Archiv des Autors: Zeilenkino

Lynch in „Wo die Löwen weinen“ – Heinrich Steinfest und der Film, Teil V

Auch vor meinem zweiten Beitrag zu „Wo die Löwen weinen“ möchte ich nochmals kurz darauf hinweisen, dass ich auf wichtige Teile der Handlung inklusive des Endes des Romans (und auch von „Mulholland Drive“) eingehen werde. Wer den Roman also noch nicht kennt, sollte ihn besser vorher lesen!

Heinrich Steinfest (c) Konrad Theiss Verlag

In einem Podcast zu „Wo die Löwen weinen“ hat Heinrich Steinfest gesagt, dass sich seiner Meinung nach viele Menschen über das Verhalten von Filmfiguren definierten. Fraglos stimmt diese Einschätzung für seine Romanfigur Lynch, einen türkischen Händler und Filmfan. Auf seine Spur kommt Kommissar Rosenblüt – wie könnte es anders sein – durch ein Filmzitat aus „Mulholland Drive“ von David Lynch, das die Romanfigur Lynch gegenüber dem Geologen Uhl als Drohung äußert: „You will see me one more time, if you do good. You will see me two more times, if you do bad“. Zwar tauschte Lynch sehen gegen hören, aber er will – wie der Cowboy in dem Film – einen anderen Mann dazu bringen, etwas Bestimmtes zu tun und sich dem Willen undurchsichtiger Mächte zu beugen.

Steckt er hinter allem? (c) Concorde Home Entertainment

„Mulholland Drive“ und „Wo die Löwen weinen“ – Der Cowboy und Lynch
Im Roman wird der Geologe Uhl keinen weiteren Anruf von Lynch erhalten. Indes auf die Frage, wie oft der Cowboy in „Mulholland Drive“ zu sehen ist, gibt es unterschiedliche Antworten. Bei fast allen Filmen von David Lynch sind zahllose Interpretationen möglich, so ist beispielsweise auch nicht eindeutig, ob der Cowboy tatsächlich im Auftrag der geheimnisvollen Strippenzieher arbeitet oder eher als (vielleicht sogar imaginierter) Beschützer der fragilen Betty/Diane fungiert. Doch in der konkreten Sequenz, in der er den vom Roman-Lynch zitierten Satz äußert, geht der Zuschauer davon aus, dass er im Auftrag der mysteriösen mafiaähnlichen Organisation handelt. Daher glaube ich, dass auch das Zitat in „Wo die Löwen weinen“ auf diese Hintergründe anspielt. Und tatsächlich ist es äußerst vergnüglich, die Runde um den Geologen Fabian als Parallele zu jenen seltsamen älteren Herren aus „Mulholland Drive“ zu sehen.

(c) Concorce Home Entertainment

Daneben könnte eine weitere Aussage des Roman-Lynchs eine zweite Anspielung auf „Mulholland Drive“ sein. Als Rosenblüt auf Lynch vor dessen Laden trifft, entgegnet er auf dessen Frage nach seinem Hund Kepler, ob er ihn kaufen wolle – betont aber schon im nächsten Satz, dass Kepler unverkäuflich sei. Dieser Rückzieher wird von Lynch mit dem Satz kommentiert, dass er sich wie jemand von den Leuten verhalte, „die einen Killer anheuern und es sich dann anders überlegen“. In „Mulholland Drive“ heuert Betty/Diane einen Killer an, der sie explizit fragt, ob sie sich auch sicher sei. Zwar betont sie in dem Gespräch ihre Entschlossenheit, letztendlich scheint sie an ihrer Entscheidung aber zu verzweifeln.

In diese Richtung weist auch ein weiteres Filmzitat vom Roman-Lynch, das allerdings nicht von seinem namensgebenden Lieblingsregisseur stammt: „Gott ist ein Luxus, den ich mir nicht leisten kann“. Diesen Satz sagt der zynische Judah Rosenthal in Woody Allens „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“, in dem ebenfalls ein angeheuerter Killer eine Rolle spielt – in dem es aber auch um Moral, Religion und Ideale, um gute und schlechte Taten und die Reue nach der Anheuerung eines Profikillers geht. Hier besticht schon die Qualität des Zitats – es gibt schlechtere One-Liner! – und der passende Titel.

(c) Theiss Verlag

Die leeren Räume in „Wo die Löwen weinen“
Scheinbar leere Räume spielen in „Wo die Löwen weinen“ eine große Rolle – in einem „schuhschachtelgroßen leeren Raum“ entdeckt Mach letztlich die schwangere Kriegerin, Kommissar Rosenblüt verschwindet für kurze Zeit in einem aus Spiegel konstruierten unsichtbaren Raum. Auch hier musste ich an „Mulholland Drive“ denken, da eine blaue Schachtel eine zentrale Rolle spielt. Es ist nicht eindeutig festzulegen, ob diese Schachtel leer ist oder lediglich die Zeitsprünge symbolisieren soll. Einmal scheinen sogar zwei wichtige Figuren aus dieser Schachtel zu fliehen. Letztendlich bleibt diese Schachtel ebenso mysteriös wie die vermeintlich leeren Räume in „Wo die Löwen weinen“.

