Berlinale 2013 – Tag 5 und 6

Allmählich breitet sich leichte Müdigkeit, außerdem vermisse ich Zeit zum Lesen. Nachdem ich am fünften Tag (bei spielfilm.de nachzulesen) vor allem im Wettbewerb unterwegs war, freute mich am Dienstag auf die Veranstaltung „Books at Berlinale“. Dort werden im Rahmen eines Frühstücks bei dem Co-Production Market zehn Bücher vorgestellt, deren Verfilmungsrechte verkauft werden sollen. Darunter waren von Stephan Thomés „Fliehkräfte“ bis hin zu einer Graphic Novel unterschiedlichste, die von den jeweiligen Verlagen und Agenturen kurz vorgestellt wurden. Einige konnte ich mir tatsächlich sehr gut vorstellen – und ich bin gespannt, ob ich in ein paar Jahren eines dieser Bücher auf der Leinwand sehen werde.

Rooney Mara und Channing Tatum in „Side Effects“(c) Berlinale

Danach ging es weiter mit einem der Filme, auf den ich mich im Vorfeld der Berlinale sehr gefreut habe: „Side Effects“ von Steven Soderbergh. Und Mr. Soderbergh hat mich nicht enttäuscht, sondern einen eleganten, sehr gut geplotteten und wendungsreichen Thriller über Medikamente, die Frage der Schuld und die Finanzkrise gedreht. Meine ausführliche Besprechung ist bei kino-zeit.de nachzulesen.

Leider war die Dokumentation „Gut Renovation“, die ich im Anschluss gesehen habe, nicht so begeisternd. Su Friedrichs dokumentiert darin die Gentrifizierung in Williamsburg, Brooklyn, in dem sie ausführlich den Abriss der Fabrikgebäude und Neubau teurer Apartmenthäuser zeigt. Aufgrund des Themas kam der Film bei Teilen des Berliner Publikums sehr gut, es war sogar ein Sprecher eines Anti-Gentrifizierungsbündnisses aus Kreuzberg anwesend. Doch so nachvollziehbar die Empörung auch ist: von einem Dokumentarfilm erwarte ich mehr.

Nach den zwei Filmen war dann auch schon Schluss, stattdessen ging es ich lecker essen und Wein trinken. Das muss ja auch mal sein.

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Berlinale 2013 – Von „Before Sunrise“ über „Before Sunset“ zu „Before Midnight“

Jesse und Céline in „Before Midnight” (c) Berlinale

Aufgrund eines Redaktionsschlusses für BÜCHER und einigen tollen Aufträgen habe ich mich nicht so ausführlich auf die Berlinale vorbereitet, wie ich es eigentlich wollte. Aber ich habe es immerhin geschafft, noch „Before Sunrise“ und „Before Sunset“ als Vorbereitung für „Before Midnight” zu sehen. Zumindest „Bevor Sunrise“ habe ich damals – in den 1990er Jahren – schon einmal geguckt, hauptsächlich, weil eine Freundin von mir sehr auf Ethan Hawke stand. Ich wusste noch, dass ich den Film gut fand, konnte mich aber nicht mehr so gut an ihn erinnern. Als ich ihn nun wiedersah, war ich hingerissen von der Klugheit dieses Films.

Was bisher geschah – „Before Sunrise“ und „Before Sunset“

Falls jemand die Handlung noch nicht kennen sollte: Der Amerikaner Jesse (Ethan Hawke) begegnet im Zug der Französin Céline (Julie Delpy) und überredet sie, mit ihm in Wien auszusteigen. Sie verbringen eine Nacht zusammen, ehe Jesse seinen Flieger in die USA bekommen muss. In dieser Nacht gehen sie durch Wien und unterhalten sich über das Leben und die Liebe. Besonders beeindruckt hat mich, wie sehr ich mich in den Überlegungen und Ängsten der Protagonisten wiederfinden konnte – oder besser gesagt: Wie sich mein 20-jähriges Ich Ende der 1990er Jahre darin wiederfindet. Célines Überlegungen zu ihrer glücklichen Kindheit, ihr Hadern mit dem vermeintlichen Gegensatz zwischen einem Leben, das feministischen Ansprüchen genügt, und der Suche nach der großen Liebe (das dann in der Fortsetzung noch ausgeprägter ist), einfach ihre leicht neurotischen Überlegungen zum Leben im Allgemeinen. Weiterlesen

