Krimi-Kritik: „Power Play“ von Mike Nicol

Nachdem Mike Nicol seine „Rache“-Trilogie abgeschlossen hat, nutzt er nun eine Hintertür zu einer Fortsetzung, einem Spin-Off: In „Power Play“ hat Mace Bishops Tochter Krista die Sicherheitsfirma übernommen und arbeitet nun mit Tami Mongole zusammen, der sie einst eine Affäre mit ihrem Vater unterstellte. Eigentlich wollten sie sich auf die Bewachung von Frauen spezialisieren, aber so ganz lässt sich die Vergangenheit des Vaters nicht abschütteln, daher melden sich gleich zwei Männer, die einst mit Mace in Verbindung standen: Mart Velaze bringt Krista mit der Drohung einer Steuerprüfung der Gelder ihres Vaters dazu, auf zwei chinesische Geschäftsmänner aufzupassen – und der Gangster Titus Anders wendet sich an sie, als seine Tochter in Gefahr gerät. Natürlich hängt alles irgendwie zusammen – so wie in Mike Nicols Romanen immer Verbrechen, Politik und Geheimdienste miteinander in Verbindung stehen. Allerdings sind dieses Mal die Fronten noch ein wenig unklarer, da Maze auf Geheiß einer geheimnisvollen Stimme agiert und auf eine Art Geheimdienst im Geheimdienst trifft, die Gangster nun ehrbare Bürger sein wollen und Geschäfte mit Investoren machen.

(c) btb

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Auch in „Power Play“ verbindet Mike Nicol gekonnt die einzelnen Handlungsfäden aus Gangkriegen, wirtschaftspolitischen Interessen, chinesischer Investitionswut auf dem afrikanischen Kontinent und Schmuggelwaren, außerdem deutet sich an, dass er Größeres vorhat: So ist Krista Anknüpfungspunkt an die „Rache“-Trilogie“, während Maze aus „Bad Cop“ bekannt ist. Demnach hängt auch in Nicols Kriminalromanen alles zusammen. Doch die Handlung ist hier nicht ganz so zwingend wie in der „Rache“-Trilogie, vielleicht auch, weil man sie in dieser Art bei Nicol schon mehrfach gelesen hat. Amüsant erscheinen hingegen die Anspielungen an Shakespeares „Titus Andronicus“, aus dem Nicol großzügig Namen und Handlungszüge übernommen hat – Titus, seine Söhne, seine Tochter Lavinia, der ein ähnliches Schicksal bereitet wird, aber auch eine ähnliche Rache vergönnt ist, gegen die Göttin Tamora, deren Sohn zerstückelt und verbrannt wird, und die für diese Tat Rache an ihm übt – und sie ins Südafrika von Heute transportiert, indem es vordergründig um Profit, implizit aber ebenfalls um Macht und Einfluss geht. Weiterlesen

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Über „Der Anruf“ von Olen Steinhauer

Ein Mann und eine Frau treffen sich in einem Restaurant. Vor Jahren waren sie ein Paar. Er wollte damals mit ihr zusammenziehen, sie hat ihn verlassen. Die reduzierte Ausgangssituation in Olen Steinhauers „Der Anruf“ klingt nach einem Liebesroman. Doch Henry und Celia haben einst als CIA-Agenten in Wien gearbeitet. Damals kam es zu einer Geiselnahme auf dem Wiener Flughafen, bei der alle Insassen der entführten Maschine starben. Seither wird vermutet, dass es damals einen Verräter in dem Büro in Wien gegeben haben muss. Deshalb ist dieses Abendessen nicht nur das Wiedersehen zweier ehemals Liebenden.