Richard III. (c) Kinowelt

Film-Figuren als Modelle
Dass sich Menschen über Filmfiguren definieren, wird aber auch an zahlreichen anderen Stellen des Romans deutlich. Als Hans Tobik über den Niedergang der Sozialdemokratie sinniert, der völlig unkünstlerisch ist und sich daher nicht zur Verfilmung eignet, moniert der Erzähler auch das Fehlen von Helden wie Bruce Willis oder gar Heinz Rühmann, ja, es gebe noch nicht einmal eine „vom Alkohol lädierte und dennoch zauberhafte Simone Signoret“. Für den verachteten Projektsprecher findet Tobik den Namen Ratcliffe, den Getreuen von Shakespeares Richard III., aber er denkt dabei an die Verfilmung von Richard Loncraine mit Ian McKellen in der Titelrolle. Er selbst wird später von Kommissar Rosenblüt in Ermangelung der Kenntnis des wahren Namens als Cady bezeichnet, jener Antagonist aus „Kap der Angst“. Dieser Name verstärkt auch Bedrohlichkeit von Tobik, da auch Cady am Anfang von Scorseses Films unschuldig wirkt – es aber ganz und gar nicht ist.

Ohnehin werden die Hauptfiguren mit Film-Charakteren respektive Schauspielern charakterisiert. Kommissar Rosenblüt sieht aus wie Robert Redford und die neben ihm und Hans Tobik dritte Hauptfigur, Wolf Mach, ist „(m)eilenweit von einem sogar ungeküssten George Clooney entfernt (…) sein Äußeres (entsprach) viel eher dem Woody Allens“.

Und zum Schluss: „Psycho“
Daneben gibt es eine Stelle in „Wo die Löwen weinen“, an der ich mich fragte, ob ich mit dem Gedanken an „Psycho“ wohl alleine stehe. Als Mach mit Palatin, der für die Beseitigung des Schloßgarten-Mechanismus zuständig ist, das erste Mal den Keplersaal betritt, gelangen sie an „einen durchsichtigen Plastikvorhang“, den sie beiseiteschieben müssen. Hier fiel mir eine Stelle aus Steinfests „ Der Umfang der Hölle“ ein, in der der Protagonist Reisiger in einem Restaurant folgende Assoziation hat: „Die mit Reispapier unterlegten gläsernen Tischplatten und dünnhäutigen Kellner besaßen dieselbe vage Transparenz wie im Falle von Objekten, die sich unter einem Duschvorhang abzeichnen (darunter immerhin auch Mörder, wie man weiß)“. Nun ist es erneut ein durchsichtiger Vorhang, eine „vage Transparenz“, hinter der sich – zumindest aus der Perspektive der Maschine – ein Mörder verbirgt. Selbst ohne den Verweis auf den „Umfang der Hölle“ und ungeachtet der Tatsache, dass dieser Vorhang aus Lamellen besteht, hat seit „Psycho“ das Beiseiteschieben eines Vorhangs immer etwas Bedrohliches. Aber vielleicht interpretiere ich auch zu viel hinein …

Im nächsten Teil zu „Wo die Löwen weinen“ geht es dann vor allem um die Frage, ob Stuttgart allmählich zu „Alphaville“ wird …

Diesen Beitrag teilen

„Wo die Löwen weinen“ und Spielberg oder: Steinfest und der Film, Teil IV

Schon vor einiger Zeit habe ich die Fortsetzung meiner Reihe „Steinfest und der Film“ angekündigt, in der es um „Wo die Löwen weinen“ gehen sollte. Je mehr ich mich jedoch mit den filmischen Anspielungen befasste, desto dringender musste ich mir einige Filme noch einmal ansehen. Schnell wurde mir zudem bewusst, dass dieser Roman mehr als einen Beitrag erfordert. Heute mache ich den Anfang mit dem auffälligsten Zitat – dem Titel. Allerdings will ich vorher eine kleine Warnung aussprechen – neudeutsch auch Spoiler-Alert genannt: Ich werde in den Beiträgen wichtige Teile der Handlung inklusive des Endes verraten. Wer den Roman also noch nicht kennt, sollte ihn besser vorher lesen!