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Berlinale 2013 – Tag 4

Gloria und Rodolfo (c) Berlinale

Lange habe ich überlegt, ob ich den Film um 9 Uhr sehen soll oder lieber schreibe. Ich habe mich dann letztlich für den Film entschieden – glücklicherweise! „Gloria“ ist ein toll gespieltes und eindrucksvolles Porträt der fast 60-jährigen Gloria (Paulina García), die nach der Scheidung ihre Kinder fast alleine groß gezogen hat, gerne ausgeht und nun noch einmal auf eine neue Liebe hofft. Anfangs läuft mit Rodolfo (Sergio Hernández) alles gut, aber sie kann nicht lange darüber hinwegsehen, dass er immer wieder ans Telefon geht, wenn seine Töchter oder seine Ex-Frau anruft – und sie seinen Töchtern nicht vorstellen will. Er hat erst jetzt entdeckt, was er von Leben will. Doch Gloria ist im Reinen mit sich und ihrer Vergangenheit. Sicherlich ist sie einsam, das zeigen die Bilder und insbesondere das nuancierte Spiel der großartigen Paulina García –, aber sie rappelt sich immer wieder auf. Der Film rangiert derzeit gleichberechtig mit „In the Name of“ ganz oben auf meiner Liste, aber hier warte ich noch einige Tage ab. Eine sehr lesenswerte Kritik zu diesem Film gibt es auch bei critic.de

Auch der zweite Wettbewerbsbeitrag des heutigen Tages war gut. Weiterlesen

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Berlinale 2013 – Tag 2 und 3

Vorhaben und Taten sind ja zweierlei Dinge, daher ist heute bereits mein vierter Tag bei der Berlinale, aber ich habe erst etwas über einen Tag gebloggt. Also mache ich es mir erst einmal leicht: Für den zweiten Tag verweise ich einfach auf spielfilm.de, für die ich einen kurzen Bericht geschrieben habe. Dort gibt es auch die ersten Kritiken zu den Wettbewerbsfilmen „In the Name of“, „Promised Land“ und „Paradies: Hoffnung“.

Der dritte Tag war insgesamt durchwachsen. Den ersten Wettbewerbsfilm habe ich nicht gesehen, dafür habe ich obige Kritiken geschrieben. Los ging es dann erst im 11:45 Uhr mit „Gold“ von Thomas Arslan, dem einzigen deutschen Wettbewerbsbeitrag. In „Gold“ erzählt er von einer Gruppe deutscher Siedler, die Ende des 19. Jahrhunderts nach Dawson in den Norden Kanadas aufbrechen, um dort mit Gold reich zu werden. Auf ihrem Weg stehen ihnen genre-gemäße Strapazen bevor und insbesondere in der ersten Stunde verwendet der Film zu viel Zeit dafür, die einzelnen Mitglieder der Gruppe – weitgehend stereotyp – zu charakterisieren und von ihren vorhersehbaren Herausforderungen zu erzählen. Je weiter der Weg geht und je mehr die Gruppe auseinanderbricht, desto distinktiver wird auch der Stil des Films. Das Ende hat mor dann sehr gut gefallen, aber insgesamt verliert „Gold“ gerade im Vergleich mit dem besseren und konsequenteren „Meek’s Cutoff“ deutlich. Weiterlesen

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Berlinale 2013 – Tag 1

Eröffnungstag bei der Berlinale – und auch mein Anreise-Tag, an dem alles nahezu perfekt gelaufen ist. Flugzeug war pünktlich, Koffer kam schnell, der Flughafenbus fuhr unmittelbar los und in mein Zimmer konnte ich auch etwas früher. Daher war ich recht früh am Potsdamer Platz und habe meine Akkreditierung abgeholt. Und da alles wesentlicher schneller als erwartet ging, habe ich auch den ersten Film locker geschafft.

