Schlagwort-Archive: Buch

„Extrem laut und unglaublich nah“ – Der Roman und der Film

(c) Kiepenheuer & Witsch

Der neunjährige Oskar Schell hat seinen Vater bei den Anschlägen auf das World Trade Center verloren und kann diesen Verlust nur schwer verarbeiten. Eines Tages findet er in den Sachen seines Vaters einen Schlüssel. Und er ist überzeugt, dass es seine Aufgabe ist, das passende Schloss zu entdecken. Sein Vater hat ihn schon immer auf Entdeckungstouren geschickt – beispielsweise sollte er in New York den verschwundenen sechsten Bezirk suchen. Verzweifelt klammert sich Oskar an den Gedanken, dass die Suche nach dem passenden Schloss eine letzte Aufgabe für ihn ist, und entdeckt tatsächlich einen weiteren Hinweis: Auf einem Zettel hat sein Vater den Namen Black notiert. Nun muss er nur noch alle 216 Adressen aufsuchen, die er zu den 472 Menschen mit dem Namen Black im Telefonbuch gefunden hat. Damit beginnt für ihn eine Reise, die gleichsam zu einem Verarbeitungsprozess seines Verlustes wird. Weiterlesen

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Die Entdeckung des Hugo Cabret – Brian Selznicks Buch und Martin Scorseses Film

(c) cbj

Kann ein Buch über den Zauber des Films besser sein als ein Film? Diese Frage habe ich mir beim Lesen von Brian Selznicks „Die Entdeckung des Hugo Cabret“ oft gestellt. Fraglos ist Martin Scorseses Verfilmung dieses Jugendbuches eine Hommage an das Kino und insbesondere an die frühen Filme von George Mélies. Dabei nutzt Scorsese seine 3D-Bilder für wunderbare Einstellungen und zieht einen schönen Bogen von der Entstehung visueller Effekte am Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Aber schon in meiner Kritik für spielfilm.de habe ich vor allem einen Punkt bemängelt: Bei aller technischen Perfektion dieses schön anzusehenden Films fehlt ihm das Herz.

Brian Selznick (c) David Serlin

Nun habe ich – mit Kenntnis des Films – das Buch von Brian Selznick gelesen. Er erzählt im Grunde die gleiche Geschichte: Der Junge Hugo Cabret lebt am Anfang der 1930er Jahre im Pariser Bahnhof. Sein Vater starb bei einem Brand in einem Museum, danach hat ihn sein versoffener Onkel aufgenommen, ist selbst aber bald verschwunden. Deshalb ist Hugo nun auf sich gestellt. Er sorgt dafür, dass die Uhren im Bahnhof richtig gehen, damit niemand das Verschwinden seines Onkels bemerkt und ihn entdeckt. Hauptsächlich will Hugo aber einen Automatenmenschen reparieren, in dem er eine Botschaft von seinem verstorbenen Vater vermutet.

Das Besondere an dem Buch ist die Erzählweise: Immer wieder wird der Text durch die schwarzweißen und atmosphärisch dichten Zeichnungen unterbrochen, die die Handlung dann weiter erzählen und einen spannenden Sog erzeugen. Es ist diese berückende Verbindung aus Text und Bild, die dem Buch seinen Zauber verleiht und die Faszination für erzählende Bilder deutlich macht.

Vom Buch zum Film Weiterlesen

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Blogparade – Rückblick auf die Bücher und Filme des Jahres 2011

Logo der Blogparade

Das Jahr ist fast vorbei – also wird es langsam Zeit für einen Rückblick auf die 102 Bücher und 133 Filme, die ich in diesem Jahr gelesen bzw. gesehen habe. Und dafür erscheint mir die Blogparade der Buchsaiten bestens geeignet. Sie wird bereits zum dritten Mal von meiner LovelyBooks-Bloggerkollegin Kathrin in ihrem Blog veranstaltet – und Ihr könnt auch noch bis zum 2. Januar teilnehmen.