(c) Warner Home Video

Auf der Suche nach der blauen Fee
„Wo die Löwen weinen“ ist ein Zitat aus Steven Spielbergs Film „A.I. – Künstliche Intelligenz“, einer der Filme, die ich aus Anlass dieses Beitrags nochmals gesehen habe. In dem Film sucht das Roboter-Kind David nach der blauen Fee, die ihn – wie in dem Märchen Pinocchio – in einen richtigen Jungen verwandeln soll. Mit Hilfe des Sex-Roboters Gigolo Joe reist David in die Sündenstadt Rouge City, um Dr. Know nach dem Weg zur blauen Fee zu fragen. Von ihm erfährt David, dass die blaue Fee „am Ende der Welt, wo die Löwen weinen“ lebt, an dem Ort, „wo Träume geboren werden“. Das Ende der Welt, davon ist Gigolo Joe überzeugt, kann nur das von polaren Wassermassen überflutete Manhattan sein. Mit einem gestohlenen Helikopter machen sie sich auf den Weg dorthin und entdecken im Überflug ein Gebäude, das von bronzenen Löwenstatuen umgeben ist. Wasser flutet aus deren Mündern und Augen – die Löwen weinen. Durch einen Schacht fliegen sie in das Gebäude. Dort entdecken sie eine Tür, auf der folgender Spruch steht: Come away O human child / To the waters of the wild / with a fairy hand in hand / for the world’s more full of weeping / Than you can understand. Diese Zeilen stammen aus dem Gedicht „The Stolen Child“ von Willam Butler Yeats, in dem Kinder durch Märchen an einen besseren Ort gelangen.

Für David erfüllt sich dieses Versprechen nicht. Statt der blauen Fee begegnet er seinem Schöpfer Prof. Hobby, der ihn nach dem Abbild seines verstorbene Sohnes geschaffen hat und als erfolgreichen Modellversuch sieht. Mittlerweile hat er eine ganze Baureihe von Kinder-Robotern produziert, die einsamen Elternpaaren Liebe schenken sollen. An dem Ort, an dem die Löwen weinen, verlieren die Menschen also ihre Individualität – und wird Liebe käuflich.

(c) Theiss Verlag

Das Weinen der Löwen bei Steinfest
In Steinfests Roman ist der Satz zunächst ein wichtiger Hinweis für Kommissar Rosenblüt (bekannt aus „Ein sturer Hund“), der zu dem Ort gehen soll, an dem die Löwen weinen. Nun dürfte es auch weniger cineastischen Lesern nicht allzu schwer fallen, hierbei an einen Brunnen mit Löwenfiguren zu denken. Tatsächlich erweist sich der Ort, an dem in Stuttgart die Löwen weinen, als ein Brunnen im Garten der Adiunctus-Burschenschaft. Er besteht aus einem ovalen Becken, das auf einer Fläche steht, die beinahe gleich groß wie der unterirdische Raum unter dem Planetarium ist, in dem der Schloßgarten-Mechanismus (ein geheimnisvolles, unbewegliches Artefakt, das dem Antikythera-Mechanismus ähnelt) steht. Das Becken wird von fünf wasserspeienden Löwen umgeben, denen das Wasser aus Mündern und Augen fließt. Woher der Brunnen stammt, ist unbekannt. Er hatte dort bereits gestanden, bevor die Adiunctus ihren Stammsitz errichtete, und ist „ohne Datierung, ohne Historie, ohne Namen, tief im Gestrüpp, verwildert, rätselhaft“. Ebenso mysteriös ist die Mitte des Brunnens. Dort steht eine Skulptur, ein kastenförmiges Objekt, das aufgrund einer optischen Täuschung zu schweben scheint und mit der Gravur „Deus ex machina“ versehen ist.

Die Parallelen zu jenem geheimnisvollen Raum, in dem die Maschine schläft, sind offensichtlich. Zumal der Adiunctus-Senior und Geologe Thiel, der von der unterirdischen Maschine weiß und sie beseitigen will, von diesem Brunnen ebenso wenig angetan ist. Damit ermöglicht dieser Brunnen schon ohne den filmischen Hintergrund vielfältige Interpretationen. Die meisten Leser werden wohl durch die Gravur ebenso wie Rosenblüts Kollegin Teska Landau an den Theatertrick denken, bei dem ein „deus ex machina“ eine unerwartete Wendung hervorruft. Dieses könnte andeuten, dass allein das Auftauchen des Schloßgarten-Mechanismus ein deus ex machina ist, der die Macher von Stuttgart 21 daran hindern soll, den Bau fortzusetzen. Allein, verfehlt er seine Wirkung. Die Löwen könnten zudem (und wie Heinrich Steinfest in den hörenswerten Podcasts zu seinem Roman erzählt) ein Hinweis auf den später angesprochenen Leoninischen Vertrag (societas leonina) sein, der nach Meinung des Archäologen Wolf Mach in Stuttgart droht. Bei diesem Gesellschaftsvertrag tragen alle Gesellschafter das Risiko und die negativen Folgen, aber nur einer erhält den Gewinn. So kann auch Stuttgart 21 gesehen werden: alle Bürger tragen die Nachteile und nur eine kleine Gruppe profitiert davon. Daher weinen diese Löwen auch angesichts des deus ex machina, der ihr Vorhaben verhindern kann.