“I used to be darker” von Matt Porterfield (c) Berlinale

Für mich begann die Berlinale mit „I used to be darker“ von Matt Porterfield, der mir gut gefallen hat. Überraschend besucht die 19-jährige Taryn ihre Tante Kim und ihren Onkel Bill in Baltimore, die sich gerade trennen. Auch deren Tochter Abby verbringt ihre Ferien dort und beide versuchen, ihren Platz im Leben neu finden – und vor allem in einer Familie, die es so nicht mehr gibt. Besonders gut hat mir zum einen die Selbstverständlichkeit gefallen, mit der Matt Porterfield von dieser Künstlerfamilie erzählt, deren Künstlersein nicht zur Manier wird, sondern einfach eine Tatsache ist. Und zum anderen wird die Handlung mit Liedern kommentiert (überwiegend Folk/Singer/Songwriter), die sich sehr gut in die Handlung einfügen. Insgesamt ist „I used to be darker“ ein guter US-Independentfilm, der mit überzeugender Selbstverständlichkeit von einer Familie erzählt. Weiterlesen

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„Stoff ohne Ende“ von Daniel Woodrell

Blick auf die Saint Francois Mountains der Missouri Ozarks (cc) Wikipedian Kbh3rd

Nachdem seine „Im Süden“-Trilogie kommerziell nicht erfolgreich war, begann Daniel Woodrell mit „Stoff ohne Ende“ über die Ozark Moutains in Missouri zu schreiben, jener Welt, die er kannte. Dorthin kehrt Doyle Redmond – Hauptfigur und Erzähler – zurück, um sich vor der Polizei zu verstecken und seinen Bruder Smoke davon zu überzeugen, sich der Polizei zu stellen. Eigentlich waren die Redmonds „noch nie die Art Familie, die ihre Leute so ohne weiteres in den Knast wandern lässt. Es gehört zu den Unverrückbarkeiten unseres Hillbilly-Selbstverständnisses, zu unserer Tradition und zu unserem angeborenen Verhalten, daß wir nicht vor der Staatsmacht kuschen“. Aber seit die Cops in Kansas City bei den Eltern zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen und einfach vorbeikommen, gehen sie ihnen zu sehr auf die Nerven. Also macht sich Doyle auf den Weg in die Ozarks, „die perfekte B-Seite eines Großstadtmolochs“. Dort gibt Hügel, Wälder und alteingesessene Familien-Clans, die sich gegenseitig umbringen. Die meisten verdienen ihr Geld mit Drogen – Marihuana wird angebaut, Crystal Meth gekocht und alles verkauft. Die Zugehörigkeit zu der Familie bestimmt hier, wer du bist. Also besucht Doyle erst seinen Großvater, der ihm dann verrät, wo sich Smokey versteckt. Und so begegnet Doyle der Hillbilly-Schönheit Niagra und ihrer Mutter Big Annie, die mit Smoke zusammenlebt. Er fühlt sich dort zu Hause, zieht in einen Wohnwagen neben der Verenda und überlegt, wie er seiner Schriftstellerkarriere neuen Schwung geben kann. Außerdem hilft er seinem Bruder bei dem heimlichen Anbau von Marihuana, das sie insbesondere vor den Dollys (man denke an „Winters Knochen“) verstecken müssen. Weiterlesen

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Preview-Tour und Starttermin: „¡NO!“

(c) Piffl Medien

Am 7. März startet der chilenische Film „¡NO!“ in den deutschen Kinos, der zu den fünf Oscar-Nominierten in der Kategorie bester fremdsprachiger Film gehört. Chile im Jahr 1989. Diktator Pinochet lässt eine Volksabstimmung über die Fortführung seiner Präsidentschaft fortführen und alle Vorhersagen deuten darauf hin, dass er sie gewinnt. Schließlich kontrolliert er den Staat und die Medien. Dann engagieren die Führer der Opposition den Werbefachmann René Saavedra (Gael García Bernal), der unter ständiger Überwachung des Regimes und mit sehr begrenzten Mitteln eine knalle Kampagne entwickelt …

Diese laut Patrick Wellinski „wunderbar entschleunigte Satire“ ist vor dem Kinostart auf Preview-Tour in folgenden Städten:

Köln: Di., 19. Februar, Off-Broadway (OmU) sowie So., 3. März, Cinenova (OmU)
Essen: Di., 26. Februar, Filmstudio Glückauf (OmU)
München: Mi., 27. Februar, 20.30 Uhr, Studio Isabella (OmU)
Hannover: Mo., 4. März, Kino am Raschplatz (OmU).

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