Ach, Onno

Im Frühjahr 2012 verfiel ich dem legendären „Charisma für Arme“ des Noppensocken tragenden Privatdetektivs Onno Viets, den Frank Schulz in „Onno Viets und der Irre vom Kiez“ auf ein brutales Abenteuer mit eben diesem Irren schickte. Seither hoffte ich auf ein Wiedersehen. Nun hat sich diese Hoffnung erfüllt, aber – wie soll ich es anders sagen – mein Herz wurde gebrochen. Nicht etwa, weil „Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen“ ein schlechtes Buch sei, nein, es ist sogar ein sehr gutes Buch. Aber ausgerechnet Onnos Seele baumelt weniger als sie taumelte, geradewegs in ein düsteres Nichts.

(c) Galiani

(c) Galiani

Seit seiner Begegnung mit dem „Irren vom Kiez“ sind sechs Jahre vergangen, die damaligen Erlebnisse haben indes Spuren bei Onno hinterlassen. Er leidet unter einer Posttraumatischen Belastungsstörung und hat die für ihn lebensnotwendige Ruhe verloren. Sein zweitbester Freund und Erzähler des Romans, Christoph Dannewitz, fühlt sich dafür mitverantwortlich, immerhin hat er Onno diesen ersten Auftrag vermittelt. Also will er ihm helfen und beschafft ihm abermals einen Auftrag, dieses Mal als Leibwächter seines Vetters Donald Jochemsen, der auf dem Kreuzfahrtschiff Flipper IV die von ihm verehrte Bordsängerin überraschen will. Aber Donald plagt – neben vielen anderen Erkrankungen – eine ausgeprägte Viktimophobie, er hat Angst, Opfer einer Straftat zu werden, und deshalb soll Onno ihn beschützen.
Diese zwei Kauze gehen also auf eine Kreuzfahrt – und damit hat Frank Schulz eine grundkomische Situation geschaffen. Onno und Donald sind beide fehl am Platze inmitten dieser feierwütigen Meute. Wenigstens ist der eine anpassungsfähig, freundlich und selbstlos, der andere jedoch misanthropisch, hypochondrisch und paranoid. Deshalb gibt es lustige Situationen und großartige Dialoge, in denen sich Frank Schuz bitterböse mit der Konsumkultur und Maßlosigkeit auseinandersetzt. Kaum Ort eignet sich besser zu einer bitterbösen Gesellschaftskritik als ein Kreuzfahrtschiff. Hier wird der Zwang zum Konsum, Erlebnis und Rausch, zur Party und Unterhaltung auf kleinen Raum gepresst, passend untermalt vom Sommerhit des Jahres „Scheiß drauf, Malle ist nur einmal im Jahr“. Darüber hinaus steht am Ende eines jeden Aktes ein Nachspiel mit Kasper Spackennacken, einer satirischen Figur in bester Hanswurst-Tradition, die für derbe Witze und Wahrheiten sorgt und zugleich erneut auf die Bedeutung von Vulgarität, Exhibitionismus und Voyeurismus aufmerksam macht. Weiterlesen

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Fernseh-Tipp: Hochspannungswochen bei ARTE

Heute Abend beginnen bei ARTE die Wochen der Hochspannung: Bis zum 26. März laufen Klassiker des Films noir und Kriminalfilms. Den Auftakt machen „Serpico“ und „Der gläserne Schlüssel“, in den folgenden Wochen werden u.a. der sehr schöne „Who killed Marilyn?“ und „Unter falschem Verdacht“ zu sehen sein. Alle weiteren Informationen gibt es auf der Webseite von ARTE.

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Hausmitteilung: KrimiZEIT-Bestenliste

Seit März 2005 gibt es die Krimi-Bestenliste, für die jeden Monat eine Jury aus spezialisierten Kritikern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die zehn Kriminalromane auswählt, die literarisch interessant und thematisch ausgefallen sind – eben die besten. Die Kooperationspartner haben gewechselt, von Anfang an ist das Nordwestradio dabei und seit 2010 die Wochenzeitung DIE ZEIT. Die KrimiZEIT-Bestenliste wird am ersten Donnerstag des Monats in der ZEIT, auf ZEITonline und in den Sendungen des Nordwestradios vorgestellt.

Bücherstapel

Zur Veröffentlichung der KrimiZEIT-Bestenliste am 5. März hat sich nun die Zusammensetzung der Jury geändert. Aufgrund veränderter Arbeitsschwerpunkte scheiden Michaela Grom, Hendrik Werner und Thomas Wörtche aus, neu stimmen mit Jutta Günther (Nordwestradio), Marcus Müntefering (Spiegel Online, krimi-welt.de), Frank Rumpel (SWR), Guido Schulenberg und – Trommelwirbel – ich. Deshalb wird es fortan im Zeilenkino auch keinen Abgleich mit der Bestenliste mehr geben, sondern ich werde sie einfach hier veröffentlichen. Und mich freuen, dass ich nun an ihr mitwirke.

