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Die BBC-Serie „Call the Midwife – Ruf des Lebens“

Jenny Lee mit den Nonnen (c) UPHE

Eigentlich dachte die 22-jährige Krankenschwester und Hebamme Jenny Lee (Jessica Raine), sie würde im Londoner East End der 1950er Jahre eine Stelle in einem kleinen privaten Krankenhaus antreten. Stattdessen landet sie in einem Kloster, in dem die Frauen des Viertels Geburtshilfe und Unterstützung bekommen. Da sie selbst vom Land kommt, ist das Leben dort anfangs ein Schock für sie: kleine beengte Wohnungen, mit teilweise erschreckenden hygienischen Verhältnissen, und bei den meisten Frauen folgt eine Schwangerschaft auf die andere. Aber Jenny Lee beißt sich durch – und entdeckt die liebenswerten Seiten ihres neuen Lebens.

Beengte Wohnungen im East End (c) UPHE

Basierend auf den Erinnerungen von Jennifer Worth erzählt die BBC-Serie „Call the Midwife – Ruf des Lebens“ von dem Leben im Londoner East End Ende der 1950er Jahren und überzeugt vor allem mit ihrem Produktionsdesign. Die Kulissen, die Kleidung und jedes Detail passen perfekt und lassen die Atmosphäre jener Jahre sehr spürbar werden. Hinzu kommt die Handlung: In jeder Episode der Serie wird eine in der Regel abgeschlossene Geschichte erzählt, die ein Schlaglicht auf die Probleme der damaligen Zeit wirft. Dazu gehören dicht aufeinanderfolgende Schwangerschaften, die Gefahr einer Schwangerschaftsvergiftung, Prostitution und falsche Vaterschaften. Aber es werden auch die Errungenschaften des National Health System herausgestellt, die vielen Frauen das Leben retteten. Zumeist sind die erzählten Geschichten rührend und entlarven eher nebenbei die Zustände der Zeit. Dabei ragt insbesondere die Episode „We are Family“ („Geschwisterliebe“) heraus, die von der Liebe zwischen einem Bruder und seiner Schwester handelt. Anstatt einer standardisierten Inzest-Story wird hier von dem Leben zweier Waisenkinder erzählt, die immer nur sich selbst hatten. Bei aller Dramatik im Plot behält die Serie aber stets einen leichten Erzählton bei, der sie unterhaltsam macht – und zudem verhindert, dass sie allzu sehr in Kitsch abdriftet. Weiterlesen

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Krimi-Kritik: „Opfer“ von Cathi Unsworth

(c) Suhrkamp

Privatermittler Sean Ward reist im Auftrag einer Anwältin an die Küste im Nordosten Englands, um einen 20 Jahre zurückliegenden Fall wieder aufzurollen. Damals wurde die junge Corrine Woodrow verurteilt, einen Ritualmord begangen zu haben. Seither sitzt sie in der Psychiatrie – und selbst ihr Therapeut ist von der Aussicht, dass sie wieder an die Tat erinnert wird, wenig begeistert. Aber DNA-Proben weisen darauf hin, dass sich mindestens noch eine zweite Person am Tatort befunden haben muss. Deshalb lässt sich Sean Ward nicht abwimmeln und nimmt mithilfe der örtlichen Zeitungsredakteurin Francesca Ryman die Ermittlungen auf.

„Opfer“ von Cathi Unsworth ist ein spannender Kriminalroman, der vor allem zwei Stärken hat: Detailliert und atmosphärisch dicht beschreibt Cathi Unsworth das Leben in der kleinen Stadt Ernemouth, so dass die Enge, die Rebellionsversuche und die Hilflosigkeit einiger Bewohner fast zu spüren ist. Da sie die Handlung auf zwei Ebenen erzählt – die 20 Jahre zurückliegenden Ereignisse im Sommer 1984 und die gegenwärtigen Ermittlungen von Sean Ward – entsteht ein dichtes Panorama des kleinen Ortes. Weiterlesen

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„Engelsgrab“ von Danielle Ramsay

(c) Piper

Das Krimi-Debüt der schottischen Autorin Danielle Ramsey beginnt mit dem Mord, der aus der Perspektive des Opfers geschildert wird. Das ist ein spannender und konventioneller Auftakt für einen Krimi, der sich auch im weiteren Verlauf weitgehend an die Regeln des Genres hält: Die 15-jährige Sophie wurde ermordet und ihr Gesicht wurde entsetzlich verstümmelt. Nachdem er als Folge einer Schussverletzung für sechs Monate außer Dienst war, wird Detective Inspector Jack Brady an den Tatort am Strand von Whitley Bay im Nordosten Englands gerufen. Er soll die Ermittlungen übernehmen, obwohl sein alter Freund und Kollege DI Jimmy Matthews eigentlich dafür vorgesehen war. Aber er hat sich am Tatort wie ein Laie benommen und wurde daraufhin abgezogen. Von Anfang an kommt Brady die Sache merkwürdig vor – und schon bald erfährt er, dass er mit seinem Argwohn richtig liegt: Jimmy Matthews kannte die Tote und war offenbar der letzte, der sie lebend gesehen hat.

Danielle Ramsay verwendet sehr viel Sorgfalt darauf, das Umfeld ihrer Hauptfigur Jack Brady – Parallelen zu Harry Hole sehe nicht nur ich in dieser Figur – zu beschreiben. Weiterlesen

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„Die dunkle Treppe“ von Helen FitzGerald

Vor diesem Buch habe ich fast ein wenig gefürchtet. Dafür haben Klappen- und Pressetext gesorgt, noch dazu habe ich – obwohl ich mich durchaus als hartgesotten bezeichnen würde – immer etwas Probleme mit Folterszenen. Doch als ich Helen FitzGeralds „Die dunkle Treppe“ einmal angefangen hatte, konnte ich das Buch nicht mehr zur Seite legen. Wortwörtlich: Ich habe dieses Buch in einem Rutsch durchgelesen und habe mich willentlich bei einer Verabredung verspätet, weil ich es unbedingt fertig lesen wollte. Deshalb werde ich auch nicht allzu viel über den Inhalt verraten, obwohl er teilweise auf dem Klappentext und auch anderen Besprechungen nachzulesen ist. Doch nach meiner Einschätzung ist „Die dunkle Treppe“ ein Buch, über das man vorab so wenig wie möglich wissen sollte. Weiterlesen

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