Heinrich Steinfest (c) Bernhard Adam

Vor dem Hintergrund des Spielberg-Films eröffnen sich weitere Interpretationen. In Spielbergs-Film finden sich die weinenden Löwen an dem Ort, an dem Menschen aus Hochmut und aufgrund der Machbarkeit sämtliche moralische und ethische Bedenken außen vor lassen. In Steinfests Roman versammeln sich im Garten der Adiunctus-Burschenschaft auch jene Menschen, denen moralische Skrupel fremd sind und die schon dem Namen nach als Erfüllungsgehilfen taugen. Sie wollen ihr Vorhaben um jeden Preis umsetzen – und haben noch nicht einmal einen Grund dafür. Mit der Anspielung auf „A.I.“ verweist Steinfest darüber hinaus auf die Empfindsamkeit der Maschinen und den Hochmut der Menschen. Nach deren Meinung könnten Maschinen nicht lieben, sie sehen sich ihnen übergeordnet. Aber der Archäologe Mach vermutet, dass die Maschinen vor den Menschen auf der Erde existierten, ja, dass sogar Gott eine Maschine war. In diesem Zusammenhang erhält eine Wendung wie deus ex machina eine weitreichende Bedeutung: der Gott aus der Maschine, der schon in der Antike die Menschen an höher stehende Mächte erinnern sollte, könnte auch ein wundersames Geschöpf in der Maschine sein. In diese Richtung deutet auch der Epilog des Romans, in dem die schwangere Kriegerin, die der Schloßgarten-Mechanismus beherbergt, die Menschen belächelt, weil sie sich „ausschließlich selbst die Fähigkeit zu lieben zuordnen“. Aber schon in „A.I.“ wird deutlich, dass diese Ausschließlichkeit nicht zwangsläufig gegeben ist.

Die guten Maschinen
Ohnehin sind in Steinfests Buch die Maschinen überwiegend gut. Daher steht vor dem dritten Teil des Buches auch ein Zitat aus „Terminator 2 – Tag der Abrechnung“. In diesem erkennt Sarah Connor, dass der Terminator in einer „wahnsinnig gewordenen Welt“ der beste Vater ist, den sie für ihren Sohn finden könnte. Auch die maschinenhafte Kriegerin in dem Roman versucht, ihr Kind zu beschützen. Maschinen können also die besseren Menschen sein, so wie David in A.I. ein perfektes liebendes Kind war und der Terminator besser als jeder Vater sein könnte, weil ihnen die menschlichen Schwächen fehlen. Doch selbst in Kubricks „2001“ ist es der bedrohliche Computer HAL, der sich ein wenig Emotionalität bewahrt und erst besiegt wird, als er sich menschlich zeigt.

(c) Warner Home Video

Stanley Kubricks „2001“ ist in „Wo die Löwen weinen“ gleich auf mehreren Ebenen präsent. Zunächst legt die schwangere Kriegerin eine Parallele zu dem berühmten letzten Bild von „2001“, dem im All schwebenden Embryo, nahe. Dieses Bild wurde – wie Kubricks Film insgesamt – vielfach interpretiert und kann unter anderem als Unvergänglichkeit des Menschen sowie als Wiedergeburt und Rückkehr aus der Entfremdung gedeutet wurde. Auch in „Wo die Löwen weinen“ bietet dieses ungeborene Kind die Chance, ein Vorhaben zu beenden und aus der Entfremdung zurückzukehren – obwohl diese Gelegenheit zumindest erst einmal verstreicht.
Darüber hinaus spielt „2001“ zu Beginn des Romans eine Rolle. In den Ausführungen zu dem Namen S 21 werden „2001“, die Fortsetzung „2010“ und Orwells „1984“ mit den Realitäten in den jeweiligen Jahren in Verbindung gebracht. Und hier zeige sich, „daß die Eroberung des menschlichen Geistes um einiges leichter zu sein scheint als die Eroberung jener «unendlichen Weiten»“. Angesichts des Antikythera-Artefakts stelle sich aber die Frage, „wieso die Menschheit in weiterer Folge in so viele dunkle Löcher gefallen war, anstatt, wie es eigentlich ihrer Natur hätte entsprechen müssen, die Erkenntnis fortzuführen und aus der einen genialen Maschine die nächste geniale Maschine herauszuziehen.“ Diese mögliche Evolution beschreibt „2001“: Der Monolith taucht stets auf, wenn die Menschheit einen Entwicklungssprung vollzieht – und führt letztendlich wieder zu dem Embryo am Schluss. Denn selbst wenn das Antikythera-Artefakt zu dieser Entwicklung geführt hätte, wäre „das seelische Unglück (…) noch genau so gewesen, wie es heute ist.“

Schon dieser erste Beitrag zeigt meines Erachtens, warum ich Steinfests „Wo die Löwen weinen“ für seinen filmischsten Roman halte. In dem nächsten Teil geht es dann um den Einfluss von David Lynch – und die Frage, ob auch „Psycho“ eine Rolle spielt.

Diesen Beitrag teilen

Pinocchio goes Sciences Fiction – Spielbergs „A.I. – Künstliche Intelligenz“

(c) Warner Home Video

Vor Jahren habe ich im Zuge eines Stanley-Kubrick-Seminars an der Uni bereits „A.I. – Künstliche Intelligenz“ auf DVD gesehen – und fand den Film mäßig. Nun habe ich ihn für einen weiteren Beitrag für das Zeilenkino erneut gesehen – und finde ihn immer noch mäßig. Die Gründe sind recht schnell aufgezählt: 1. Nach einem guten Anfang und ansprechenden Mittelteil ist der Schluss viel zu lang und rührselig geraten. 2. Die Musik ist oftmals zu kitschig. Und 3. Verschenktes Potential!

