Fassungslos saß ich am Ende der letzten Folge der großartigen Serie „Kommissarin Lund“ vor dem Fernseher. Dreißig Folgen – drei Staffeln lang – war Sarah Lund (Sofie Gråbøl) eine famose Ermittlerin mit Macken und Stärken. Sie wurde als Figur sehr gut entwickelt, einzig ihr Pullover blieb in den Folgen immer gleich. Sie hat ihre Partner überlebt, mehrere Trennungen durchgemacht und sogar ertragen, dass sich ihr Sohn von ihr distanziert. Und dann wählen die Serienmacher das schlimmste aller möglichen Enden.
Vorweg: Eine starke dritte Staffel
Über neun Folgen lang bot die dritte Staffel von „Kommissarin Lund“ fast alle Stärken der ersten Staffel: einen spannenden Fall, Verwicklungen in der Politik und – eine sehr gute Entscheidung – in die Wirtschaft. Dadurch wurde der Bogen weiter gespannt als bei der schwachen zweiten Staffel, die unter der zu frühen Preisgabe des Täters gelitten hat. (Oder hatte da jemand noch Zweifel, nach (SPOILER) der Name genannt wurde?) Außerdem hat Sarah Lund erstmals die Möglichkeit, ein Opfer zu retten: Die Tochter des reichen Robert Zeuthen (famos: Anders W. Berthelsen) wurde entführt. Der Entführer verlangt, dass Robert Zeuthen selbst festlegen soll, welche Schuld er für seine Tochter begleichen will. Und in Zeiten einer Finanzkrise denkt vorerst außer dem Zuschauer keiner daran, dass es ihm um etwas anderes als Geld gehen könnte. Dadurch entspinnt sich schätzungsweise 555 Minuten lange spannende Unterhaltung, die wieder einmal beweist, warum „Kommissarin Lund“ eine gute Krimiserie ist.
Die Besonderheiten der Serie
Sicherlich leidet die Serie insgesamt darunter, dass alle Staffeln ein ähnliches Strickmuster haben. Jede Staffel beginnt mit einem Fall, der anfänglich nach Routine aussieht, es folgen Verflechtungen der Politik, in deren Zentrum stets ein Politiker steht, der grundsätzlich das Richtige tun will, es aber letztlich nicht tun wird. Er hat einen Mann und eine Frau als vertraute Mitarbeiter, die in den Fall verwickelt sind. Die Polizeiführung verhält sich in der Regel unprofessionell, einzig Lunds loyaler Chef Brix hält ihr den Rücken frei und scheint an der Wahrheit interessiert zu sein. Daneben ist in der Regel derjenige der Täter, der schnell als „zu offensichtlich“ abgehakt wird. Nach einer Vielzahl Irrwegen findet Sarah Lund dann den Mörder von Nanna Birk Larsen (Staffel 1), stellt den Serienmörder (Staffel 2), der Soldaten tötet, und deckt nebenbei noch allerhand weitere Verwicklungen auf. Dadurch zeigt die Serie zum einen, wie eng Verbrechen und Politik zusammenhängen, zum anderen greift Serienmacher Søren Sveistrup aktuelle Themen auf: das Verhältnis von Politik und Medien spielt stets eine Rolle, hinzu kommt das Verhältnis der poltischen Parteien (Staffel 1), die dänische Beteiligung am Afghanistan-Einsatz (Staffel 2) und nun die Finanzkrise. Daneben ist die Serie düster, toll gespielt und atmosphärisch dicht, außerdem beweist diese Staffel, warum Sarah Lund eine der besten weiblichen Ermittlerfiguren ist. Sie darf den Fall über ihr Privatleben stellen, Ecken und Kanten behalten; sie darf auch mal keine Lust auf eine Ermittlung haben und sich dann umso tiefer hineinstürzen. Über all die Folgen ist sie eigensinnig geblieben und hat getan, was getan werden muss. Und genau deshalb hätte sie einen würdigeren Abschluss verdient.
Warum musste es so enden? (Achtung SPOILER!)
In den letzten Minuten der letzten Folge von „Kommissarin Lund“ passiert eine hanebüchene Wendung: Das Mädchen kann gerettet werden, aber der eigentliche Grund für die Tat – fortgesetzter sexueller Missbrauch an Heimkinder durch den Zeeland-Vertrauten Niels Reinhardt (Stie Hoffmeyer) – wird nicht strafrechtlich verfolgt werden können. Es gibt keine Zeugen und – weitaus schlimmer – kein Interesse daran, diesen Fall weiterzuverfolgen. Diese Entscheidung ist insbesondere bei Robert Zeuthen nur schwer nachzuvollziehen, da seine eigene Tochter aus diesem Grund entführt wurde. Aber sie passt zu der Serie, in der die größten Schurken oftmals ungeschoren davonkommen sind. Doch was macht Kommissarin Lund, die routinierte, sicher etwas frustrierte Ermittlerin: Sie zieht ihre Pistole und erschießt Reinhardt in einem wahnwitzigen Akt der Selbstjustiz. Damit verspielt sie die sich anbahnende Beziehung zu Kollegen Borch (Nikolaj Lie Kaas), die Möglichkeit, ihr Enkelkind persönlich kennenzulernen und erstmals für ihren Sohn da zu sein (was sie neun Folgen lang versucht hat), ja, sie verspielt die Möglichkeit auf ein Weiterleben in Schweden. Wie es Jochen Hieber in der FAZ so schön formulierte wäre jedes andere Ende besser gewesen http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/schlimmstmoegliche-wendung-das-hat-sarah-lund-nicht-verdient-12110820.html . Sogar eine Sarah Lund im langweiligen Innendienst. Nun lässt die Serie in den Augen mancher (siehe die Kommentare im Blog von Lars Mielke http://www.lars-mielke.de/3816/kommissarin-lund-finale-der-3-staffel/) in der Schwebe, ob sie nach Island oder Kopenhagen flieht. Aber zu dieser unaufgeregten Serie und dieser Ermittlerin passt dieser Schluss nicht. Er ist in meinen Augen nicht der große Knall, stellt nicht die große Leere dar (http://blogs.taz.de/popblog/2013/03/04/die-grosen-tv-serien-1-the-killing-kommissarin-lund-das-verbrechen/, denn schon längst weiß Sara Lund, dass den Institutionen nicht zu trauen ist. Aber sie ist letztlich Polizistin geworden, weil sie – wie auch ihre Mutter nicht müde wird zu betonen – nicht anders kann. Und mit diesem Ende verrät sie alles.