Außerdem gibt es aus Anlass des zehnjährigen Bestehens auf der Leipziger Buchmesse auch ein Gespräch von Jurysprecher Tobias Gohlis mit Zoë Beck über ihren Kriminalroman „Schwarzblende“ und die Bestenliste. Es findet am Freitag, den 13. März von 13:00 Uhr bis 13:30 Uhr am ZEIT-Stand in Halle 3, D101 statt. Kommt zahlreich!

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Neue Krimiserie aus Dänemark: „The Team“

Vorab-Cover (c) Edel:Motion

Vorab-Cover (c) Edel:Motion

Ab dem 8. März strahlt des ZDF im Rahmen des Sonntagskrimis zum 22:00 Uhr die Serie „The Team“, die von dem dänischen Autorenpaar Mai Brostrøm und Peter Thorsboe entwickelt wurde, von dem bereits „The Protectors – Auf Leben und Tod“, „Der Adler“ und „Unit One“ stammt. Nun schicken sie die Sonderheit „Joint Investigation Team“ auf Ermittlungen durch Europa. Es besteht aus dem Dänen Harald Bjørn (Lars Mikkelsen), der Belgierin Alicia Verbeek (Veerle Baetens) und der Deutschen Jackie Mueller (Jasmin Gerat).

Das Konzept der Serie erinnert an Arne Dahls Eurocop-Reihe, aber allein aufgrund der Besetzung lohnt sich bestimmt ein Blick. Auf DVD wird die Serie am 27. März 2015 erscheinen. Und – man soll es kaum glauben – aber die Serie gibt es abgesehen von der letzten Folge bereits jetzt in der ZDF-Mediathek zu sehen und zwar im Originalton.

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Einige Anmerkungen zu „True Detective“

Wenn man Serien erst nach dem Hype sieht, kann man bei dem Schauen auch die eigenen Erwartungen reflektieren. So hatte ich beispielsweise bei „True Detective“ zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, ich müsste nun unbedingt weitersehen, von dem viele anderen immer sprechen. Aber das ist kein Gradmesser für Qualität, im Gegenteil, gerade bei den Serien, die einen sehr langen Eindruck hinterlassen haben, brauchte ich zwischendurch immer Pausen, um das Gesehene zu verarbeiten und zu reflektieren – und bin doch immer wieder gerne in diese Welt zurückgekehrt.

(c) WHV

(c) WHV

Bei „True Detective“ gibt es einiges, was mir sehr gut gefallen hat: Die gesamte Erzählsituation der ersten sechs Folgen ist großartig. Die Detectives Marty Hart und Rust Cohle (Woody Harrelson und Matthew McConaughey) sind in den 1990er Jahren auf der Suche nach einem Serienmörder, der seine weiblichen Opfer tätowiert und mit kultischen Objekten zurücklässt. In der Gegenwart werden sie von zwei anderen Polizisten zu diesen Mordfällen befragt. Diese Gegenwartshandlung leitet eine Rückblende ein, die von den vergangenen Ermittlungen handelt, dabei sind einige von Rusts und Martys Aussagen zu hören, anderes ist im Bild zu sehen. Sehr schnell wird deutlich, dass nicht alles Gezeigte erzählt wird und nicht alles Erzählte im Bild zu sehen ist, es wird etwas ausgelassen, andere Aspekte betont oder falsch wiedergegeben. Dadurch ist das Erzähltempo sehr kontrolliert, zugleich durchzieht die Folgen eine Unzuverlässigkeit im Erzählen, die Raum für eigene Überlegungen lässt. An manchen Stellen – insbesondere bei der Actioneinlage mit Rustys Undercover-Einsatz – hätte ich mir gewünscht, dass Drehbuchautor Nic Pizzolatto und Regisseur Cary Fukunaga noch mehr Gebrauch von den Möglichkeiten dieser Erzählsituation macht, aber vermutlich musste er Eingeständnisse an die Serienkonventionen machen. Doch wie großartig wäre es gewesen, diesen Actionmoment nur erzählt und mit widersprüchlichen Bildern gezeigt zu bekommen.

Begeistert hat mich auch die Kameraarbeit von Adam Arkapaw. Seine Bilder schaffen ein distinktives Aussehen der Serie, das später auch im Cover von Pizzolattos Buch „Galveston“ (das hierzulande erst nach der Serie erschienen ist) wieder aufgegriffen wird, zugleich gibt es in ihnen vielen Subtexte und weitere Geschichten zu entdecken. Zusammen mit der Musik von T Bone Burnett entsteht sehr viel Atmosphäre, die gerade mit der stetigen leichten Überlichtung die in vielen anderen Filmen und Serien in dunkle Farben gefasste Sümpfe Louisianas anders, aber ebenso undurchdringbar darstellt.

