Schlagwort-Archive: Serienkiller

Von Serienmördern erzählen – Oates und Lee

Detroit, 1976/77. Ein Serienmörder ermordet junge weiße Kinder, in der Regel Jungs, und stellt ihre nackten, gewaschenen Körper zur Schau. Die Presse hat ihm den Namen „Babysitter“ gegeben. Er wird nie gefasst.

New York, 1976/77. Ein Serienmörder ermordet in der Bronx und in Queens heterosexuelle Liebespaare in ihrem Auto. Die Presse gibt ihm erst den Namen „44 Caliber Killer“ – wegen der Waffe, die er bevorzugt benutzt. Später dann beginnt er, Briefe an die Polizei und Zeitungen zu schreiben, die er mit „Son of Sam“ unterzeichnet. Im August 1977 wird David Berkowitz verhaftet: Ein Parkticket hat die Polizei auf seine Spur gebracht.

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Zwei Serienmörder, die ungefähr zur selben Zeit morden. Beide haben Ende der 1970er Jahre in Detroit und New York für Angst, Panik und Paranoia gesorgt. Von den Folgen dieser Atmosphäre in Detroit erzählt Joyce Carol Oates in ihrem gerade erschienenen Roman „Babysitter“ – und 1999 hat Spike Lee in seinem Film „Summer of Sam“ von dieser Zeit in New York erzählt. Weiterlesen

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Krimi-Kritik: „Meine Schwester, die Serienmörderin“ von Oyinkan Braithwaite

(c) Blumenbar

„Ayoola ruft mich mit diesen Worten herbei: Korede, ich habe ihn umgebracht. Ich hatte gehofft, diese Worte nie wieder zu hören“. Aus diesen zwei Sätzen besteht das erste Kapitel in „Meine Schwester, die Serienmörderin“ von Oyinkan Braithwaite – und das ist ein wahrlich grandioser Ausgangspunkt. Im zweiten Kapitel ist Korede dann schon bei ihrer Schwester und hilft ihr, eine Leiche verschwinden zu lassen sowie den Tatort gründlich zu reinigen. Damit wird auch Koredes Dilemma klar: Ihre wunderhübsche, verführerische Schwester Ayoola ist, wie der Titel bereits klar macht, eine Serienmörderin. Drei Männer hat sie nun ermordet – und ab drei Morden gilt man offiziell als Serientäterin. Korede hilft ihr aus schwesterlicher Verbundenheit bei der Beseitigung der Folgen ihrer Taten, weiß aber gleichzeitig, dass Ayoola vermutlich nicht mit dem Morden aufhören wird. Es ist ein wiederholendes Muster: Ayoola lernt einen Mann kennen, alles ist gut, dann macht er etwas, was ihr nicht gefällt und er ist tot. Das ist eine große Last an Wissen, die Korede zu tragen hat und sie vertraut sich lediglich einem Langzeit-Komapatienten in dem Krankenhaus, in dem sie arbeitet, an. Doch dann verliebt sich Koredes Schwarm, der Arzt Tade, in ihre Schwester. Und Korede will verhindern, dass er umgebracht wird.

Mit viel Witz und bösen Spitzen erzählt die 1988 geborene Braithwaite eine anfangs originelle Kriminalgeschichte, in der viel über Frauenfeindlichkeit in Nigeria zu erfahren ist. Die Schwestern stehen gewissermaßen für zwei Frauentypen: die verführerische, wunderschöne Ayoola, die mit verwöhnt-kindischem Verhalten durchkommt, weil sie eben gut aussieht und Männer das dann reizend finden. Und die pragmatische Korede, die resolut, verlässlich und klug ist – und sogar kochen kann. Leider verlässt sie ausgerechnet bei Tade ihr Scharfsinn, als Karikatur eines wohlmeindenden Mannes, der gewohnt ist, dass Frauen ihn, den Arzt!, anhimmeln, ist er sehr witzig. Sobald allerdings etabliert ist, dass er vermutlich das nächste Opfer werden könnte, geht der Geschichte ein wenig die Luft aus, so dass sie fast zwangsläufig in einem angesichts des originellen Anfangs schwachen Finale mündet. Allerdings ist „Meine Schwester, die Serienmörderin“ ein witziges Debüt – und daber bleibt zu hoffen, dass Braithwaite in ihrem nächsten Roman bis zum Ende einlöst, was sie hier verspricht.

