Szenen einer Ehe – „45 Years“

Seit 45 Jahren sind Kate (Charlotte Rampling) und Geoff (Tom Courtenay) verheiratet und deshalb wollen sie eine große Party mit all ihren Freunden und Bekannten feiern. Schließlich mussten sie schon die Feier zu ihrem 40. Hochzeitstag ausfallen lassen, weil Geoff eine schwere Bypass-Operation durchstehen musste. Nun sind es nur noch wenige Tage bis zur Feier ihres 45. Hochzeitstages. Doch dann erhält Geoff einen Brief, der eine nie ganz verheilte Wunde wieder aufbrechen lässt: Die Leiche seiner früheren großen Liebe Katya wurde gefunden. Einst wollten sie zusammen die Alpen überqueren, um nach Italien zu kommen und sich dort eventuell niederzulassen. Dabei kam es zu einem Unfall, bei dem Katya starb und ihre Leiche lag all die Jahre in dem Eis eines Gletschers, das nun geschmolzen ist.

(c) Piffl Filmverleih

(c) Piffl Filmverleih

Mit diesem Brief drängt sich Katya in die Beziehung von Kate und Geoff und kommen verschwiegene, verdrängte Themen wieder hoch, werden die Eheleute mit all den Lebenslügen konfrontiert, in denen sie sich eingerichtet haben. Dabei vollzieht sich der Einbruch nicht mit großen dramatischen Zusammenbrüchen oder Streitigkeiten, vielmehr wird zu Beginn des Films sorgsam eine Routine etabliert, die sich dann nach und nach verschiebt und verändert. Dadurch spielt sich auf der Leinwand ein nachzuvollziehendes, stilles Drama ab, das aufgrund der vielen Kleinigkeiten, in denen es sich widerspiegelt, umso tragischer wird.

Neben diesem sehr sorgsam gearbeiteten Drehbuch zeichnet sich „45 Years“ zeichnet durch exzellentes Schauspiel aus. Allein Charlotte Rampling lässt mit winzigen Gesten erkennen, was sich hinter der scheinbar gefassten Fassade dieser Frau abspielt, Tom Courtenay verbindet Hilflosigkeit und große Trauer in seiner Gestalt. Deshalb ist „45 Years“ ein ungemein kluger und hervorragend gespielter Film über eine langjährige Ehe.

„45 Years“ startet am 17. September in den deutschen Kinos.

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Krimi-Kritik: „Cutter und Bone“ von Newton Thornburg

Richard Bone ist ein Mann, der sich seiner eigenen Stärken und Schwächen sehr bewusst ist, deshalb weiß er, dass er mühelos Frauen ins Bett bekommt, aber an den meisten interessiert ihn lediglich das Geld. Also verbringt er einige Nächte mit ihnen, lässt sich aushalten und kehrt dann auf das Sofa in Alex Cutters Haus zurück, auf dem er schläft. Einst war er ein erfolgreicher Werber, hat dann Frau, Kind und einen lukrativen Job verlassen, weil er überzeugt war, es müsse mehr im Leben geben – aber gefunden hat er nichts. Stattdessen bildet er sich ein, er sei in Cutters depressive Frau Mo verliebt und könnte mit ihr vielleicht doch eine Chance haben. Sein Freund Cutter ist ein eloquenter Wahnsinniger, der durchs Leben torkelt, seit er im Vietnamkrieg verletzt wurde. „Was für ein Anblick der Mann bot, was für ein groteskes Schauspiel: das dünner werdende Raggedy-Ann-Haar, das verwüstete Falkengesicht, das wegen des Narbengewebes zu vieler Rekonstruktionen glänzte, die schwarze Augenklappe über dem fehlenden Auge und sein unveränderlicher Existenzialistenlook, der aus engen schwarzen Hosen und einem schwarzen Rollkragenpulli bestand, dessen linker Ärmel auf Höhe des Ellbogens verknotet war, nicht hochgesteckt oder festgenäht, sondern verknotet, eine Zurschaustellung, ein Schlag ins Gesicht.“ Weiterlesen

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KrimiZeit-Bestenliste September 2015

Und hier ist sie, die neue KrimiZeit-Bestenliste mit einem neuen Spitzenreiter!