Und natürlich sind auch die Hauptdarsteller zu erwähnen. Matthew McConaughey hat eine Paraderolle als leicht durchgeknallter Detective, aber – wie immer – ist er in den Szenen am besten, in denen er sich zurücknimmt. In meinen Augen hat der momentan leicht überschätzte McConaughey eine ausgeprägte Haltung zum Overacting, die insbesondere dann zum Tragen kommt, wenn er jemanden spielt, der bekifft oder sonst wie zugedröhnt ist oder sich eben besonders viel Mühe gibt. Dass er diese große Gestik und Mimik nicht nötig hätte, zeigen beispielsweise die Befragungsszenen. Woody Harrelson hat die auf den ersten Blick weniger spektakuläre, aber in meinen Augen interessantere Rolle, und er bringt den Mann, der eigentlich ein durchschnittliches Leben will, dafür allerdings denkbar schlecht geeignet ist, perfekt auf den Bildschirm.

„True Detective“ ist also sehr gutes, überdurchschnittliches Fernsehen. Dennoch gibt es einige Kritikpunkte, allen voran: die Frauenrollen. Alle weiblichen Figuren sind Heilige, Huren oder Opfer, gelegentlich – wie beispielsweise die von Michelle Monaghan toll gespielte Ehefrau – darf auch eine Heilige mal einen Fehler machen. Aber das war es. Ansonsten sind die minderjährigen Prostituierten, Stripperinnen, jungen Geliebten und Ehefrauen vor allem zu Sex- und Rettungsszenen da. Innenleben – Fehlanzeige. Und da stellt sich schon die Frage, warum nicht zumindest einer der ermittelnden Polizisten der Gegenwart eine Frau sein konnte. Und gerade weil „True Detective“ an sehr vielen anderen Stellen doch sehr clever und vielschichtig ist, finde ich das sehr schade.

Der zweite Hauptkritikpunkt ist das Ende, an dem es sich Nic Pizzolatto mit dem Irren und seiner debilen Ehefrau ein wenig zu einfach gemacht hat. Dass sich der ganze Fall in die Mardi Gras/Vodoo/Santaria-Ecke entwickelt, war abzusehen, und ist aufgrund des Settings auch zu verschmerzen, immerhin hat er einige Fäden aus den frühen Folgen sehr gut wieder aufgenommen. Sogar das nicht alle Schuldigen belangt und alles aufgedeckt wird, ist aufgrund der Situation der Ermittler realistisch. Etwas einfach bleibt die Auflösung dann aber doch – und dazu trägt das bemüht „helle“ Schlusswort noch bei.

Alles in allem lässt „True Detective“ aber hoffen, dass es in Fernsehserien noch mehr Mut zu innovativen Erzählweisen gibt – und damit meine ich nicht noch mehr Serien, in denen ein Fall über soundso viele Folgen verhandelt wird, sondern tatsächlich spannende Erzählsituationen geschaffen werden.

Andere:
Sehr empfehlen kann ich Lenas Beitrag zu „True Detective“, an dessen Ende sie auf weitere Artikel zu der Serie hinweist.

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„Die letzte Flucht“ im ZDF

(c) Kiepenheuer & Witsch

(c) Kiepenheuer & Witsch

Das ZDF verfilmt „Die letzte Flucht“, den siebten Band der Krimi-Reihe von Wolfgang Schorlau um den Privatermittler Georg Dengler. Das Drehbuch stammt von Wolfgang Schorlau und Lars Kraume, der auch Regie führt, die Hauptrolle übernimmt Ronald Zehrfeld. Außerdem sind Birgit Minichmayr, Jenny Schily, Stefan Kurt und Ernst Stoetzner zu sehen. Das klingt vielversprechend, zu sehen wird das Ergebnis am 20. April 2015 um 20:15 Uhr sein.

Einige Bilder sind auf der Verlagsseite zu sehen.

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Februar 2015 – Kinotipps

(c) Sony Pictures

(c) Sony Pictures

Es ist zwar schon Mitte Februar, aber für einen Kinotipp ist es ja nie zu spät. Und nachdem ich es im Januar versäumt habe, „Wild Tales“ und „Birdman“ zu empfehlen, will ich nicht unterlassen, meinen bisherigen Lieblingsfilm des Jahres hier anzupreisen. Heute startet „Whiplash“ in den deutschen Kinos, ein Film über einen Schlagzeugschüler und seinen psychopathischen Lehrer, ein Film über Besessenheit, Macht und Leistung und ein Film, der mich richtig mitgerissen hat. Trotz seiner Fehler. Er ist hinreißend gut gespielt, J.K. Simmons wird Sonntagnacht dafür einen Oscar erhalten, – und hat einen fantastischen Soundtrack. Eine ausführlichere Besprechung von mir ist bei spielfilm.de zu lesen.

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