Die Gründe für die starken Unterschiede zwischen den drei Teilen des Films habe ich stets in der Produktionsgeschichte gesucht, die bis in die 1970er Jahre zurückreicht. Damals hat Stanley Kubrick Brian Aldiss, den Autor der Kurzgeschichte „Super Toys Last All Summer Long“, angeheuert, eine Filmversion seiner Geschichte zu schreiben. Aber die Produktion des Films ließ auf sich warten. Anfangs war Kubrick mit Aldiss‘ Arbeit nicht einverstanden und feuerte ihn 1989, dann wollte er warten, bis die Spezialeffekte, die er sich vorstellte, auch umzusetzen sind. Mal wollte Kubrick selbst Regie führen, dann schlug er Steven Spielberg vor – der von ihm bereits 1985 ins Produktionsteam geholt wurde. Nach Kubricks Tod 1999 nahm Steven Spielberg auf Bitten von Kubricks Witwe die Umsetzung des Films in die Hand. Er schrieb das Drehbuch, übernahm die Regie und brachte den Film in die Kinos.

David mit Teddy (c) WHV

Nun war für mich beim erstmaligen und auch heutigen Sehen eigentlich klar, dass das kitschige Ende, die Flüssigkristallwesen und das märchenhafte Happy End nur von Steven Spielberg stammen könnte. Ich war überzeugt, dass es bei Kubrick weitaus düsterer, verklärter und auch mehrdeutiger ausgefallen wäre. Doch dann stolperte ich im Internet über ein Interview, in dem Steven Spielberg sagt, dass „all the parts of A.I. that people accuse me of sweetening and softening and sentimentalizing were all Stanley’s. The teddy bear was Stanley’s. The whole last 20 minutes of the movie was completely Stanley’s. The whole first 35, 40 minutes of the film – all the stuff in the house – was word for word, from Stanley’s screenplay. This was Stanley’s vision“. Sicherlich stellt sich weiterhin die Frage, wie man diesen sentimentalen Schluss filmt – dennoch hat mich dieses Statement überrascht. Meine Kritik bleibt bestehen, aber nun schiebe ich es nicht mehr Spielberg in die Schuhe.

Das verschenkte Potential des Films ärgert mich ohnehin weitaus mehr. Stanley Kubrick hat von diesem Film immer als „Pinocchio“ gesprochen und tatsächlich erinnert „A.I.“ an eine futuristische Version des Kinderbuches von Carlo Collodi. „A.I.“ erzählt die Geschichte des kleinen Roboter-Kindes David, das gerne ein richtiger Junge werden will, damit er die Liebe seiner Mutter gewinnt. Inspiriert durch das Märchen macht er sich – nachdem er von seinen Test-Eltern verstoßen wurde – auf die Suche nach der blauen Fee, die er am Ende der Welt, dort wo die Löwen weinen, finden soll. Anders als Pinocchio muss das Mecha-Kind David nicht erst lernen, ein fleißiger und ehrlicher Junge zu sein. Stattdessen ist er ein vorbildlicher Sohn, der seiner Mutter in unendlicher Liebe zugetan und stets um ihr Wohlbefinden besorgt ist. Vermutlich ist es diese Überlegenheit und die Fixierung auf Monica, die David auch für seinen Test-Vater Henry und den echten Sohn Martin so bedrohlich machen. Denn die Familie und die Gesellschaft sind nicht darauf eingestellt, dieses Gefühl der bedingungslosen Liebe zu erwidern. Monica ist ihrem Mecha-Kind fraglos zugetan – aber auch für sie ist der eigene Sohn wichtiger.

Die bunte Welt von Rouge City (c) WHV

Im Anfangsteil sind die wichtigen Fragen filmisch gut ausgearbeitet. Die heile Welt der Familie Swinton ist derart artifiziell, dass sie bedrohlich wird. Auch die kalte Hybris der Forscher, Roboter mit Gefühlen zu entwickeln, wird gut entwickelt. Aber auf die wichtigste Frage verweigert der Film eine Antwort (obwohl sie zu Beginn von einer Forscherin gestellt wird!): Wenn wir Roboter erschaffen, die lieben können, müssen wir diese Gefühle dann nicht erwidern können? Statt dieser Frage nachzugehen, wird im Mittelteil mit einer Mischung aus märchenhaften Elementen und filmischen Referenzen an „2001“, „Clockwork Orange“, aber auch an „Blade Runner“ eine Gesellschaft dargestellt, in der die mechanischen Helfer, die für alle möglichen Belange geschaffen wurden, aufgrund ihrer Perfektion zunehmend zu einer Bedrohung werden. Anscheinend könnten gefühlsbegabte Roboter am Ende die besseren Menschen sein. Stattdessen wird aber am Ende des Films ein Loblied der menschlichen Fähigkeit zur Fantasie, Imagination und des Wünschens gefeiert. Und mit keinem Wort wird der Frage nachgegangen, warum sich der Mensch weigert, auch die moralischen Folgen seines Handelns abzusehen.

