Louis Begley (c) Jerry Bauer
Vor ungefähr fünf Jahren habe ich „Ehrensachen“ von Louis Begley gelesen, ein Buch über die Freundschaft dreier junger Männer in Harvard der 1950er Jahre: Sam und Archie stammen aus reichen Elternhäusern, während ihr Zimmergenosse Henry rothaarig, schlecht angezogen und zudem jüdisch ist. In einer Zeit, in der Herkunft alles ist, will Henry Zugang zu der Welt von Sam und Archie, er will Zugang zum amerikanischen Traum. Beim Lesen entwickelte dieses Buch einen eigentümlichen Sog, dem ich mich kaum entziehen konnte. Dennoch las ich es immer nur zwischendurch und kam nur sehr langsam voran, merkte aber, wie es eindringlich es war.
(c) Suhrkamp
Dennoch folgte auf „Ehrensachen“ eine jahrelange Pause meiner Begley-Lektüre, so dass ich erst jetzt für einen Beitrag über US-Literatur, die im Herbst hierzulande neu erscheint, abermals auf ihn und sein aktuelles Buch „Erinnerungen an eine Ehe“ traf. Wieder faszinierte er mich mit seiner kleinen Geschichte über eine unglückliche Ehe, die zu einer bitterbösen Analyse des amerikanischen Traums führt. Zwischenzeitlich kann ich besser benennen, warum mich Louis Begley fasziniert: Es ist sein kühler, sezierender Blick, es ist die Gnadenlosigkeit seiner Figuren, zu denen der Erzähler und auch der Autor dennoch so viel Zuneigung hegt.
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Am deutlichsten wird es wohl bei „Schmidt“, jenem Buch, das hierzulande vor allem durch die Verfilmung mit Jack Nicholson bekannt ist und mich in den Urlaub begleitete. Begleys Schmidt ist der frühpensionierte, einst hoch angesehene und wohlhabende New Yorker Anwalt Albert Schmidt, der von dem frühen Tod seiner Frau aus der Bahn geworfen wird. Immerhin hatte er sich doch ihretwegen früher zur Ruhe gesetzt. Nun offenbart ihm auch noch seine Tochter Charlotte, dass sie heiraten werde – und zwar ausgerechnet Schmidts Kanzleikollegen Jon Riker. Zusehends flüchtet sich Schmidt in Einsamkeit und Verbitterung, einzig die junge puertoricanische Kellnerin Carrie scheint seine harte Schale zu durchbrechen. Wahrlich ist Schmidt kein angenehmer Zeitgenosse, aber Louis Begley begleitet ihn mit so viel Zuneigung, dass ich ihn unweigerlich ins Herz geschlossen habe. Und fast nebenbei liefert Louis Begley noch eine vielschichtige Analyse der Gesellschaft ohne in Geschwätzigkeit zu verfallen.
Es ist diese klare Sprache, die kühle Analyse und die erzählerische Leichtigkeit, die ich an Louis Begley schätze. Im Gegensatz zu vielen Kollegen braucht er keine Vollständigkeit, keine bis ins letzte Detail auserzählte Geschichte. Vielmehr setzt er auf kleinere Leerstellen, die Deutung erlauben. Vor allem aber ist er ein Erzähler mit einem gnadenlos scharfen Blick für Lebenslügen und Selbsttäuschungen – schlichtweg ein großartiger Schriftsteller.
(c) Suhrkamp
Louis Begley: Ehrensachen. Übersetzt von Christa Krüger. Suhrkamp 2008.
Louis Begley: Schmidt. Übersetzt von Christa Krüger. Suhrkamp 1999.
Louis Begley: Erinnerungen an eine Ehe. Übersetzt von Christa Krüger. Suhrkamp 2013.