Bei der Blogparade müssen vorgegeben Fragen rund um Bücher beantwortet werden – und ich habe diese Fragen einfach mal auch auf Filme angewandt. Also:

Welches war das Buch in diesem Jahr, von dem ich mir wenig versprochen habe, das mich dann aber positiv überrascht hat?

(c) Rowohlt

Ganz klar: „Alles was wir geben mussten“ von Kazuo Ishiguro. Das Buch hatte ich im Laden schon mehrfach in der Hand, konnte mich aber nie zum Kauf durchringen. Nun habe ich es anlässlich der gelungenen Verfilmung gelesen – und fand den Schreibstil sehr schön.

Außerdem hat mich auch „Im Clinch“ begeistert. Darin spricht Fatih Akin mit Volker Behrens und Michael Töteberg über sein Leben und seine Filme. Ich hatte nun kein schlechtes Buch erwartet, aber die Unverstelltheit und Authentizität des Gesprächs hat mich sehr überzeugt.

Welches war das Buch in diesem Jahr, von dem ich mir viel versprochen habe, das mich dann aber negativ überrascht hat? Weiterlesen

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„London Boulevard“ – Wenn Billy Wilder auf Ken Bruen trifft

Norma Desmond heißt die Hauptdarstellerin in „Sunset Boulevard“, jenem großartigen Film noir von Billy Wilder. Darin erzählt er die Geschichte einer alternden Schauspielerin, deren Karriere durch das Aufkommen des Tonfilms scheiterte – und die seither zurückgezogen mit ihrem Butler Max in einer Schweinwelt lebt. Durch einen Autounfall trifft der mittellose Drehbuchautor Joseph Gillis auf die alternde Diva und lässt sich fortan von ihr aushalten. Aber Joseph ist eigentlich in eine jüngere Frau verliebt und es kommt zu einem tragischen Ende. Warum ich das hier erzähle? Diese Geschichte ist die ganz und gar nicht verschleierte Folie zu Ken Bruens „London Boulevard“ – und sein Spiel mit diesen Versatzstücken ist ebenso offensichtlich wie unterhaltsam.

Bei Bruen bekommt der kleine Gauner Mitchell kurz nach seiner Haftentlassung das Angebot, an dem Haus der exzentrischen älteren Schauspielerin Lillian Palmer („mehrfach geliftete Ende sechzig“) Reparaturarbeiten durchzuführen. Zwei Welten prallen aufeinander: die Realität der Straße trifft auf die große Illusion, der toughe, authentische Mitchell auf die „niemals nicht auf der Bühne“ stehende Lillian. Mitchell will unbedingt ein neues Leben beginnen, Lillian will den Traum von einem Comeback nicht aufgeben. Dieses Zusammentreffen kann nur tödliche Folgen haben, bemerkenswert ist aber vor allem die Art und Weise, wie Bruen die Handlung inszeniert. Mit großem Vergnügen lassen sich alle wesentlichen Elemente des „Sunset Boulevard“ wiederfinden: das wertvolle Auto, die vom Butler geschriebenen Fanbriefe, das Präsentieren des jüngeren Geliebten und sogar der Selbstmord. Doch dazu gibt es in diesem gelungen Pastiche jede Menge noir-Elemente: Gewalt, Brutalität, den bösen Gangsterboss – und statt dezenter Andeutungen auf die sexuelle Beziehung explizite Sex-Szenen. Weiterlesen

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Trailer, Starttermin und Buchvorlage: Pernilla Augusts “Bessere Zeiten”

Am 8. Dezember startet der Film „Bessere Zeiten“ im Kino, den ich schon im Frühjahr im Rahmen der Leipziger Buchmesse sehen konnte. Regisseurin Pernilla August den Schweden sehr bekannten Roman „Svinalängorna“ (dt. „Schweinehäuser“) von Susanna Alakoski verfilmt, in dem die Autorin von den Problemen einer finnischen Einwanderfamilie im Schweden der 1970er Jahre aus der Perspektive des Kindes Leena erzählt. Das Buch ist mittlerweile auf deutsch unter dem Filmtitel „Bessere Zeit“ im Rahmen der edition fünf erschienen Für den Film hat Pernilla August die Perspektive dahingehend verändert, dass die Geschichte der Familie rückwirkend aus dem Blickwinkel der erwachsenen Leena erzählt (beeindruckend gespielt von Noomi Rapace).