Oyinkan Braithwaite: Meine Schwester, die Serienmörderin. Aus dem Englischen von Yasemin Dinçer. Blumenbar 2000.

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Krimi-Kritik: „Hades“ von Candice Fox

Manche Bücher sind ein Höllenschlund, der sich öffnet und einen hineinzieht. Teilweise sogar mit so viel Raffinesse, dass man es beim Lesen gar nicht sofort bemerkt, sondern erst, wenn man das Buch ausgelesen und zugeklappt hat.

(c) Suhrkamp

(c) Suhrkamp

„Hades“ beginnt mit einem finster-guten Kapitel, in dem Hades – Herrscher über die Müllkippe und der Mann, an den man sich wendet, wenn man etwas verschwinden lassen will – ein Bündel erhält, in dem eine Kinderleiche zu stecken scheint. Danach wechseln Zeit und Perspektive: „Als ich Eden Archer das erste Mal erblickte, hielt ich mich für einen glücklichen Menschen“, erzählt Cop Frank Bennett, der gerade seiner neuen Partnerin bei der Mordkommission begegnet ist. Bald lernt er ihren Bruder Eric kennen, der dort ebenfalls arbeitet und eindeutig das Sagen auf dem Revier hat. Alle kuschen vor ihm. Aber Frank setzt sich tapfer zur Wehr, versucht Eden besser kennenzulernen, denn immerhin ist sie hübsch und seine Partnerin. Er ist ein hardboiled-Erzähler, der aber schon bald merkt, dass Eden – wie man so schön sagt – nicht seine Liga ist, ohne zu ahnen, wie weit entfernt sie von ihm ist. Oder auch nicht. Denn Candice Fox versteht es, mit Genreregeln zu spielen, sie genau so weit zu treiben, dass sowohl Kenntnis als auch Distanz zu spüren ist. Daher ist Eden nicht einfach unerreichbar, sondern sie lebt nach eigenen Regeln und einer eigenen Moral. Weiterlesen

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Ein Serienkiller auf Zeitreise – „Die Eleganz des Tötens“ von A. K. Benedict

Ein zeitreisender Serienkiller ist eine Idee, die mir bereits in Lauren Beukes „Shining Girls“ gut gefallen hat. Sie entwickelt diese Geschichte hauptsächlich aus zwei Perspektiven: der jungen Frau Kvirby, die einen Angriff überlebte und ihn seither jagt, und dem Täter selbst, der durch die Jahrzehnte springt, sich seine Opfer bereits als Kinder aussucht und erst Jahre später ermordet. Als Vehikel seiner Zeitreisen dient ihm ein mysteriöses Haus – und während mir diese Erklärung völlig ausreichte, wurde u.a. von My Crime Time kritisiert, dass das Zeitreisen nicht genügend erklärt wurde. Als ich nun in der Verlagsankündigung von DroemerKnaur A.K. Benedicts „Die Eleganz des Tötens“ entdeckte, war ich sofort neugierig: Wie würde sie ihr Buch aufbauen – und wie würde sie mit dem Aspekt des Zeitreisens umgehen?