Diesen Beitrag teilen

Ein Ereignis: Winter’s Bone

Nachdem ich bereits eine Kritik zu „Winter’s Bone“ und im Blog von LovelyBooks etwas über das Buch von Daniel Woodrell geschrieben habe, bleiben mir für mein Zeilenkino nur noch ein paar weitere Anmerkungen.

Ich habe „Winter’s Bone“ bereits Ende Januar gesehen und war mir sehr sicher, soeben einen der besten Filme des Jahres gesehen zu haben. Von der ersten Szene an hat er mich gepackt und noch heute erzähle ich mit Begeisterung von diesem Film. Er hat mir eine Seite der USA gezeigt, die ich so nicht kannte und die mein Bild über die USA und die amerikanische Bevölkerung dauerhaft verändert hat.

(c) Ascot Elite

Oftmals habe ich mich über die – fast schon sprichwörtliche – Ignoranz der amerikanischen Bevölkerung gegenüber vielen Themen gewundert. Wie kann beispielsweise eine kostenlose Krankenversicherung auf so wenig Widerhall stoßen? Aber nachdem ich diese Geschichte hier gesehen und gelesen habe, verstehe ich es. Diese Menschen führen ein Leben, in dem diese Aspekte keine Rolle spielen. Natürlich bin ich mir bewusst, dass Buch und Film fiktional sind. Aber ich glaube, sie vermitteln bessere Eindrücke als mancher Dokumentarfilm. Es ist kaum vorstellbar, dass Menschen in einer der reichsten Industrienationen der Welt in dieser Armut leben – und es ist fantastisch, mit welcher Selbstverständlichkeit Debra Garnik diese Wirklichkeit zeigt und Daniel Woodrell von ihr erzählt.


Das Buch “Winters Knochen” von Daniel Woodrell ist im Liebeskind Verlag erschienen. Der Film “Winter’s Bone” läuft am 31. März in den Kinos an.

Diesen Beitrag teilen

Ein Ende des Jugendwahn in Hollywood?

Heute Morgen habe ich einen Artikel mit der Überschrift „Hollywood beendet Jugendwahn“ in der Online-Ausgabe der Rheinischen Post gelesen. Der vermeintliche Beweis: Meryl Streep ist die erfolgreichste Schauspielerin dieser Tage und sie sei ja immerhin schon 61 Jahre alt. Aber reicht das aus?

Meryl Streep 2008 (c) Andreas Tai

Lange Zeit galt sicherlich, dass Frauen ab 40 keine Rollen mehr in Hollywood bekommen, aber wie in fast allen gesellschaftlichen Bereichen hat sich auch hier die Grenze verschoben. Frauen wie Julia Roberts haben die 40 überschritten und spielen weiterhin in Filmen mit. Unter anderem als böse Königin in einer Neuverfilmung von „Schneewittchen“, aber auch in einer romantischen Komödie mit Tom Hanks. Darin ist sicherlich ein Trend erkennbar, Filme für ein älteres Publikum zu drehen – denn diese Zuschauer gehen noch ins Kino und laden die Filme nicht im Internet. Aber auch wenn Meryl Streep erfolgreicher war als „Angelina Jolie, Kristen Stewart oder Keira Knightley“ ist sie doch die einzige Schauspielerin dieser Generation, die derart erfolgreich ist. Klar, Helen Mirren hat einen Oscar gewonnen – für die Darstellung von Königin Elisabeth. Und auch der Oscar für die 50-jährige Melissa Leo ist vor dem Hintergrund, dass sie in „The Fighter“ die Mutter des immerhin fast 40-jährigen Mark Wahlberg spielt, kein Beleg für das Ende des Jugendwahns in Hollywood. Darüber hinaus wurden ältere Frauen schon immer für einen Oscar nominiert, allein sagt die Nominierung nur wenig über den Erfolg aus. Und ältere Schauspielerinnen im Publikum hat man wenigstens bei der diesjährigen Verleihung so gut wie gar nicht gesehen.

Grundsätzlich möchte ich dem Tenor des Artikels ja gar nicht widersprechen: Ja, es gibt mehr Rollen für ältere Frauen als noch vor einigen Jahren. Es ist begrüßenswert, dass die 50-jährige Julianne Moore für Bulgari und die 65-jährige Diane Keaton für L’Oreal werben. Und es ist schön, dass mittlerweile auch Frauen jenseits der 40 in Sex-Szenen zu sehen sein dürfen. Aber diese Veränderungen entsprechen dem Trend einer veränderten Wahrnehmung und hängen meines Erachtens zum großen Teil mit der Erschließung neuer Zielgruppen zusammen. Denn wie weit wenigstens Hollywood ist, zeigt schon ein Blick auf besagte „beispielhafte“ Meryl Streep auf dem Plakat zu „Wenn Liebe so einfach wäre“, deren Gesicht arg retuschiert wurde. Anscheinend sind Falten für die Werbeabteilung doch nicht so sexy. Und abgesehen davon spielt sie in einem ihrer nächsten Projekte die Mutter von Julia Roberts – im wahren Leben zwar möglich, aber auch schwer vorstellbar. Deshalb glaube ich, bei aller positiven Tendenz, dass von einer Beendigung des Jugendwahns noch lange nicht gesprochen werden kann.

