Zwei Wochen Urlaub an der Ostsee bedeuteten für mich vor allem viel Zeit zum Lesen. Zu einigen Büchern werde ich noch etwas längere Besprechungen schreiben, aber vorab schon einmal einige Anmerkungen zu den gelesenen Büchern (in Lese-Reihenfolge):
Sofi Oksanen: Fegefeuer
Ein packender Roman über die Geschichte Estlands, gespiegelt im Schicksal zweier Frauen. Eine Besprechung folgt.
Elmore Leonard: Road Dogs
Die Fortsetzung von „Out of Sight“ erzählt die Geschichte des Bankräubers Jack Foley weiter, bleibt aber hinter dem ersten Teil zurück. Auch hier folgt im Rahmen meiner Elmore-Leonard-Reihe ein ausführlicherer Beitrag.
Andrea Böhm: Gott und die Krokodile. Eine Reise durch den Kongo
Ein Buch, das ich schon lange lesen wollte, da ich mich sehr für Afrika im Allgemeinen und den Kongo im Besonderen interessiere. „Gott und die Krokodile“ ist ein Reportagebuch, in dem Andrea Böhm ein sympathisches und kritisches Porträt des Landes zeichnet, in dem „se débrouiller“ – sich durchwursteln – das Lebensmotto der Bewohner ist. Sehr schön verknüpft Andrea Böhm ihre Porträts und Geschichten mit der Historie, auch wenn ich mir mitunter etwas mehr Prägnanz gewünscht hätte. Aber zweifellos ein Buch, das sich gerade für eine erste Begegnung mit dem Land sehr gut eignet.
Pétur Gunnarsson: punkt punkt komma strich
Ebenfalls ein Buch, das schon sehr lange in meinem Regal lag. In „punkt punkt komma strich“ erinnert sich Pétur Gunnarssons episodenhaft an seine Kindheit in Island und zeichnet ein sehr genaues Bild des Landes in der Zeit um und nach dem Zweiten Weltkrieg. Voller Witz, Ironie und Lakonie ist dieses Buch ein sprachliches Meisterwerk, aus dem ich meinem Mann immer wieder Sätze vorgelesen habe – und auf dessen Fortsetzung ich mich freue.
Uta-Maria Heim: Feierabend
Diesen Kriminalroman habe ich auf der KrimiZeit-Bestenliste entdeckt und da ich immer auf der Suche nach guten deutschsprachigen Kriminalromanen bin auch gekauft. Allerdings hat mich das Buch letztlich nicht begeistert. Uta-Maria Heim entwickelt durch Monologe dreier Frauenfiguren – die Übersetzerin Helene, ihre Tochter Susanne sowie ihrer vermeintlichen Putzfrau – eine Geschichte über das Erinnern und Vergessen, Lebenskrisen und Verdrängung. Dabei gelingt es ihr, jeder Figur einen eigenen Ton zu geben, aber insgesamt waren es mir zu viele Worte, die gemacht wurden – und auch zu viele Probleme, die angesprochen werden. Es geht um Euthanasie, Sterbehilfe, Grafeneck, Alkoholismus, das Stockholm-Stellvertreter-Syndrom, Partydrogen, sexuellen Missbrauch, Bulimie und vieles mehr. Wenngleich Uta-Maria Heim deutlich auf das Exemplarische ihrer Geschichte weist, war es mir insgesamt zu konstruiert und überladen.
Joe R. Lansdale: Die Wälder am Fluss
Erst kürzlich habe ich Lansdales „Ein feiner dunkler Riss“ besprochen, nun habe ich „Die Wälder am Fluss“ nachgeholt. Hier erzählt der amerikanische Autor von dem zwölfjährigen Harry, der in Marvel Creek im Osten Texas in den 1930er Jahren lebt und eines Tages die verweste Leiche einer Afroamerikanerin findet. Inmitten des alltäglichen Rassismus, der Armut und der Hitze will Harrys Vater dieses Verbrechen aufklären, auch wenn der Mord an einer Schwarzen kaum einen interessiert. Atmosphärisch dicht, berührend und gut erzählt –eine ergreifende und spannende Coming-of-Age-Geschichte!
