Linksammlung 01/2025

Zwar habe ich mich weitgehend von Social Media verabschiedet, aber weiterhin glaube ich an das Prinzip „sharing is caring“ und deshalb habe ich mir vorgenommen, hier regelmäßig Links zu posten. Wie Form und Frequenz aussehen, weiß ich noch nicht genau. Aber ich lege einfach mal los.

„Werde die eheliche Vergewaltigung kriminalisiert, könnten Ehefrauen diese Regelung missbrauchen, um sich eine Abtreibung zu erschleichen. Denn der § 218 kannte die sogenannte kriminologische Indikation, die es Schwangeren erlaubte, einen Abbruch vornehmen zu lassen, wenn die Schwangerschaft Produkt einer Vergewaltigung war.“

Catherine Davies über die Abstimmung zur Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe 1997, gegen die Friedrich Merz damals gestimmt hat. Zeigt auch sehr schön, dass damals noch nicht Partei- bzw. Fraktionsdisziplin über alles gestellt hat – und wie wirkungsvoll es sein kann, an Politiker*innen zu schreiben. Weiterlesen

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Über „The Trap“ von Catherine Ryan Howard

Lucy O’Sullivan ist verzweifelt: Seit 440 Tagen ist ihre Schwester Nikki verschwunden. Sie weiß nicht, wo sie ist. Ob sie noch lebt. Was ihr passiert. Sie war einfach weg: Gerade noch hat eine Überwachungskamera sie beim Verlassen eines Pubs gezeigt, in dem sie mit ihren Freundinnen war. Danach verliert sich jede Spur von ihr. Lucys eigenes Leben steht seither auf Pause. Sie muss wissen, was Nikki passiert ist. Deshalb irrt Lucy fast jede Nacht umher – und versucht herauszufinden, was mit ihrer Schwester geschehen ist.

Lucy ist überzeugt: Auf die Polizei kann sie sich bei der Suche nicht verlassen. Auch auf die Medien nicht. Denn Nikki entspricht nicht dem Typ Frau, dem Aufmerksamkeit gegeben wird. Sie ist – vereinfacht gesagt – nicht unschuldig genug. Tatsächlich setzt eine breite Ermittlung erst ein, als die blonde, strahlende Teenagerin Jennifer Gold(!) verschwindet. Sie ist noch unschuldig genug, um anzunehmen, sie habe ihr Verschwinden nicht in irgendeiner Weise provoziert. Dass ihr Onkel zudem Beziehungen zur Garda hat, schadet auch nicht: Eine Taskforce wird eingesetzt. Fortan wird Jennifers Verschwinden zusammen mit Nikkis Verschwinden und das einer weiteren Frau untersucht. Aber auch die Task Force kommt nur langsam voran. Weiterlesen

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It won’t happen again – David Lynch (1946–2025)

Am 10. September 1991 hat sich mein Leben für immer verändert: Freitagabend, ich saß auf dem Sofa im Wohnzimmer meiner Eltern, hatte mir erkämpft, dass RTLplus laufen darf. Denn ich erwartete den Start einer neuen Krimiserie(sic!), über die ich in der Programmzeitschrift gelesen habe, die ich zu dieser Zeit stets sorgfältigst studiert habe. Dann ging es los: einige Töne, ein Vogel auf einem Baum. Ich war vom ersten Moment an gefangen: diese Klänge, diese Bilder, diese Schauspieler*innen und dieses Etwas, was ich nicht greifen, nicht benennen konnte. Eine Serie, die mich fasziniert, ein bisschen verstört, mir Angst macht. Die Szene, in der Leo ein Stück Seife in eine Socke steckt, diese Socke schwingt und auf seine Frau Shelly losgeht, hat mir wochenlang Alpträume beschert.