Diesen Beitrag teilen

“Burn After Reading” – Memoiren können gefährlich werden

Lange konnte ich mich für die Filme von Joel und Ethan Coen nicht richtig erwärmen, obwohl ich ihre Einzigartigkeit und Originalität durchaus erkannte. Aber sie sprachen mich eher rational an. Erst mit „No Country for Old Men“ habe ich mich in die Reihe ihrer Bewunderer aus vollem Herzen eingereiht und sowohl „A Serious Man“ als auch „True Grit“ mit Begeisterung gesehen. Deshalb will ich mich in diesem Jahr noch einmal durch ihr Werk gucken – unchronologisch und nach Laune.

George Clooney mit Frances McDormand (c) Universum Home

Am Freitag stand daher „Burn After Reading“ auf dem Programm. Auch wenn der Film recht gemächlich startet, habe ich mich sehr gut amüsiert. Die Geschichte ist recht simpel: Der CIA-Analytiker Osborne Cox (John Malkovich) soll wegen seines Alkoholproblems versetzt werden und kündigt kurzerhand. Daraufhin hat seine Frau Katie (Tilda Swinton) Angst, er könne ihr auf der Tasche liegen. Und da sie ohnehin seit Jahren eine Affäre mit Harry Pfarrer (George Clooney) hat, bereitet sie sich auf eine mögliche Scheidung vor. Auf Anraten ihres Anwalts kopiert sie daher die privaten Daten ihres Mannes auf eine CD, darunter finden sich auch seine Memoiren. Diese CD finden nun die Angestellten eines Fitness-Studios, darunter der prollige Chad (Brad Pitt) und Lina Litzke (Frances McDormand), die vier Schönheitsoperationen durchführen lassen will. Dafür braucht sie Geld, also kommen Chad und Lina auf die glorreiche Idee, Osborne Cox zu erpressen. Schließlich scheinen die Daten auf der CD äußerst brisant zu sein …

Brad Pitt als Chad (c) Universum Home

In erster Linie unterhält „Burn After Reading“ dank der guten Schauspieler. Brad Pitt ist als hirnloser Erpresser großartig, über sein „Osbourne Cox“ habe ich sehr gelacht. Schon beim Schreiben haben die Coens nach eigenen Angaben an ihn gedacht. Das macht sich in vielen lustigen Details bemerkbar – beispielsweise erinnert sein Erpressername „Mr. Black“ an „Rendezvous mit Mr. Black“, obwohl er in „Burn After Reading“ alles andere als den Tod spielt. Auch George Clooney haben die Coens seine Rolle auf den Leib geschrieben. Er liefert als paranoider und flacher Herzensbrecher eine perfekte Selbstparodie auf seine oscargerkönte „Syriana“-Rolle und schließt mit „Burn After Reading“ seine – nach eigenen Worten – Idioten-Trilogie ab. Die weiteren Rollen sind ebenfalls hervorragend besetzt: Tilda Swinton ist noch unterkühlter als sonst, John Malkovich ist als diabolischer Ex-CIA-Agent schön böse und J.K. Simmons und David Rasche legen einen unvergesslichen Auftritt als aktive CIA-Agenten hin.

Joel und Ethan Coen spielen aber nicht nur mit den Images ihrer Schauspieler, sondern auch mit den typischen Elementen des Spionage- und Agententhrillers. Alleine schon Linas naive Idee, den Russen die CD anzubieten, sorgt für zahllose Lacher. Ohnehin funktioniert die CD mit den Memoiren wunderbar als MacGuffin. Daneben gibt es kleine Anspielungen auf die Bourne-Trilogie, die Filme von Tony Scott und natürlich Stanley Kubrick. So wohnt Harry Pfarrer in dem Haus mit der Nummer 114, die Zahl, die Kubrick in fast allen seinen Filmen verwendet. Beispielsweise heißt das Funkgerät in „Dr. Seltsam – Oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben“ CRM-114 und Alex erhält in „Uhrwerk Orange“ das „Experimental Serum 114“. Und weitere Bezüge gibt es zu den eigenen Filmen, allen voran „Fargo“. Diese Mischung und die vor allem im letzten Teil des Films geraffte Erzählweise macht „Burn After Reading“ sehr unterhaltsam. Deshalb ist „Burn After Reading“ ist sicherlich kein Meisterwerk, aber ein sehr amüsanter Film.

In diesem Sinn: „Report back to me when… it makes sense.”