Sherwood Anderson: Winesburg, Ohio
Ein Klassiker der modernen us-amerikanischen Literatur, der als Vorläufer Faulkners und Hemingsways gilt – und den ich schon immer einmal lesen wollte. Als nun Anfang 2012 zwei neue Übersetzungen erschienen sind, landete das Buch bei Skoobe in meiner Leseliste. Sherwood Anderson erzählt Geschichten aus der Kleinstadt Winesburg in Ohio, deren verbindendes Element der Zeitungsreporter George Willard ist. Sorgsam und mit knappen Worten untersucht er in seinen kurzen Episoden das amerikanische Versprechen des Strebens nach Glück, das sich für die meisten der Bewohner nicht erfüllen wird.
James Sallis: Drive
Anlässlich der bald in deutscher Übersetzung erscheinenden Fortsetzung von James Sallis‘ großartigem Roman habe ich im Urlaub die englische Originalfassung noch einmal gelesen. Damit ist „Drive“ eines der wenigen Bücher, das ich tatsächlich zum zweiten Mal gelesen habe. Und das sagt eigentlich schon alles aus. Großartig!
Arne Dahl: Opferzahl
Sehr groß war meine Freude, als ich in einer Buchhandlung auf Fehmarn auf die Taschenbuchausgabe von „Opferzahl“ stieß. Der neunte Fall des A-Teams gehört definitiv zu den besten der Reihe, wenngleich auch hier Arne Dahls zunehmende Neigung zu Abhandlung einer Vielzahl gesellschaftlicher Probleme deutlich wird. Aber der Fall ist spannend und gut konstruiert, die Entwicklung der Figuren wird in einem reduzierten Maß vorangetrieben – und ich freue mich nun schon sehr auf den abschließenden Teil.
Morten Ramsland: Hundsköpfe
Asger Eriksson kehrt nach Dänemark zurück, um seine Großmutter auf dem Sterbebett noch einmal zusehen. Diese Rückkehr ist Anlass für seine sprunghaften Erinnerungen an die wechselvolle Geschichte seiner Familie. Dabei zeichnet seine Familie vor allem aus, dass sie allerhand Traumata erlitten hat und über viele Talente verfügt. Tatsächlich geschieht in Morten Ramslands Roman unglaublich viel, oftmals bedient sich der Autor bei den Mitteln der Groteske. Derb und robust geht es zu in diesem Roman, oftmals auch sehr turbulent. Aber die schrägen Figuren sind mir unweigerlich ans Herz gewachsen.
Matthew Weiner: FBI
Über diese groß angelegte Geschichte des FBI werde ich noch einen ausführlichen Beitrag schreiben.
E.L. James: 50 Shades of Grey
Ich habe Harry Potter widerstanden, ich habe „Twilight“ widerstanden – und auch fast jedem weiteren gehypten Buch der letzten Jahre. Doch als ich „50 Shades of Grey“ bei Skoobe entdeckte, siegte meine Neugier und ich las dieses vermeintlich skandalöse Buch mit stetig wachsendem Amüsement. Wer „50 Shades of Grey“ allen Ernstes als Skandal oder Sado-Maso-Roman bezeichnet, sollte nicht älter als 16 Jahre sein oder bisher kaum etwas gelesen, geschweige denn gesehen haben. Denn diese Geschichte der 21-jährigen jungfräulichen und sehr unschuldigen Studentin Anastasia Steele, die dem reichen, gut aussehenden und düsterem Geschäftsmann Christian Grey begegnet, ist ein sprachlich unbeholfener Groschenroman mit ausführlichen Sex-Szenen, klischeehafter Romantik und unfreiwilliger Komik.
Wojciech Jagielski: Wanderer der Nacht
Wer sich jenseits des Hypes um das Anti-Kony-Video wirklich für die Geschichte Ugandas interessiert, dem möchte ich zwei Bücher empfehlen: Jane Bussmanns „Von Hollywood nach Uganda“, in dem die britische Klatschreporterin aus Leidenschaft für John Prendergast nach Uganda reist, die afrikanische Wirklichkeit kennenlernt und von ihren Erfahrungen und Beobachtungen pointiert mit bitterbösem Humor erzählt. Und Wojciech Jagielskis literarische Reportage „Wanderer der Nacht“, in der der polnische Reporter sehr anschaulich das Wirken von Joseph Konys „Lord Resistance Army“, das Schicksal der Kindersoldaten sowie die Geschichte von Uganda nachzeichnet. Eine sehr eindringliche und erschütternde Reportage!
50 Shades of Grey: Dazu habe ich gerade eine irre Parodie bei Amazon gefunden: “Sixty Shades of Blood. Erotik-Satire oder so”. Herrlich, wie der Bestseller da durch den Kakao gezogen wird. Könnte was für dich sein…
LG
Ursula