Über die Serie “Rivals”

Auf meiner immerwährenden Suche nach Unterhaltung, die in dem für mich genau richtigen Maß ablenkt, habe ich „Rivals“ auf Disney+ gesehen. Mit den ersten Folgen hatte ich viel Spaß: Hemmungslose 1980er-Jahre-Frisuren! Blauer Lidschatten. Schnurbärte. 1980er-Jahre-Musik! Eine so weit ab von der Realität abgerückte Handlung! Jedoch ist es genau dieses Verhältnis zwischen Realität und Fiktion, die mich über diese Serie nachdenken lässt.

„Rivals“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Dame Jilly Cooper – von dem ich vorher noch nie gehört hatte. „Rivals“ ist der zweite Teil der sogenannten Rutshire Chronicles, benannt nach dem fiktionalen Landstrich Rutshire im Südwesten Englands. Diese Reihe war in den 1980er Jahren in Großbritannien sehr, sehr erfolgreich, wurde aber nicht ins Deutsche übersetz. Alle Teile spielen in der englischen Upper Class und sind sogenannte „Bonkbuster“. Ein Label, zusammengesetzt aus „bonking“ und Blockbuster. Bonkbuster wurden in jenen Jahren vor allem von Autorinnen geschrieben und war sehr erfolgreich, sind aber ein wenig aus dem popkulturellen Bewusstsein verbunden. Es sind Romane, in denen es seeehr viel Sex und ziemlich übertriebene Plots gibt.

So auch in „Rivals“: Lord Tony Baddingham ist ein Emporkömmling. Sein Vater ist irgendwann reich geworden, dadurch ist Tony Teil der Upper Class geworden, hat gut geheiratet und betreibt nun einen privaten Fernsehkanal in Rutshire. Dort wohnt auch Rupert Campball-Black, ehemaliger olympischer Springreiter, mittlerweile Tory-Abgeordneter, der aus einer alteingesessenen Familie stammt und deshalb priviliegiert aufgewachsen ist. Er hat alle Privatschulkontakte, die Baddingham gerne hätte. Anfangs verbringt er seine Zeit aber vor allem damit, Sex mit Frauen zu haben. Dazu kommen in der Serie noch allerhand andere Figuren, die alle in Rutshire leben. Es sind vor allem reiche Menschen, die sich vor allem mit Klatsch und Sex die Zeit vertreiben – und zwar vornehmlich nicht mit den eigenen Ehepartner*innen. Interessant ist, dass es auch in der Serienadaption viele Sex-Szenen gibt. Zwei Dinge fallen da auf: Es gibt keine der derzeit popkulturell so populären Varianten von BDSM, sondern vor allem heterosexuelle Vögelei. Und es gibt zwar einige Brüste, sonst aber gar nicht so viel zu sehen. Die Serie läuft eben bei Disney+.

Die Handlung ist absolut lächerlich und vorhersehbar, genau das hatte ich erwartet, aber: Ausstattung und Schauspiel sind gut. An vielen Aspekten erkennt man, dass die Vorlage aus den 1980er Jahren ist – obwohl laut einigen Interviews mit Jilly Cooper so manches geändert wurde. Die Serie setzt einfach voraus, dass die Zuschauer*innen auf der Seite des egoistischen Frauenheldes Rupert Cambell-Black sind, der sich charmant glaubt, tatsächlich aber ein Mistkerl ist. Das hält ihm vor allem Taggie O’Hara vor, die Tochter des Fernsehjournalisten Declan, der mitsamt Familie nach Rutshire gezogen ist. Das ist die zentrale Liebesgeschichte – wir kennen sie: ein rücksichtsloser, reicher, ältere Mann wird durch die Liebe einer jungen Frau „geheilt“. Im Roman, den ich nicht gelesen habe, ist Taggie wohl 18 Jahre. In der Serie immerhin 20 Jahre alt. Also weiterhin jung genug, um Ruperts Tochter zu sein, allerdings klingt 20 dann doch erwachsener als 18 – und sie von Bella MacLean gespielt, die Mitte 20 ist. Das macht optisch einen Unterschied, weiterhin aber ist sie vor allem durch die unschuldige, traditionelle Weiblichkeit anziehend: Sie kocht und backt gerne, kümmert sich um Menschen, schmeißt den familiären Haushalt und ist einfache eine sehr nette anständige Person.

Glücklicherweise nimmt diese Liebesgeschichte in der Serie nicht so viel Raum ein – wobei schon lustig zu sehen ist, wie viele „zufällige“ Zusammentreffen so ein Drehbuch hinbekommt. Durch die vielen Figuren gibt es aber allerhand andere Formen von Beziehungen und vor allem Frauen, die sich alle in gewisser Weise an die weiblichen Ideale jener Jahre halten, aber auch dessen Repressionen merken und teilweise dagegen aufbegehren. Jedoch ist es eine zutiefst konservative Welt, die hier gezeigt wird: Thatcher wird überwiegend verehrt. Homosexualität hingenommen, solange sie heimlich bleibt. Zwar blendet die Serie weder Klassismus noch Sexismus oder Rassismus aus – die Fernsehproduzentin Cameron Cook (Nafessa Williams), die Baddingham aus den USA nach England holt, ist – und hierin besteht wohl die größte Abweichung zum Roman – eine Schwarze Frau. Sogar AIDS wird kurz erwähnt, Thatchers Section 28 genannt. Aber es wirkt wie Teil des Zeitkolorits. Alles kommt nur wohl dosiert vor, um das Wohlgefühl nicht zu stören.

Es ist eine Krux: Genau so eine Art von Wohlgefühl habe ich sicherlich gesucht – aber im Verlauf der acht Folgen habe ich stattdessen ein immer stärkeres ungutes Gefühl bekommen. Ja, das ist eine soapige Serie, die offensichtlich „nur“ unterhalten will. Sie will Eskapismus bieten, wie gerade so viele Retro-Bücher, -Serien, Filme. Aber es gibt keine unschuldige Unterhaltung. Sogar die kommerziellsten, poppigsten Produkte prägen unsere Weltsicht. Und „Rivals“ entwirft hier ein Bild der 1980er Jahre, das weitgehend aus Spaß besteht. Und damit bedient diese Serie eine zutiefst konservative Sehnsucht nach einer Zeit, in der angeblich alles in Ordnung war –es aber ganz bestimmt nicht war. Weit überwiegend sind die Probleme hier persönlich. Sie lassen sich mit einem Scheck oder Verleugnung lösen. Alle haben Spaß. Tatsächlich waren die 1980er Jahre ein unfassbar konservatives Jahrzehnt. Thatcher, Reagan, Kohl haben Kapitalismus und Neoliberalismus endgültig fest verankert und gesellschaftliche Reformbewegungen zurückgedrängt. Meiner Meinung nach liegen in den 1980er Jahren die Grundlagen der Welt, die wir heute haben – und sie ist ganz bestimmt nicht in Ordnung. Nur in einem ist „Rivals“ dann doch sehr aktuell: Überwiegend haben die Frauen genauso viel Spaß am Sex wie die Männer. Aber nicht immer – es gibt Gelegenheiten, in denen der Sex alles anderes als einvernehmlich ist. Schreckliche Menschen, die reich und/oder einflussreich sind, kommen mit schrecklichen Dingen davon. Und das hat sich nun wirklich nicht geändert.

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