Hier ein Blick auf den Film – noch im Original mit englischen Untertiteln:

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Neulich im Fernsehen – “Sherlock – Der blinde Banker”

Holmes und Watson © ARD Degeto/BBC/Hartswood Film

Sehr unterhaltsam war gestern Abend die zweite Folge der „Sherlock“-Reihe, die in der ARD zu sehen war. Nachdem die Hauptcharaktere Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch) und John Watson (Martin Freeman) im ersten Teil („Ein Fall von Pink“) eingeführt wurden, agieren sie in „Der blinde Banker“ schon routiniert miteinander. Watson kennt Holmes‘ Macken, ist ob ihrer Ausgeprägtheit dennoch überrascht und versteigt sich sogar in eine Imitation des Meisterdetektivs. Das Zusammenspiel von Cumberbatch und Freeman funktioniert wunderbar, es sorgt für Spannung und Komik – zumal beide Figuren ihr im ersten Teil angedeutetes Profil schärfen. Dabei hat mir besonders gefallen, dass vorhandende Eigenschaften weiter entwickelt und nicht weitere Fertigkeiten hinzugefügt wurden. In dem in der Folge untersuchten Fall ist Holmes‘ Kombinationsgabe besonders gefragt, also konzentrieren sich die Drehbuchautoren auf diesen Aspekt – und führen nahezu nebenbei seine Kampffähigkeiten ein. Auch die Eigenheiten der Beziehung von Holmes und Watson, die im ersten Teil angelegt wurden, werden erneut aufgegriffen, so wird Watson im Verlauf der Ermittlungen hungriger und müder, weil Essen und Schlaf für Holmes nicht wichtig sind. Und mir ist aufgefallen, dass ich mich an Benedict Cumberbatch in der Rolle des Sherlock Holmes schon sehr gewöhnt habe. Weiterlesen

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Ein Ereignis: Winter’s Bone

Nachdem ich bereits eine Kritik zu „Winter’s Bone“ und im Blog von LovelyBooks etwas über das Buch von Daniel Woodrell geschrieben habe, bleiben mir für mein Zeilenkino nur noch ein paar weitere Anmerkungen.

Ich habe „Winter’s Bone“ bereits Ende Januar gesehen und war mir sehr sicher, soeben einen der besten Filme des Jahres gesehen zu haben. Von der ersten Szene an hat er mich gepackt und noch heute erzähle ich mit Begeisterung von diesem Film. Er hat mir eine Seite der USA gezeigt, die ich so nicht kannte und die mein Bild über die USA und die amerikanische Bevölkerung dauerhaft verändert hat.

(c) Ascot Elite

Oftmals habe ich mich über die – fast schon sprichwörtliche – Ignoranz der amerikanischen Bevölkerung gegenüber vielen Themen gewundert. Wie kann beispielsweise eine kostenlose Krankenversicherung auf so wenig Widerhall stoßen? Aber nachdem ich diese Geschichte hier gesehen und gelesen habe, verstehe ich es. Diese Menschen führen ein Leben, in dem diese Aspekte keine Rolle spielen. Natürlich bin ich mir bewusst, dass Buch und Film fiktional sind. Aber ich glaube, sie vermitteln bessere Eindrücke als mancher Dokumentarfilm. Es ist kaum vorstellbar, dass Menschen in einer der reichsten Industrienationen der Welt in dieser Armut leben – und es ist fantastisch, mit welcher Selbstverständlichkeit Debra Garnik diese Wirklichkeit zeigt und Daniel Woodrell von ihr erzählt.


Das Buch “Winters Knochen” von Daniel Woodrell ist im Liebeskind Verlag erschienen. Der Film “Winter’s Bone” läuft am 31. März in den Kinos an.

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