Krimi-Kritik: „Blaue Nacht“ von Simone Buchholz

„Blaue Nacht“ ist das erste Buch, das ich von Simone Buchholz gelesen habe. Und diese Information ist wesentlich für das Folgende, sie begründet den einzigen Aspekt dieser Kritik, der vielleicht nachteilig bewertet werden könnte – es von mir aber nicht wird: Ich hatte anfangs leichte Schwierigkeiten, einen Überblick über die Personen zu behalten. Aber das lag – wie gesagt – ganz allein an mir, denn nach zwanzig, dreißig Seiten war ich mittendrin im Hamburg von Chastity Riley.

(c) Suhrkamp Nova

(c) Suhrkamp Nova

Chastity Riley ist Staatsanwältin in Hamburg, allerdings wurde sie als „Opferschutzbeauftragte“ aufs Abstellgleis geschoben, nachdem sie einen Vorgesetzten der Korruption überführt und einem Gangster seine „Kronjuwelen“ weggeschossen hat. Aber sie nimmt die Situation hin, sucht Opfer von mutmaßlichen Gewaltverbrechen auf und hält sich so bedeckt wie es ihr möglich ist. Das neuste Opfer ist ein Mann, dem fast alle Knochen gebrochen wurden und der Zeigefinger der rechten Hand abgeschnitten wurde (augenscheinlich wussten die Täter nicht, dass er Linkshänder ist. Riley soll sich um ihn kümmern, den Fall aufklären soll sie nicht, macht sie aber trotzdem. Und damit kommt sie einem Drogendeal auf die Spur, der Crystal Meth und Krok ins Land bringen soll.

„Blaue Nacht“ hat wunderbar eigensinnige Charaktere, die gewissermaßen Rileys engsten Kreis ausmachen. Sie ist mit ihrem Nachbarn, dem Ex-Gauner Klatsche, der nun die titelgebende Kneipe Blaue Nacht betreibt, mal mehr, mal weniger liiert, ihre beste Freundin Carla stammt aus Portugal und führt nun ein Café auf St. Pauli mit dem Ex-Gauner Rocco, der pensionierte Polizist Georg Faller ist ein guter Mensch, der quasi innerlich gefroren ist, damit er seinen Zorn im Zaum hält, der Polizist Vito Calabretta muss anfangs seinen Liebeskummer verdauen und vor allem vertrinken. Jedoch sind sie nicht nur in der Erzählgegenwart anzutreffen, sondern Simone Buchholz spannt einen Bogen von gut drei Jahrzehnte, in denen man ihnen und anderen Figuren in knappen Selbstaussagen begegnet. Genau hier muss man aufpassen und genau lesen – gerade, so vermute ich, wenn man die vorigen Bücher nicht kennt.

Der Erzählstil, die Charaktere und der schroffe, karge, direkte Ton, der gut ins St.-Pauli-Setting passt, lassen einen sehr eigenen Stil entstehen, in dem Milieugeschichten, grausame Details des Drogenhandels und furchtbare Folgen des Drogenkonsums verhandelt werden. Dadurch entsteht eine eigentümlich-raue Atmosphäre, die man ungern verlässt.

Simone Buchholz: Blaue Nacht. Suhrkamp 2016.

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2 Gedanken zu „Krimi-Kritik: „Blaue Nacht“ von Simone Buchholz

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