Schlagwort-Archive: Winters Knochen

Lesungsbericht: Daniel Woodrell liest bei „Mord am Hellweg“

„Mord am Hellweg“ ist Europas größtes internationales Krimifestival und versammelt zumeist eine interessante Auswahl an Lesungen von internationalen Krimiautoren. Beim Lesen des Programms stach mir in diesem Jahr besonders die Lesung von Daniel Woodrell ins Auge, den ich ja bekanntermaßen sehr schätze. Glücklicherweise las er zudem in Dortmund, also nur eine gute Stunde entfernt.

Daniel Woodrell (c) Bruce Carr

Der Abend begann bereits vielversprechend mit der Frage an Daniel Woodrell, ob er sich jemals vorgestellt hat, er würde in Dortmund aus seinem Buch lesen. Die gut gelaunte Antwort lautete, dass er sich zwar vorgestellt habe, in Unna zu lesen (dort war er am Tag zuvor), aber nicht in Dortmund. Danach erzählte Daniel Woodrell von seinem Leben als Schriftsteller, das er am ehesten mit einem Hippie-Dasein vergleichen würde: Seine Frau und er lebten von dem, was sie im Jahr zuvor eingenommen hatten. Die meiste Zeit seines Lebens hat er in Missouri verbracht, dem Handlungsort seiner Geschichten. Dabei spielen insbesondere die Ozark Mountains eine wichtige Rolle in seinen Romanen, die seiner Einschätzung nach selbst für Amerikaner schwer zu beschreiben und zuzuordnen seien: Sie gehören zum nördlichen Süden, den Anfang des Westens, das Ende des Nordens – und eigentlich zu keiner Gegend richtig. Es ist schwer, dort Geld zu verdienen, da es nur wenig Jobs und kaum Industrie gibt. Daher erwidert er auch auf die Frage, ob er die Bezeichnung „white trash“ für die Bewohner der Gegend benutzte oder „working poor“ vorziehe, dass er von „working poor“ spräche, sofern es dort Arbeit gebe. Aber insgesamt lehne er solche verallgemeinernden Einschätzungen ab, da auf diese Weise sehr viele individuelle Schicksale zusammengefasst werden. Weiterlesen

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Leben in den Ozarks – „Der Tod von Sweet Mister“ von Daniel Woodrell

Morris Akins, der von allen Shug genannt wird, lebt in den Ozarks Mountains im Süden von Missouri. Seine Mutter Glenda ist eine verblühende Schönheit, die ihren Tee – Cola mit Rum – trinkt und ihrem Sohn zärtlich zuneigt ist. Sein Vater Red ist ein drogenabhängiger Schläger, der Shug mit Vorliebe Fettsack nennt und auf seine Raubzüge mitnimmt, damit er Alten und Kranken Medikamente klaut. Die grenzenlose Liebe seiner Mutter und die Angst vor seinem Vater sind die Konstanten in Shugs trostlosem Leben. Doch dann taucht der joviale Jimmy Vin Pearce in seinem grünen Thunderbird auf – und bringt diese Welt ins Wanken.

Ausweglosigkeit und Folgen der Erfahrung

Daniel Woodrell (c) Bruce Carr

Wie schon in seinem Roman „Winters Knochen“ erzählt Daniel Woodrell auch in „Der Tod von Sweet Mister“ ohne moralischen Gestus und mit viel Sympathie für seine Hauptfigur eine düstere Coming-of-Age-Geschichte, die schon auf den ersten Seiten gefangen nimmt. Mühelos taucht man in diese fremde Welt in dem vergessenen Landstrich der USA ein, sieht das bunte Haus am Friedhof vor sich und spürt den unterdrückten Zorn des Ich-Erzählers Shug. Dass Shug nicht wie Ree Dolly auf sich allein gestellt ist, erweist sich nicht unbedingt als Vorteil. Seine Mutter kommt nicht einmal auf die Idee, ihrem Sohn eine Alternative zu bieten oder ihren Mann zu verlassen. Das Leben in ihren Augen ist einfach so, also bringt sie ihrem Sohn lieber bei, in dieser Welt zu überleben. Dafür muss er immer hellwach sein und darf Red niemals verraten. Weiterlesen

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Ein Ereignis: Winter’s Bone

Nachdem ich bereits eine Kritik zu „Winter’s Bone“ und im Blog von LovelyBooks etwas über das Buch von Daniel Woodrell geschrieben habe, bleiben mir für mein Zeilenkino nur noch ein paar weitere Anmerkungen.

Ich habe „Winter’s Bone“ bereits Ende Januar gesehen und war mir sehr sicher, soeben einen der besten Filme des Jahres gesehen zu haben. Von der ersten Szene an hat er mich gepackt und noch heute erzähle ich mit Begeisterung von diesem Film. Er hat mir eine Seite der USA gezeigt, die ich so nicht kannte und die mein Bild über die USA und die amerikanische Bevölkerung dauerhaft verändert hat.

(c) Ascot Elite

Oftmals habe ich mich über die – fast schon sprichwörtliche – Ignoranz der amerikanischen Bevölkerung gegenüber vielen Themen gewundert. Wie kann beispielsweise eine kostenlose Krankenversicherung auf so wenig Widerhall stoßen? Aber nachdem ich diese Geschichte hier gesehen und gelesen habe, verstehe ich es. Diese Menschen führen ein Leben, in dem diese Aspekte keine Rolle spielen. Natürlich bin ich mir bewusst, dass Buch und Film fiktional sind. Aber ich glaube, sie vermitteln bessere Eindrücke als mancher Dokumentarfilm. Es ist kaum vorstellbar, dass Menschen in einer der reichsten Industrienationen der Welt in dieser Armut leben – und es ist fantastisch, mit welcher Selbstverständlichkeit Debra Garnik diese Wirklichkeit zeigt und Daniel Woodrell von ihr erzählt.


Das Buch “Winters Knochen” von Daniel Woodrell ist im Liebeskind Verlag erschienen. Der Film “Winter’s Bone” läuft am 31. März in den Kinos an.

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