(c) Droemer

(c) Droemer

Sowohl die Handlung als auch die Erzählweise unterscheiden sich sehr von Lauren Beukes: Alleinige Hauptfigur in „Die Eleganz des Tötens“ ist der frischgebackene Philosophiedozent Stephen Killigan, der gerade in Cambridge angefangen hat. Er hat eine Sammelleidenschaft, ist leicht zerstreut und seit dem Selbstmord seiner Mutter traumatisiert. Eines Abends entdeckt er im betrunkenen Zustand die Leiche einer seit einem Jahr vermissten Schönheitskönigin und verständigt die Polizei. Als sie jedoch am Tatort eintrifft, fehlt von der Leiche jegliche Spur. Daraufhin gerät er selbst ins Visier der Ermittlungen, zugleich aber interessiert sich plötzlich sein Kollege Robert Sachs für ihn. Durch ihn erfährt er mehr über eine Maske, die die Tote getragen hat, außerdem forscht er mithilfe der hübschen Bibliothekarin Lana weiter nach und hat schon bald die Idee, dass der Mörder durch die Zeiten reisen könnte.

Eine Erklärung für die Zeitreisen findet A.K. Benedict in Ansätzen schon: Man muss sich in einen möglichst losgelösten Zustand bewegen – aus dem Denken ins das Fühlen: „Genau dann, wenn wir am lebendigsten, ehrlichsten und am verletzlichsten sind, können wir den Raum zwischen konstruierten Realitäten ausmachen und durch die Lücken treten“, erfährt Killigan durch eine erfahrene Zeitreisende, als er entdeckt, dass auch er durch die Zeit reisen kann, wenngleich ihm noch einige Fertigkeiten wie das Treffen des korrekten Datums fehlen. Dadurch ist er in der Lage, den Plan des Mörders nach und nach zu enthüllen, zugleich aber deutet sich schon früh an, dass dieser ihm an Raffinesse und Erfahrung zu überlegen ist als dass er ihn fassen könnte. Damit weicht A. K. Benedict wie schon Lauren Beukes eine schwierigen Frage aus – wie fasst man einen Mörder, der durch die Zeiten reist? –, legt aber bereits den Grundstein der Antwort, indem der Ermittler ebenfalls ein Zeitreisender ist.

Insgesamt aber geht es A. K. Benedict in ihrem Buch um die titelgebende ‚Eleganz des Tötens’, der sowohl der Killer als auch Killigans Kollege Robert Sachs verfallen sind. Daneben werden einige philosophische Themen angesprochen, allerdings bleibt sie meist an der Oberfläche, anstatt sich auf den naheliegenden – und am Ende auch thematisierte – Konflikt zwischen Determinismus und freiem Willen zu konzentrieren. Ohnehin ist der Thriller insgesamt zu lang und weitschweifend: Weniger Betonungen des Offensichtlichen und unnötige Nebenhandlungen wie beispielsweise das pubertäre und unreife Versprechen, sich mit einer Frau nicht zu verabreden, die der beste Freund seit vier Jahren aus der Ferne bewundert, obwohl er sich ebenfalls in sie verliebt hat, hätten sowohl dem Spannungsaufbau als auch dem Lesefluss gut getan. Vor allem aber beschreibt sie zu viel – jedoch macht eine Aneinanderreihung von Eigenschaften aus einer Figur noch keinen Charakter, schaffen viele Details in der Einrichtung und dem Wetter noch keine Atmosphäre und sind viele philosophische Themen nicht gleichbedeutend mit Tiefsinn. Hier fehlen Stringenz und das Gespür für Wichtiges. Allerdings erklärt sich dann immerhin das Bemühen, auch der Polizistin Jane Horne mit ihrer Krebserkrankung eigenes Profil zu verleihen, als am Ende deutlich wird, dass es wohl eine Fortsetzung mit Killigan und Inspector Jane Horne geben wird, bei dem sie weiterhin versuchen, in der Vergangenheit liegende Fälle aufzuklären – und den genialen Zeitreise-Supermörder zu jagen. Auf dieses Wiedersehen werde ich allerdings verzichten.

A.K. Benedict: Die Eleganz des Tötens. Aus dem Englischen von Alice Jakubeit. Droemer 2014.

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