Vor drei Wochen habe ich entschieden, dass ich fortan mal wieder „Tatort“ gucken werde. Ich hatte vor einigen Jahren eine ausgeprägte „Tatort“-Phase, die ließ irgendwann nach, zuletzt guckte ich höchsten noch die Tukur-Murot-Folgen. Aber seit drei Wochen bin ich sonntagsabends dabei: „Ad Acta“ (Freiburg) war langweilig. Bei „Es grünt so grün, wenn Frankfurts Berge blüh’n“ (Frankfurt) haben mich die letzte Einstellung und einige gewollt-prätentiös-überzogenen Bilder halbwegs darüber hinwegtrösten können, dass den Drehbuchautoren offenbar entgangen ist, dass eine Folge in einer Krimireihe vielleicht auch so etwas wie einen Hauch Spannung plus Kriminalfall haben sollte. Und seit gestern („Trotzdem“; Franken) frage ich mich, ob das vielleicht ein Trend beim Tatort ist: Der Kriminalfall als notwendiges Pflichtelement, das mit so wenig Zeit wie nötig abgehandelt wird.
Die Geschichte ist simpel: Ein Mann sitzt wegen einer Tat im Gefängnis, die er nicht begangen hat – und stirbt dort. Seine Schwestern suchen daraufhin den Mann auf, der die Tat eigentlich begangen hat, und schubsen ihn vom Balkon. Daraufhin will der Vater dieses Mannes sich an den Schwestern rächen – und beauftragt einen alten Freund, der wie er einst im Gefängnis saß. Ein Rachedrama also, sogar sorgfältig gedoppelt: die Schwestern wollen Rache, der Vater will Rache, und Rache, dass wissen wir, führt nur selten zu etwas Gutem, sondern vor allem zu viel Gewalt. Auch steht es offenbar nicht gut um die Resozialisierung, selbst nach Jahrzehnten der Wiedereingliederung.
Vielmehr wird aus dem Fall nicht gemacht. Obwohl es viele interessante Fragen gibt: Ein Brief am Anfang deutet daraufhin, dass sich der Bruder im Gefängnis umgebracht hat, warum wird nicht untersucht, wie das möglich ist? Die Schwestern haben sich jahrelang für eine Wiederaufnahme eingesetzt, woran ist sie gescheitert? Warum schaut sich die Polizei den Fall nun neu an? Und warum ruft der Polizeipräsident erst an, wenn ein reicher Unternehmer – der Vater des zweiten Opfers – in den Fall verwickelt ist? Wie ist eigentlich das Opfer der ersten Tat – der Ursprungstat sozusagen – gestorben? Welches Motiv gab es da, einfach nur Eifersucht, weil sie in einem Jahr Beziehungen mit verschiedenen Männern hatte? Und steckt darin nicht ein hochinteressanter Fall? Warum wählen drei Unternehmersöhne, die offenbar sehr privilegiert aufgewachsen sind, Gewalt als Ausweg?
In der Inszenierung bleiben ähnlich viele Fragen: Warum zieht sich Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) am Ende aus? Ist es nur die Symbolik à la ‚wer nackt ist, kann keine Waffen tragen‘? Und warum singt sie „The Sound of Silence“? (Hier hoffe ich, es gibt eine Begründung innerhalb der Reihe, die ich nicht kenne.) Warum werden die gestelzten Drehbuchsätze so oft geflüstert? Das zieht sich durch die drei Tatorte, die ich bisher gesehen habe: Da werden Sätze, die nur nach Drehbuch klingen, so gesprochen, dass sie nach Drehbuch klingen. Dagegen können auch Lina Beckmann (diese Woche) oder Matthias Brandt (vorige Woche) nur wenig ausrichten. Zudem waren alle drei Folgen eher langsam inszeniert – und zumindest die letzten beiden mit bewusstem Einsatz künstlerischer Stilmittel. Ist das ein Trend: Künstlichkeit als Stilprinzip? Oder Zufall?
Vier Folgen gebe ich meinem Vorhaben noch. Danach werde ich überlegen, ob ich auf diese Weise wirklich meine Zeit verbringen will.