnötige und wohl anfangs auch nicht beabsichtigte Happy End einigermaßen funktioniert.

4. Der letzte Film, von dem ich mir nichts versprochen habe und der dann letztlich richtig gut war, war „Dein Weg“. Bei Jakobsweg klingen bei mir viele Alarmglocken und ich erwartete eine rührselige Pilger-Schmonzette mit kitschigen Botschaften und habe stattdessen einen angenehm zurückhaltenden Film über das Wandern gesehen.

5. Explizite Gewalt in Filmen finde ich in Ordnung, wenn sie dramaturgisch notwendig ist. Allerdings ist sie das meistens nicht.

6. Filme nachträglich in 3D zu konvertieren, ist unnötig.

7. Meine zuletzt gesehene Serienstaffel ist „Hung“ und die war mäßig, weil mich die Geschichte einfach auch nach der sechsten Folge nicht wirklich gepackt hat. Daher habe ich sie bis heute auch nicht beendet.

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Provokation und Beklemmung – „Code Blue“ von Urszula Antoniak

Marian (Brien de Moor) (c) EuroVideo

Die Krankenschwester Marian (Bien de Moor) ist um die 40 Jahre alt und betreut bei ihrer Arbeit Patienten, die bald sterben werden. Sie kümmert sich um die Bettlägerige, die kaum nicht mehr kommunizieren können und von Maschinen abhängig sind. Manchmal leistet sie Sterbehilfe – wenn sie glaubt, ein Patient habe sie darum gebeten oder wenn sie der Meinung ist, der Patient wolle sterben, könne es aber nicht mitteilen. In dieser Welt findet Marian die Nähe, die sie außerhalb des Krankenhauses verloren hat – und hat die Kontrolle. Sonst ist sie kühl und distanziert, schon ihre Wohnung ist unpersönlich eingerichtet und sie hat auch nur wenig Kontakt zu ihren Mitmenschen. Dann nimmt sie zufällig in einer Straßenbahn den Geruch eines Mannes (Lars Eidinger) wahr. Sie folgt ihm in eine Videothek und leiht dieselben Filme aus, die er zuvor gesehen hat. Es ist als habe dieser Geruch etwas in ihr ausgelöst – womöglich eine Erinnerung an die physische Nähe von im Leben stehenden Menschen. Fortan verfolgt sie den Mann, beobachtet ihn – und der Mann, der in ihrer Nähe wohnt, scheint es zu genießen. Später wird sie ihm zufällig auf einer Party begegnen und eine obsessive kurze Beziehung mit ihm haben, die ein schreckliches Ende nimmt. Weiterlesen

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Trailer und Starttermin – „Am Ende eines viel zu kurzen Tages“

(c) Bavaria Pictures

Gegen den Tod zu kämpfen ist aussichtslos – am Ende wird er gewinnen. Diesen Satz hört der 15-jährige Donald (Thomas Brodie-Sangster) von seinem Psychologen Dr. Adrian King (Andy Serkis), „Dr. Tod“ wie er ihn nennt, und fühlt sich verstanden und ernstgenommen. Denn Donald ist todkrank und wird bald sterben. Seine Gefühle drückt er vor allem in seinen Zeichnungen aus, in denen ein Superheld, der nicht lieben kann, gegen den grausamen Schurken Glove und dessen Gehilfin Nursey Worsey kämpft. Mit Adrians Hilfe erkennt Donald, dass nicht der Tod entscheidend ist, sondern die Zeit, die einem bis dahin bleibt.

„Am Ende eines viel zu kurzen Tages“ ist die Verfilmung des Romans „Superhero“ von dem neuseeländischen Autor Antony McCarten, der auch das Drehbuch geschrieben hat. Und der Film des irischen Regisseur Ian Fitzgibbon überzeugt durch einen gelungenen Erzähl- und Inszenierungsstil, gute Schauspielern und einen tollen Soundtrack. Kinostart ist der 30. August 2012. Eine Vorstellung des Romans wird im August hier erscheinen, bis dahin verweise ich mal auf meine ausführliche Kritik des Films bei spielfilm.de.

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