Der Anruf von Olen Steinhauer

(c) Blessing

Mit zwei Ich-Erzählern entfaltet Olen Steinhauer auf jeweils zwei Zeitebenen das Geschehen: Es gibt die zurückliegenden Ereignisse in Wien und die Gegenwart in Carmel-by-the-sea. Und da Celia und Henry nicht nur miteinander gearbeitet haben, sondern auch eine Beziehung hatten, wird das übliche Spiel um Vertrauen und Verrat noch um Eifersucht und verletzte Gefühle erweitert. Das Abendessen wird zu einem nervösen Tanz, ein Abtasten und Erahnen des Wissens und der Gefühle des Gegenübers, je länger der Abend jedoch dauert, je mehr Wein getrunken und Gänge verspeist wurden, desto härter wird der Ton. Aus dem Tanz wird ein Verhör, das immer mehr Fragen aufwirft. Weiterlesen

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KrimiZeit-Bestenliste Juni 2016

Hier ist sie, die KrimiZeit-Bestenliste für Juni:

(c) Suhrkamp Nova

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1 (1) Simone Buchholz: Blaue Nacht (Suhrkamp)
2 (9) Dominique Manotti: Schwarzes Gold (Ariadne)
3 (-) Olen Steinhauer: Der Anruf (Blessing)
4 (10) Gerald Kersh: Die Toten schauen zu (Pulp Master)
5 (-) Christian Roux: Der Mann mit der Bombe (Polar)
6 (4) Ahmed Mourad: Vertigo (Lenos)
7 (6) James Lee Burke: Mississippi Jam (Pendragon)
8 (-) Andrea Fischer Schulthess: Motel Terminal (Salis)
9 (-) Ulrich Ritzel: Nadjas Katze (btb)
10 (-) Christine Lehmann: Allesfresser (Ariadne)

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Kino-Tipp – „Outside the Box“ und „Der Nachtmahr“

Es wird ja sehr gerne pauschal über das deutsche Kino geurteilt, dass es langweilig sei. Vorhersehbar. Dröge. Am Donnerstag sind jedoch zwei Filme angelaufen, die zeigen, das deutsches Kino aufregend sein kann. Lustig. Und innovativ. Deshalb erfolgt an dieser Stelle die Empfehlung, sich den Coming-of-Age-Horror-German-Angst-Film „Der Nachtmahr“ und sehr bissige Businesssatire „Outside the box“ anzusehen. Damit möglichst viele sehen, dass der deutsche Film eben doch mehr als Schweiger-Schweighöfer ist.

Selbst habe ich die Filme nicht besprochen, daher verweise ich an dieser Stelle auf die geschätzten Kollegen Joachim Kurz und Harald Mühlbeyer: „Outside the Box“ und „Der Nachtmahr“

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Krimi-Kritik: „Schwarzes Gold“ von Dominique Manotti

Auf dem Filmfest München lief im vorigen Jahr „La French“ (mittlerweile unter „Der Unbestechliche – Mörderisches Marseille“ auch auf DVD erschienen), in dem Jean Dujardin die „French Connection“ bekämpft, mittels der Heroin über Marseille in die USA geschmuggelt wird. Ich habe mir dann – gewissermaßen als Fortsetzung – noch einmal „French Connection“ von William Friedkin angesehen, der zwar rund 14 Jahre Jahre älter, aber spannender ist. Und zufällig waren diese Filme die perfekte Vorbereitung für „Schwarzes Gold“ von Dominique Manotti.

(c) Ariadne

(c) Ariadne

Ausnahmsweise beginne ich mal mit einem Wort zum Cover. Fast bin ich geneigt zu glauben, die grundsätzlich schwarze Covergestaltung der Ariadne Kriminalromanreihe habe nur auf diesen Buchtitel gewartet. Ein schwarzer Fleck auf dem schwarzen Hintergrund, der Autorinnenname wie immer weiß, der Titel dann orange-gold und hinzu kommt ein gleichfarbiges Lesebändchen. Sehr schön – und ebenso makellos schlicht wie das Äußere des Buches ist, geht es im Inneren weiter.

Mit „Schwarzes Gold“ geht Dominique Manotti im Marseille des Jahres 1973 an den Anfang der Karriere von Commissaire Théodore Daquin, um von den Anfängen einer kriminellen Verbindung zu erzählen, die noch heute Bestand hat. Dabei nutzt sie die Ereignisse um die „French Connection“ als Ausgangspunkt, um nicht über Drogen, sondern über Erdöl zu erzählen.

