Krimi-Kritik: „Die sieben Leben des Arthur Bowman“ von Antonin Varenne

(c) C. Bertelsmann

(c) C. Bertelsmann

Vom Birma im Jahre 1852 bis in die Sierra Nevada des Jahres 1864 streckt sich die Handlung in Antonin Varennes „Die sieben Leben des Arthur Bowman“. Titelfigur Arthur Bowman ist der härteste Söldner in der Ostindienkompanie in Birma, später arbeitet er – alkohol- und opiumsüchtig – bei der Hafenpolizei in London. Inmitten einer großen Hitze und Trockenheit im Jahr 1859 wird er von einem Jungen zu einer Leiche geführt, die verstümmelt in der Kanalisation liegt. Die Narben und Spuren der Folter erkennt Bowman zu gut – sie wurden ihm selbst während der Gefangenschaft in Birma zugefügt. Überzeugt, dass er den Mörder kennt und er unter den Überlebenden seiner Truppe zu finden ist, macht er sich auf die Suche.

Es gibt viele kaputte Anti-Helden in der Literatur, aber Arthur Bowman sprengt alle Kategorien. Das insbesondere bei Noir-Literatur fast inflatorisch gebrauchte ‚düster‘ klingt als Beschreibung fast noch zu hell. Arthur Bowman ist zerstörerisch, seelenlos, durch und durch verrottet von seinen Erfahrungen, von dem Tod und dem Leben. Nach dem ersten, 73 Seiten umfassenden Teil fragt man sich, wie er überhaupt noch existieren kann, die folgenden 480 Seiten geben eine Antwort: Getrieben von dem Willen, einen Serienmörder zu stoppen, in dem er etwas noch Böseres sieht als sich selbst, bleibt er am Leben. Dass es ihn gibt, diesen Menschen, der härter, böser ist als Bowman, können sich andere nicht vorstellen. Deshalb gerät er immer wieder selbst in den Verdacht, der Täter zu sein. Doch für Bowman erscheint die Tätersuche auch als einzige winzige Möglichkeit, seine eigenen Dämonen nicht zu besiegen, aber wenigstens mit ihnen leben zu können. Und dabei gelingt es Varenne, dass man mit Bowman fühlt und sich tatsächlich für sehr kurze Momente der naiven Illusion hingibt, es gebe selbst für Bowman noch einen Funken Hoffnung – dabei sollte man es doch besser wissen.

Antonin Varenne (c) Richard Dumas

A. Varenne (c) Richard Dumas

„Die sieben Leben des Arthur Bowman“ ist Western, Serienkillerroman und Abenteuergeschichte, es geht um Kriege, die aus reiner Profitgier betrieben werden, und die Folgen von Folter. Mühelos lässt Varenne die verschiedenen Handlungsorte und Charaktere entstehen, nichts in diesem Buch ist Klischee, seine Beschreibung von dem in der Kloake versinkenden London oder dem kalten Wilden Westen sind äußert gelungen. Deshalb bleiben am Ende lediglich zwei Fragen: Welches sind die – dem deutschen Titel nach – sieben Leben des Arthur Bowman (im Original „Trois mille chevaux vapeur“)? Und warum ist von Antonin Varenne bisher nur noch ein weiteres Buch („Fakire“) in deutscher Übersetzung erhältlich?

Antonin Varenne: Die sieben Leben des Arthur Bowman. Übersetzt von Anne Spielman. C. Bertelsmann 2015.

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