Im Rückblick erstaunt mich, dass es von all den unheimlichen Szenen in „Twin Peaks“ diese Alltagsgewalt ist, die mir am meisten Probleme gemacht hat. Wahrscheinlich aber liegt es daran, dass mir „Twin Peaks“ damals mit 14 Jahren eine Welt eröffnet hat, die mich bis heute fasziniert: eine Welt des grotesken Unterbewussten, des faszinierenden Unheimlichen. Viele Jahre später war ich in Brühl in einer Ausstellung der Bilder von David Lynch. Und sie hatten denselben Effekt auf mich, den ich nun besser verstand: Das Unheimliche des David Lynch beunruhigt mich nicht. Es drückt etwas aus, was ich schon damals empfand und weiterhin empfinde.

Anfang der 1990er Jahre tat ich, was ich bis heute tue, wenn ich etwas verstehen will: Ich begann zu lesen. Nicht nur Laura Palmers geheimes Tagebuch, sondern Bücher, Artikel über David Lynch, über die Filme, die er referenziert. Ich begab mich auf die Suche nach David Lynchs Filmen, begriff allmählich, dass das etwas ist, was ich machen könnte, was ich studieren könnte. So war es immer: Ich wollte Filme verstehen. Niemals machen.

Tatsächlich kamen mir dann „Lost Highway“ und „Mulholland Drive“ einige Male im Medienwissenschaftsstudium unter. Bis heute denke ich bei Chris Isaaks „Wicked Game“ an eine nächtliche Asphaltstraße, sehe Naomi Watts in einem Theater vor mir. Als schließlich 2017 die dritte Staffel von „Twin Peaks“ lief, hatte ich ein wenig Angst. Ich war keine 14 Jahre mehr, ich schaute weniger naiv – mein Blick auf Filme, auf Serien hat sich grundsätzlich gewandelt. Umso größer war meine Erleichterung, dass die Faszination noch da ist. Sicherlich sehe ich heute viel deutlich, dass es in David Lynchs Welt vor allem weiße Menschen gibt, dass sein Frauenbild nicht unproblematisch ist. Aber immerhin verheimlicht er es nicht.

Noch heute läuft für mich bei jedem weißen Gartenzaun leise „Blue Velvet“ im Hintergrund. Ist das erste Gesicht, an das ich beim Schreiben über tote Mädchen denke, das der toten Laura Palmer. Ohne „Twin Peaks“, ohne David Lynch wäre mein Leben sehr wahrscheinlich anders verlaufen. So: Farewell!

Über die dritte Staffel von „Twin Peaks“ habe ich damals bei Kino-Zeit über die ersten zehn Folgen und im CrimeMag über die ersten 13 Folgen und schließlich die gesamte Staffel geschrieben.

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Über die Serie “Rivals”

Auf meiner immerwährenden Suche nach Unterhaltung, die in dem für mich genau richtigen Maß ablenkt, habe ich „Rivals“ auf Disney+ gesehen. Mit den ersten Folgen hatte ich viel Spaß: Hemmungslose 1980er-Jahre-Frisuren! Blauer Lidschatten. Schnurbärte. 1980er-Jahre-Musik! Eine so weit ab von der Realität abgerückte Handlung! Jedoch ist es genau dieses Verhältnis zwischen Realität und Fiktion, die mich über diese Serie nachdenken lässt.

„Rivals“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Dame Jilly Cooper – von dem ich vorher noch nie gehört hatte. „Rivals“ ist der zweite Teil der sogenannten Rutshire Chronicles, benannt nach dem fiktionalen Landstrich Rutshire im Südwesten Englands. Diese Reihe war in den 1980er Jahren in Großbritannien sehr, sehr erfolgreich, wurde aber nicht ins Deutsche übersetz. Alle Teile spielen in der englischen Upper Class und sind sogenannte „Bonkbuster“. Ein Label, zusammengesetzt aus „bonking“ und Blockbuster. Bonkbuster wurden in jenen Jahren vor allem von Autorinnen geschrieben und war sehr erfolgreich, sind aber ein wenig aus dem popkulturellen Bewusstsein verbunden. Es sind Romane, in denen es seeehr viel Sex und ziemlich übertriebene Plots gibt.