1 (-) Friedrich Ani: Der namenlose Tag (Suhrkamp)
2 (10) Dror Mishani: Die Möglichkeit eines Verbrechens (Zsolnay)
3 (2) Newton Thornburg: Cutter und Bone (Polar Verlag)
4 (-) Andreas Kollender: Kolbe (Pendragon)
5 (1) Merle Kröger: Havarie (Ariadne)
6 (5) Antonin Varenne: Die sieben Leben des Arthur Bowman (C. Berteslmann)
7 (9) Petro Markaris: Zurück auf Start (Diogenes)
8 (-) William Shaw: Kings of London (Suhrkamp nova)
9 (-) Jax Miller: Freedom’s Child (Rowohlt Polaris)
10 (-) Michael Robothman: Auf Leben und Tod (Goldmann)

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Leider nicht sehr böse – „Die Kleinen und die Bösen”

Schwarze Komödien sind sicher nicht jedermanns Sache – so kann ich durchaus verstehen, dass manche Anders Thomas Jensens „Men & Chicken“ als geschmacklos empfinden, während ich mich königlich amüsiert haben. Deshalb lässt sich über Grenzen des Komischen wunderbar diskutieren, aber eines sollten schwarze Komödien auf jeden Fall sein: konsequent. Und ausgerecht daran fehlt es bei Markus Sehrs „Die Kleinen und die Bösen“.

(c) movienet

(c) movienet

Erzählt wird die Geschichte des erfahrenen Bewährungshelfers Benno Meurer (Christoph Maria Herbst), der seine Arbeit routiniert, aber gut erledigt und sich auch nach all den Jahren für seine Klienten interessiert. Zu ihnen gehört notorische Einbrecher Hotte Mazocha (Peter Kurth), der sich plötzlich um seine Kinder kümmern soll, die bisher bei der Großmutter aufwuchsen. Meurer ist entsetzt, Hotte allein schon wegen des Kindergeldes begeistert. Nun will Meurer ihm nachweisen, dass er ein schlechter Vater ist – aber Hotte gefällt seine neue Rolle eigentlich ganz gut.

Meurer und Hotte sind zwei gute Charaktere, die von zwei guten Schauspielern verkörpert werden: Herbst überzeugt als weicher Bewährungshelfer und drängt Stromberg schnell in den Hintergrund, Kurth lässt mit seinen knallbunten Hemden und schnoddrigen Auftreten keinen Zweifel daran, dass er zunächst an sich denkt. Doch zwei gute Charaktere machen noch keinen guten Film. Denn es ist in „Die Kleinen und die Bösen“ nicht zu viele lahme Gags, zu viele unnötige Nebenhandlungen und zu wenig Überraschungen. Es wäre nicht nötig, dass Bennos Frau besessen von ihrem Kinderwunsch ist und sich Benno in eine Kellnerin verliebt, zumal hier alles in vorhersehbaren Bahnen verläuft. Dadurch entsteht keine Bindung zu den Charakteren, so dass sogar nach einem plötzlichen Todesfall außer einem kurzen Schock kaum Emotionen bleiben. Und das ist schade, weil immer wieder aufblitzt, dass in dem Film gute Ideen und Szenen stecken – bspw. der Wiener, den man wirklich nicht versteht –, aber der Film aus ihnen nichts macht. Vielmehr entsteht dadurch der Eindruck, dass hier eine gute böse Ausgangsidee nach und nach aufgeweicht wurde, um den Film fernsehtauglich zu machen. Denn letztlich erinnert „Die Kleinen und die Bösen“ vor allem an standardisierte, mutlose Fernsehware.

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Krimi-Kritik: „Der namenlose Tag“ von Friedrich Ani

