Seit „The Wire“ bin ich ein großer Freund von Serien-DVD-Boxen. Sie ermöglichen das Sehen in selbstgewählter Geschwindigkeit und Originalton – was nicht zuletzt bei „True Blood“ ein großer Vorteil ist. Und seit ich einmal damit angefangen habe, kann ich Synchronfassungen nur noch selten etwas abgewinnen. Dennoch kaufe ich nicht jede Serie, sondern sie muss meine Neugier geweckt haben und/oder zu einer Zeit und auf einem Sender laufen, der mir ein normales Sehen nicht ermöglicht. „Verdict revised“ läuft um 23 Uhr auf ZDFneo. Diesen Sender kann ich nicht aufnehmen und die Zeit ist ebenfalls recht spät für mich – daher habe ich mir die erste Staffel der schwedischen Krimiserie mit Mikael Persbrandt als DVD-Box gekauft.
Die erste unschöne Überraschung folgte dann schon kurz nach dem Einlegen der DVD: Zwar gibt es den schwedischen Originalton, aber keine deutschen Untertitel. Das ist in meinen Augen ein Unding. Heutzutage sollte sowohl die Originalfassung als auch eine deutsche Untertitelung (wenigstens bei einer Sprache, die nicht in der Schule gelehrt wird) zur Standardausstattung gehören. Aber gut, da ich des Schwedischen nicht mächtig bin, schaute ich mir die Serie eben synchronisiert an. Die zweite Enttäuschung bahnte sich leider recht schnell an: „Verdict revised“ ist trotz der grundsätzlich interessanten Ausgangsidee einfach keine gute Serie. Im Mittelpunkt steht der Strafrechtsprofessor Markus Haglund (Mikael Persbrandt), der mit einer Gruppe von vier Studenten Gerichtsfälle wieder aufrollt, bei denen sie einen Justizirrtum vermuten. In den ersten Folgen hing das Fehlurteil (und das es eines ist, ist von Anfang an klar) stets mit der Korruption von Justizangestellten oder einflussreichen Menschen der Gesellschaft zusammen, die aus hanebüchenen Gründen ihre Fehler vertuschen wollten. Später gibt es dann immerhin auch noch bewusste Falschaussagen, aber dass schlicht und einfach ein Irrtum, ein menschlicher Fehler vorliegt, kommt nicht vor. Dazu ist jede Folge gleich aufgebaut: Ein Detail erregt die Aufmerksamkeit der Studenten, dann haben sie auch schon die Lösung. Die fehlende Dramatik soll dann wohl die aufdringliche Musik ausgleichen.
Aber gut, nun könnten ja die Charaktere noch reizvoll sein. Aber leider sind die vier Studenten, die die hauptsächliche Ermittlungsarbeit machen, eindimensional und stereotyp. Es gibt die hübsche Blonde (Helena af Sandeberg) aus reichem Elternhaus (im Sinne von Jens Lapidus die Östermalm-Schönheit), die Brünette (Sofia Ledarp) mit inhaftiertem Vater, missionarischem Eifer und wissendem Blick, den Migranten (Francisco Sobrado) mit kriminellem Cousin und den Ex-Polizisten (Leonard Terfelt), der ein besonderes Auge auf seine Kollegen hat. Jede Figur hat ein bis zwei Geheimnisse, die im Verlauf der ersten Staffel aufgeklärt werden – und ebenso vorhersehbar wie die Handlung sind.
Bleibt also nur noch die Hauptfigur. Markus Haglund ist als eine Art Dr. House der Justiz angelegt: ein unsympathischer, aber brillanter Experte. Allerdings wird er nicht zu einem Ekel, nur weil er säuft und mit so gut wie jeder hübschen Frau schläft. Stattdessen ist er erstaunlich aufmerksam. Hier fehlt jegliche Risikobereitschaft, eine wirklich unsympathische Figur zu schaffen. Ohnehin tritt er in der Serie, die ihn angeblich in den Mittelpunkt stellt, recht wenig in Erscheinung – und dann auch immer eher als deus ex machina. Da bleibt als einziger Trost, dass er von Mikael Persbrandt recht charismatisch gespielt wird.
Am ärgerlichsten ist aber die eigenwillige Interpretation von Gerechtigkeit, die die fünf selbst ernannten Wahrheitssucher vertreten. Wenn es ihnen in den Sinn kommt, dann behalten sie Ermittlungsergebnisse für sich. Sicherlich mag ihre Entscheidung nachvollziehbar sein, aber hier gehen die Macher dieser Serie erneut einem Risiko aus dem Weg. Sie wählen die einfache Lösung, anstatt sich der selbst gewählten Prämisse zu stellen, Ungerechtigkeiten auszugleichen. Damit stehen sie sicherlich nicht alleine dar, sondern es ist in vielen Krimiserien üblich, dass die Ermittler die „Wahrheit“ in die eigene Hand nehmen. Aber es wäre doch mal eine Herausforderung, dem Zuschauer diese Einsichten zuzumuten. „Verdict revised“ mutet den Zuschauern hingegen gar nichts zu – und bleibt daher serielle Konfektionsware.