Diesen Beitrag teilen

Gunnhild Oyehaug und Noomi Rapace – Die letzten Tage auf der Buchmesse

Nun ist sie vorbei, die Buchmesse in Leipzig. Schön war es ja – auch wenn es mir am Wochenende sehr voll vorgekommen ist. Nach dem österreichischen Freitag standen nun am Wochenende die Skandinavierinnen für mich im Vordergrund; genauer gesagt Gunnhild Øyehaug, Susanna Alakoski, Pernilla August und Noomi Rapace.

Gunnhild Oyehaug (links) auf der Leipziger Buchmesse (c) Sonja Hartl

„Ich wär gern wie ich bin“ heißt das Buch von Gunnhild Øyehaug, das ich bereits im September für das Frauenmagazin Ava rezensiert habe. Es ist ein sehr modernes, sehr filmisches Buch, in dem die norwegische Autorin hochspannende Frauenfiguren entwirft. Ohne Klischees und vor allem in einem herrlich unaufgeregten und ganz und gar nicht herablassenden Ton erzählt sie in ihrem Buch davon, wie schwierig es sein kann, einfach so zu sein, wie man ist. Bei der Vorstellung ihres Buches konnte ich nicht nur ein Eindruck von Gunnhild Øyehaug gewinnen, sondern darüber hinaus auch einiges über die norwegische Literaturszene erfahren. Beispielsweise spielen in Norwegen Buchclubs eine große Rolle bei dem Erfolg von Büchern, allerdings schreibt Gunnhild Øyehaug in Neu-Norwegisch, einer Sprache, die gegenüber dem Bokmål weitaus weniger verbreitet ist. (Laut Wikipedia wird Bokmål von 85 bis 90 Prozent der Norweger geschrieben) Daher werden Bücher in Neu-Norwegisch von den Buchclubs seltener eingekauft und setzen sich schwerer durch. In der deutschen Übersetzung stellt sich diese Frage nicht, und ich kann die Lektüre dieses kurzweiligen Buches nur empfehlen. Es spielt mit den Erzählebenen, mit literarischen und filmischen Zitaten, mit den Erwartungen des Lesers und ist dazu noch leicht und unterhaltsam. Und es passt so gut zum „Zeilenkino“, dass ich es in einem eigenen Beitrag noch einmal genauer vorstellen werde.

In diesem Blog sollen sich Film und Literatur treffen, welches in einer Literaturverfilmung nahezu idealtypisch vollzogen wird. Hier gab es während der Buchmesse in der Kinobar Prager Frühling eine Veranstaltungsreihe, die ich am Samstagnachmittag besuchte. Dort wurde das Buch „Svinalängorna“ (dt. „Schweinehäuser“) von Susanna Alakoski vorgestellt, das von Pernilla August verfilmt wurde. In dem Buch erzählt Susanna Alakoski von den Problemen einer finnischen Einwandererfamilie im Schweden der 1970er Jahre aus der Perspektive des Kindes Leena. Das Buch wurde u.a. 2006 mit dem Schwedischen Buchpreis ausgezeichnet und hat weltweit einige Resonanz hervorgerufen. Eine deutsche Übersetzung des Buches liegt bereits vor, allerdings gibt es noch keinen Verlag – was sich natürlich durch die Verfilmung ändern könnte. (Nachtrag: Mittlerweile ist das Buch in der edition fünf erschienen!)

Pernilla August hat „Svinalängorna“ („Bessere Zeiten”) im Jahr 2010 mit Noomi Rapace in der Hauptrolle verfilmt, und der Film war bereits auf einigen Festivals zu sehen. Unter anderem hat er in Venedig den Publikumspreis und beim Filmfest Hamburg den Foreign Press Award erhalten. „Beyond“ ist ein berührendes Drama, das die Geschichte der finnischen Familie rückblickend aus der Perspektive der erwachsenen Leena erzählt. Es geht um kulturelle Unterschiede und Vorurteile, aber auch um Armut, Gewalt in der Familie und eine von Abhängigkeiten geprägte Liebe. Nahezu nebenbei thematisiert Pernilla August darüber hinaus, wie sich Gewalt fortsetzen und das Leben eines Kindes noch im Erwachsenenalter bestimmen kann. Eindrucksvoll verkörpert wird die erwachsene Leena von Noomi Rapace, die für mich schon bei den Stieg-Larsson-Verfilmungen der einzige Grund zum Weitersehen war. Aber auch die Entscheidung von Pernilla August, im Vergleich zum Buch eine weitere Perspektive einzufügen, halte ich – ohne das Buch zu kennen – für klug. Denn gerade im Film ist eine kindliche Erzählhaltung oft allzu niedlich und naiv.

Alles in allem war dieser Nachmittag in der Kinobar Prager Frühling ein guter und für einen Blog namens Zeilenkino auch würdiger Abschluss der Leipziger Buchmesse. Nun freue ich mich schon auf Frankfurt – aber als nächstes Ereignis steht erst einmal das Frauenfilmfestival in Dortmund auf dem Programm …

Diesen Beitrag teilen