(c) Suhrkamp

(c) Suhrkamp

Der pensionierte Kommissar Jakob Franck wird von Toten besucht. Sie sitzen an seinem Esstisch, essen Kekse und unterhalten sich. Doch er ist nicht einer der Ermittler, der mit Toten spricht oder durch übersinnliche Fähigkeiten mit ihnen in Kontakt tritt, vielmehr wartet er fast gleichmütig auf sie, „(e)r hatte sich damals, beim Eintritt in den Gehobenen Dienst für ihre Welt entschieden, und aus dieser Welt kehrt niemand unversehrt und traumlos zurück“. Diese Toten gehören zu seiner alltäglichen Routine, ebenso wie das Spielen von Online-Poker in dem „Zimmer, das nie ein Kinderzimmer geworden war“. Sein Leben erscheint fast beunruhigend ruhig, aber dann tritt Ludwig Winther wieder in sein Leben, ein Mann „in dessen Namen es unaufhörlich schneit“. Auch 20 Jahre nach dem Tod seiner 17-jährigen Tochter Esther kann Winther nicht glauben, dass sie sich erhängt hat. Er ist überzeugt, dass es einen Schuldigen geben muss – vielleicht den Zahnarzt, über den gesagt wird, er habe Affären mit Schülerinnen. Deshalb bittet er Franck, sich den Fall von damals noch einmal anzusehen. Franck ahnt, dass er so viele Jahre keine neuen Beweise für ein Gewaltverbrechen findet, aber Esther gehört zu den Toten, die ihn immer besuchen. Also sucht er die Zeugen, die Freunde und Verwandten von damals auf, spricht abermals mit ihnen, hört zu – und vor allem schweigt er solange, bis sie die Stille nicht mehr aushalten und anfangen zu reden. Weiterlesen

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Shots – Juli/August 2015

Margos Spuren
Seit sie in das Nachbarhaus gezogen ist, ist Quentin in Margo verliebt. Als Kinder waren sie befreundet, doch nun ist aus Margo das coolste Mädchen der Highschool geworden und Quentin hängt mit seinen Freunden im Musikraum ab. Dann sucht sie ihn eines Nachts unerwartet in seinem Zimmer auf und für Quentin beginnt die aufregendste Zeit seines Lebens. John Greens Jugendroman ist eine schöne Geschichte über Freundschaft, Erwachsenwerden und über ein Mädchen, das für alle als Projektionsfläche herhalten muss.

John Green: Margos Spuren. Übersetzt von Sophie Zeitz. dtv Reihe Hanser.

Der Bang Bang Club
Als Bang Bang Club wurde eine Gruppe südafrikanischer Fotografen bezeichnet, die in den 1990er Jahren jeden Tag ihr Leben riskierten, um von den schwelenden Konflikten in den Townships zu berichten. In ihrem Buch erzählen Greg Marinovich und João Silva eindringlich von den Auseinandersetzungen und ihrem täglichen Kampf mit ihrem Beruf und ihren Bildern. Sehr lesenswert! Weiterlesen

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(Politische) Verräter unter uns

Bisher habe ich hier im Blog nur Texte veröffentlicht, die ich für das Zeilenkino geschrieben habe. Aber in den letzten Monaten habe ich gemerkt, dass ich zwar immer mehr schreibe, aber immer weniger Zeit zum Bloggen habe. Und deshalb werde ich fortan hier auch Texte ‚anteasern‘, die ich für andere Internetseiten geschrieben habe. Momentan überlege ich noch, ob ich hier den ganzen Text oder nur den Anfang mit weiterführendem Link veröffentliche – und über Meinungen dazu freue ich natürlich. Den Auftakt macht nun meine aktuelle Kolumne für kino-zeit.de, dort schreibe ich einmal im Monat über Kriminelles und mehr.


Kim Philby und Edward Snowden sind Verräter. Sie haben Geheimnisse ihres Arbeitgebers weitergegeben – Philby an den KGB, Snowden an die Öffentlichkeit. Ob sie den Verrat wegen eines Gesinnungswandels oder ihrer moralischen Überzeugung begangen haben, ist den Verratenen egal. Sie fühlen sich betrogen und im Stich gelassen. Doch Verrat ist nur aus Sicht des Verratenen eine eindeutige Tat, ansonsten ist er ebenso ambivalent zu beurteilen wie der Verräter selbst.
Der Verrat schafft auch eine Verbindung zwischen dem berühmtesten Doppelagenten der britischen Spionagegeschichte, der John Le Carré, Graham Greene und viele Autoren mehr zu ihren Büchern samt Verfilmungen inspirierte, und dem bekanntesten Whistleblower der Welt, dessen Geschichte bislang lediglich in einem Dokumentarfilm geschildert wurde. Dabei funktionieren die Erzählungen über Spionage und Whistleblower nach vergleichbaren Mustern – nur aus verschiedenen Perspektiven. weiterlesen bei kino-zeit.de

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