So auch in „Rivals“: Lord Tony Baddingham ist ein Emporkömmling. Sein Vater ist irgendwann reich geworden, dadurch ist Tony Teil der Upper Class geworden, hat gut geheiratet und betreibt nun einen privaten Fernsehkanal in Rutshire. Dort wohnt auch Rupert Campball-Black, ehemaliger olympischer Springreiter, mittlerweile Tory-Abgeordneter, der aus einer alteingesessenen Familie stammt und deshalb priviliegiert aufgewachsen ist. Er hat alle Privatschulkontakte, die Baddingham gerne hätte. Anfangs verbringt er seine Zeit aber vor allem damit, Sex mit Frauen zu haben. Dazu kommen in der Serie noch allerhand andere Figuren, die alle in Rutshire leben. Es sind vor allem reiche Menschen, die sich vor allem mit Klatsch und Sex die Zeit vertreiben – und zwar vornehmlich nicht mit den eigenen Ehepartner*innen. Interessant ist, dass es auch in der Serienadaption viele Sex-Szenen gibt. Zwei Dinge fallen da auf: Es gibt keine der derzeit popkulturell so populären Varianten von BDSM, sondern vor allem heterosexuelle Vögelei. Und es gibt zwar einige Brüste, sonst aber gar nicht so viel zu sehen. Die Serie läuft eben bei Disney+.

Die Handlung ist absolut lächerlich und vorhersehbar, genau das hatte ich erwartet, aber: Ausstattung und Schauspiel sind gut. Weiterlesen

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Trotzdem Tatort?

Vor drei Wochen habe ich entschieden, dass ich fortan mal wieder „Tatort“ gucken werde. Ich hatte vor einigen Jahren eine ausgeprägte „Tatort“-Phase, die ließ irgendwann nach, zuletzt guckte ich höchsten noch die Tukur-Murot-Folgen. Aber seit drei Wochen bin ich sonntagsabends dabei: „Ad Acta“ (Freiburg) war langweilig. Bei „Es grünt so grün, wenn Frankfurts Berge blüh’n“ (Frankfurt) haben mich die letzte Einstellung und einige gewollt-prätentiös-überzogenen Bilder halbwegs darüber hinwegtrösten können, dass den Drehbuchautoren offenbar entgangen ist, dass eine Folge in einer Krimireihe vielleicht auch so etwas wie einen Hauch Spannung plus Kriminalfall haben sollte. Und seit gestern („Trotzdem“; Franken) frage ich mich, ob das vielleicht ein Trend beim Tatort ist: Der Kriminalfall als notwendiges Pflichtelement, das mit so wenig Zeit wie nötig abgehandelt wird.

Bild: BR/Hager Moss Film GmbH/Bernd Schuller

Die Geschichte ist simpel: Ein Mann sitzt wegen einer Tat im Gefängnis, die er nicht begangen hat – und stirbt dort. Seine Schwestern suchen daraufhin den Mann auf, der die Tat eigentlich begangen hat, und schubsen ihn vom Balkon. Daraufhin will der Vater dieses Mannes sich an den Schwestern rächen – und beauftragt einen alten Freund, der wie er einst im Gefängnis saß. Ein Rachedrama also, sogar sorgfältig gedoppelt: die Schwestern wollen Rache, der Vater will Rache, und Rache, dass wissen wir, führt nur selten zu etwas Gutem, sondern vor allem zu viel Gewalt. Auch steht es offenbar nicht gut um die Resozialisierung, selbst nach Jahrzehnten der Wiedereingliederung.

Vielmehr wird aus dem Fall nicht gemacht. Obwohl es viele interessante Fragen gibt: Ein Brief am Anfang deutet daraufhin, dass sich der Bruder im Gefängnis umgebracht hat, warum wird nicht untersucht, wie das möglich ist? Die Schwestern haben sich jahrelang für eine Wiederaufnahme eingesetzt, woran ist sie gescheitert? Warum schaut sich die Polizei den Fall nun neu an? Und warum ruft der Polizeipräsident erst an, wenn ein reicher Unternehmer – der Vater des zweiten Opfers – in den Fall verwickelt ist? Wie ist eigentlich das Opfer der ersten Tat – der Ursprungstat sozusagen – gestorben? Welches Motiv gab es da, einfach nur Eifersucht, weil sie in einem Jahr Beziehungen mit verschiedenen Männern hatte? Und steckt darin nicht ein hochinteressanter Fall? Warum wählen drei Unternehmersöhne, die offenbar sehr privilegiert aufgewachsen sind, Gewalt als Ausweg?