Trotz der kurzfristigen Ermittlungserfolge gegen den Drogenhandel wird alles in Marseille weiterhin von den alten Seilschaften aus korsischer Mafia, Marseiller Gangstern, korrupter Polizisten und Politiker bis in die höchsten Kreise bestimmt. In diesem Geflecht aus Geschäftsverbindungen, Feind- und Freundschaften ist der Pariser Daquin ein Außenseiter, der sogleich die Auswirkungen zu spüren bekommt. Sein erster Fall – tödliche Schüsse auf zwei Passanten – wird von dem zuständigen Ermittlungsrichter als Folge eines Bandenkrieges abgetan. „Wenn die Banditen sich gegenseitig umbringen wie in dem Fall, über den wir sprechen, schert die anständigen Leute das wenig. Sie fühlen sich nicht bedroht“. Also soll er lediglich die Identität der Opfer herausfinden, damit die Polizei den Bandenkrieg weiter nachvollziehen kann. Weiterlesen

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Krimi-Kritik: „Blaue Nacht“ von Simone Buchholz

„Blaue Nacht“ ist das erste Buch, das ich von Simone Buchholz gelesen habe. Und diese Information ist wesentlich für das Folgende, sie begründet den einzigen Aspekt dieser Kritik, der vielleicht nachteilig bewertet werden könnte – es von mir aber nicht wird: Ich hatte anfangs leichte Schwierigkeiten, einen Überblick über die Personen zu behalten. Aber das lag – wie gesagt – ganz allein an mir, denn nach zwanzig, dreißig Seiten war ich mittendrin im Hamburg von Chastity Riley.

(c) Suhrkamp Nova

(c) Suhrkamp Nova

Chastity Riley ist Staatsanwältin in Hamburg, allerdings wurde sie als „Opferschutzbeauftragte“ aufs Abstellgleis geschoben, nachdem sie einen Vorgesetzten der Korruption überführt und einem Gangster seine „Kronjuwelen“ weggeschossen hat. Aber sie nimmt die Situation hin, sucht Opfer von mutmaßlichen Gewaltverbrechen auf und hält sich so bedeckt wie es ihr möglich ist. Das neuste Opfer ist ein Mann, dem fast alle Knochen gebrochen wurden und der Zeigefinger der rechten Hand abgeschnitten wurde (augenscheinlich wussten die Täter nicht, dass er Linkshänder ist. Riley soll sich um ihn kümmern, den Fall aufklären soll sie nicht, macht sie aber trotzdem. Und damit kommt sie einem Drogendeal auf die Spur, der Crystal Meth und Krok ins Land bringen soll. Weiterlesen

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Krimi-Kritik: „Hades“ von Candice Fox

Manche Bücher sind ein Höllenschlund, der sich öffnet und einen hineinzieht. Teilweise sogar mit so viel Raffinesse, dass man es beim Lesen gar nicht sofort bemerkt, sondern erst, wenn man das Buch ausgelesen und zugeklappt hat.

(c) Suhrkamp

(c) Suhrkamp

„Hades“ beginnt mit einem finster-guten Kapitel, in dem Hades – Herrscher über die Müllkippe und der Mann, an den man sich wendet, wenn man etwas verschwinden lassen will – ein Bündel erhält, in dem eine Kinderleiche zu stecken scheint. Danach wechseln Zeit und Perspektive: „Als ich Eden Archer das erste Mal erblickte, hielt ich mich für einen glücklichen Menschen“, erzählt Cop Frank Bennett, der gerade seiner neuen Partnerin bei der Mordkommission begegnet ist. Bald lernt er ihren Bruder Eric kennen, der dort ebenfalls arbeitet und eindeutig das Sagen auf dem Revier hat. Alle kuschen vor ihm. Aber Frank setzt sich tapfer zur Wehr, versucht Eden besser kennenzulernen, denn immerhin ist sie hübsch und seine Partnerin. Er ist ein hardboiled-Erzähler, der aber schon bald merkt, dass Eden – wie man so schön sagt – nicht seine Liga ist, ohne zu ahnen, wie weit entfernt sie von ihm ist. Oder auch nicht. Denn Candice Fox versteht es, mit Genreregeln zu spielen, sie genau so weit zu treiben, dass sowohl Kenntnis als auch Distanz zu spüren ist. Daher ist Eden nicht einfach unerreichbar, sondern sie lebt nach eigenen Regeln und einer eigenen Moral. Weiterlesen

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