„Mein Name ist Freedom Oliver, und ich habe meine Tochter getötet.“ Mit diesem Satz beginnt Jax Millers Debüt „Freedom’s Child“, in dem sie von Vergewaltigungen, Entführungen, Waffenhandel und religiösen Fanatikern erzählt.
Seit sie gegen ihren Schwager wegen des Mordes an ihrem Mann ausgesagt hat, lebt Freedom Oliver im Zeugenschutzprogramm in Painter, Oregon, einer „Kleinstadt voll Schmutz, Regen und Crystal Meth.“ Die Welt, in der sie sich bewegt, ist sexualisiert und gewalttätig. Sie arbeitet in einer von Bikern und Prostituierten besuchten Bar, wird beständig mit Übergriffen konfrontiert, die sie brutal beendet, und von traumatischen Erinnerungen an ihre Vergangenheit heimgesucht, die sie wegzutrinken versucht. Dann erfährt sie, dass der Mann, den sie einst ins Gefängnis gebracht hat, frei kommt. Sie weiß, dass er sich rächen wird und auch ihre Kinder in Gefahr sind, die bei Adoptiveltern großgeworden sind. Also macht sie sich auf den Weg, ihre Kinder zu retten.
Freedom Olivier ist eine jene Protagonistinnen, die sich aus einer missbräuchlichen Ehe befreit hat und nun mit den Konsequenzen der Tat leben muss. Also raucht, trinkt, flucht und vögelt sie, so viel und mit wem sie will. Sie ist rücksichtslos sich selbst und anderen gegenüber. Aber sie war nicht immer so, erst durch ihre Ehe ist sie so geworden. Wäre es nicht großartig, wenn eine Frauenfigur einfach so wäre, weil sie es will?
Aber „Freedom’s Child“ ist weniger ungewöhnlich als er vorgibt zu sein. Nach dem schockerartigen Einstieg mit dem obigen Zitat, springt die Handlung zwei Wochen zurück, zunächst zu Freedom, dann zu ihrem Sohn Mason und schließlich eineinhalb Wochen weiter zu Matthew Delaney, dem Mann, den sie einst ins Gefängnis brachte, sowie dessen verrottete Familie. Dieser Anfang mit verschiedenen Zeitebenen und Personen soll in der Regel Spannung erzeugen, jedoch erscheinen diese Kapitel als Vorspiel zum eigentlich Hauptakt. Nur scheinbar gut fügen sich die Motive zusammen: Aus Karrieregründen verteidigt Freedoms Sohn Mason einen aufstrebenden Footballspieler, der eine junge Frau vergewaltigt haben soll, nicht ahnend, dass seine Mutter und Schwester sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren und sind. Deshalb führt diese Verbindung nicht zu einer komplexen Behandlung des Themas, obwohl die Frauenfiguren in diesem Buch interessante Ansätze böten, über Leben mit sexualisierter Gewalt zu erzählen. Vielmehr ist dieser Strang nur eine Station auf dem Weg zu mehr Geschichten, über Waffenhandel, Sekten und Rache.
Immer mehr Wendungen und neue Schichten sorgen zwar für Kurzweil, aber sie können kaum davon ablenken, dass sich die Traumatisierung der Protagonistin beständig im gleichen rotzigen Verhalten und Sprüchen widerspiegelt. Außerdem sind es letztlich zu viele Haken und Plots, zu ausführliche Charakterisierungen und zu gewolltes Provozieren. Zumal alles zu einem durch und durch konservativen Ende führt, an dem so viel zu gut ausgeht, dass es schmerzt.
Jax Miller: Freedom’s Child. Übersetzt von Jan Schönherr. Rowohlt 2015.
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