In der Inszenierung bleiben ähnlich viele Fragen: Warum zieht sich Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) am Ende aus? Ist es nur die Symbolik à la ‚wer nackt ist, kann keine Waffen tragen‘? Und warum singt sie „The Sound of Silence“? (Hier hoffe ich, es gibt eine Begründung innerhalb der Reihe, die ich nicht kenne.) Warum werden die gestelzten Drehbuchsätze so oft geflüstert? Das zieht sich durch die drei Tatorte, die ich bisher gesehen habe: Da werden Sätze, die nur nach Drehbuch klingen, so gesprochen, dass sie nach Drehbuch klingen. Dagegen können auch Lina Beckmann (diese Woche) oder Matthias Brandt (vorige Woche) nur wenig ausrichten. Zudem waren alle drei Folgen eher langsam inszeniert – und zumindest die letzten beiden mit bewusstem Einsatz künstlerischer Stilmittel. Ist das ein Trend: Künstlichkeit als Stilprinzip? Oder Zufall?

Vier Folgen gebe ich meinem Vorhaben noch. Danach werde ich überlegen, ob ich auf diese Weise wirklich meine Zeit verbringen will.

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Über den Film “Goodbye Julia”

„Goodbye Julia“ ist der erste Film aus dem Sudan, der bei den Filmfestspielen in Cannes gelaufen ist. Dort er 2023 den Freedom Preis in der Sektion „Un Certain Regard“ gewonnen. Und nun ist er in einigen deutschen Kinos zu sehen.

Mit wenigen Bildern etabliert Regisseur Mohamed Kordofani in „Goodbye Julia“ die Situation im Sudan 2005: Mona (Eiman Yousif) hat ihrem Ehemann Akram (Nazar Goma) das Frühstück zubereitet und sitzt mit ihm am Tisch, als von draußen Geräusche in die Ruhe des Hauses hineindringen. Wütende Demonstranten ziehen durch die Straßen von Karthum. Mona schaltet den Fernseher ein, es kommt die Meldung, dass der Vize-Präsident des Landes – John Garang – bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen ist. Garang war Mitgründer der Sudan People’s Liberation Army, im Januar 2005 hat die SPLM das Naivasha-Abkommen mit der sudanesischen Regierung geschlossen, mit dem der 21-jährige Bürgerkrieg im Südsudan beendet wurde. Es gewährte dem Südsudan Autonomie innerhalb des Sudans und war Grundlage das Unabhängigkeitsreferendums im Südsudan 2011. Der Tod Garangs bedroht diesen erst seit wenigen Monaten bestehenden fragilen Waffenstillstand – und Akram, ein muslimischer Nordsudanese, fühlt sich von den südsudanesischen Demonstranten bedroht, er agiert voller Angst, herrscht seine Frau an, sie solle bloß in der Wohnung bleiben.

Mona aber fühlt sich eingeengt in der Wohnung, in der Ehe. Früher war sie eine Sängerin, ihrem Ehemann zuliebe hat sie aufgehört, heimlich besucht sie weiterhin Konzerte, singt in ihrem Auto. Auf dem Rückweg von einem dieser Ausflüge wird sie abgelenkt, verursacht einen Unfall und fährt den fünfjährigen Danny an. Voller Panik verlässt sie den Unfallort. Aber Dannys Vater Santiago (Paulino Victor Bol) hat den Unfall mitbekommen, er verfolgt sie mit seinem Motorrad bis zu ihrem Haus. Dort will er sie zur Rede stellen. Aber Akram glaubt, dieser Mann aus dem Südsudan bedroht seine Ehefrau und erschießt ihn. Weiterlesen

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