Ein ganz normaler Morgen in Schweden. Anna (Iben Hjejle) arbeitet bereits von zu Hause aus, das Telefon klingelt ständig. Also beschließt ihre Tochter Tove, dass sie mit dem Rad zur Schule fährt, um pünktlich zu sein. Zur gleichen Zeit bereitet sich Johan (Mikael Persbrandt) auf die Arbeit vor, er tanzt durch seine Wohnung, verabschiedet sich von seiner Freundin und fährt mit dem Auto los. Plötzlich knallt es! Er ist mit einer Radfahrerin zusammengestoßen – und Tove stirbt später im Krankenhaus. Nur kurz sieht er Anna, als sie das Krankenhaus mit der Schultasche ihrer toten Tochter im Arm verlässt. Und inmitten seiner Schuldgefühle glaubt er eine Anziehung zu spüren. Sie bemerkt ihn nicht.
Ungefähr ein Jahr später begegnen sie sich auf einem Bahnsteig am Bahnhof Stockholm Ost. Sie kommen ins Gespräch, fahren mit dem Zug in dieselbe Richtung. Nur Johan weiß um ihre schicksalshafte Verbindung, aber er schweigt. Als Anna ihren Filofax vergisst, ergreift er die Initiative und bringt ihn ihr vorbei. Fortan treffen sie sich häufiger und verbringen viel Zeit miteinander. Anna spielt Johan vor, ihre Tochter lebe noch – und Johan glaubt, er könne Anna in ein Leben zurückhelfen, indem er ihr glaubt. Zudem wäre er frei von Schuld, würde Tove noch leben. Sie verlieben sich ineinander – und in ihrer Fantasiewelt können sie eine Weile glücklich sein. Aber irgendwann muss die Wahrheit herauskommen …
Das Drama von Simon Kaijser da Silva ist schön fotografiert und sehr gut gespielt. Die Chemie zwischen Iben Hjejle und Mikael Persbrandt stimmt, so dass die Anziehung zwischen ihnen sehr glaubhaft ist. Zudem spiegeln die Bilder diese Nähe wider. Die Musik ist zurückhaltend, oftmals stammt sie aus Quellen in dem Bild. Daher stimmen die Voraussetzungen für ein berührendes Drama. Doch die Geschichte einen großen Widerhaken: Johan weiß die ganze Zeit, dass er den Tod von Annas Tochter zu verantworten hat. Würde er die Wahrheit sagen, hätte diese Liebe von vorneherein keine Chance. Doch so schweigt er – und lässt zu, dass Anna sich in ihn verliebt. Dadurch erscheint die Zuneigung von vorneherein als falsch und erschlichen. Fraglos befindet sich Johan ebenfalls in einem Ausnahmezustand. Er leidet unter seiner Schuld, daran kann auch der Freispruch vor Gericht nichts ändern. Doch vergrößert er durch sein Verhalten seine Schuld nicht, indem er es in Kauf nimmt, Anna ein zweites Mal zu verletzen?
Dagegen lässt sich Annas Verhalten besser verstehen. Sie vermisst ihre Tochter und ist weniger bestrebt, in den Alltag zurückzukehren als ihr Mann. Die Ehe leidet, es scheint von Anfang nur eine Frage der Zeit, bis sie zerbricht. Aber Anna kann sich dieses Scheitern nur schwer eingestehen. Ist sie mit Johan zusammen, scheint die Welt besser zu sein. Doch letztendlich ist sie es, die erkennt, dass ihre Liebe zu Johan in der Fantasie nicht von Dauer ist. Sie offenbart die Wahrheit und findet dadurch einen schmerzhaften Weg zurück ins Leben.
„Stockholm Ost“ hätte ein berührendes Drama über Trauer und Schuld werden können, da das Drehbuch einige spannende Fragen aufwirft, über die man noch nach dem Abspann nachdenkt. Am Ende findet der Film jedoch allzu leichte Antworten, die einen faden Nachgeschmack hinterlassen.