Die DVD
Allein schon die Überraschung und die Diskussion, die das Ende auslöste, zeigen, dass „Kommissarin Lund“ eine sehr sehenswerte Serie ist. Die DVD-Box enthält alle fünf zweistündigen Folgen der dritten Staffel auf jeweils einer Disc, aber leider keinerlei Extras. Gerade angesichts der finalen Staffel – eine Fortsetzung soll ausgeschlossen sein – wäre ein Interview mit Serienerfinder Søren Sveistrup oder auch Hauptdarstellerin Sofie Gråbøl interessant gewesen. Und dieses Mal muss ich mich auch gar nicht über fehlende Untertitel zur dänischen Sprachfassung ärgern, es gibt nämlich noch nicht einmal eine dänische Sprachfassung. Und auch keine Untertitel, die – laut Edel – abermals aus Termingründen nicht möglich waren. Also enthält die DVD-Box lediglich die Folgen und auf der letzten Disc etwas Werbung.
Ich kenne ja nur das US-Remake “The Killing” und das hat mir bisher ziemlich gut gefallen. Mal sehen, ob ich irgendwann nochmal ins Original reinschaue. Im Moment habe ich eh zuviele Serien brachliegen… 😉
Ich habe irgendwo gelesen, dass sich ab der zweiten Staffel die US-Version von der dänischen Serieu unterscheiden soll, weil dort die Handlung weitergesponnen wird. Bei “Kommissarin Lund” stellt ja jede Staffel einen eigenen Fall dar. Allerdings konnte ich mich bisher noch nicht ganz von der Notwendigkeit überzeugen, auch das US-Remake zu sehne. Wie Du so schön sagtest, gibt es noch so viele andere Serien …
Das ist ja schade. Die erste Staffel mochte ich Krimi-Muffel sogar auch sehr gerne, hatte aber dann nicht den Atem, weiterzuschauen. Und das ist jetzt zusätzlich entmutigend. Ein würdiger Schluss ist schon wichtig bei einer Serie.
Nein, trotzdem weitergucken! Es sind ja nur die letzten zehn Minuten, die ärgerlich sind. Die kann man angesichts der vielen schlechten Serien und 08/15-Krimiserien, die es gibt, in Kauf nehmen. 🙂
Ganz grosses kino!
Tolle serie, packend und spannend erzählt, selten so etwas gutes gesehen
Auch das ende ist unglaublich aber nachvollziehbar. Sollte meine heldin kommissarin lund wirklich einen pädophilen serientäter laufen lassen, der dazu auch noch neue taten ankündigt? Selbst die emotionale übervordertheit ist gut dargestellt. Ein verzweifelter schrei nach gerechtigkeit!
Leider keine vortsetztung mehr….
Habe gestern meine Rezension zur zweiten Staffel verfasst und gestern abend/nacht noch die letzte Folge der dritten Staffel gesehen. Und wie die meisten anderen, bin ich auch ziemlich enttäuscht vom Finale, obwohl ich den Machern zugute heißen muss, dass sie sich gegen ein typisches Serienende (ob positiv oder negativ) entschieden haben und etwas ganz eigenes präsentieren.
Ich muss sagen, dass mir die dritte Staffel am wenigsten von allen gefallen hat. Und, da es wohl keine weiteren Staffeln geben wird, ist das Ende mehr als unbefriedigend da offen. Es war gestern schon spät, als ich die letzte Folge geschaut habe, aber ich habe es so verstanden, dass sie wieder zurück nach Kopenhagen fliegt, Borch zurücklässt und IHM den Mord anhängt. Während sie als unschuldig gilt und einen Neustart mit Sohn, Schwiegertochter und Enkelin wagen kann. Im Knast wäre ihr das ja kaum möglich also hat sie kurzerhand Borch die Schuld in die Schuhe geschoben. Brix per Handy informiert und ihr Akku aus dem Handy genommen, damit Borch sie nicht anrufen kann…
Das ist meine Theorie bzw. so habe ich es verstanden. Was natürlich gerade für Lund schockierend ist, aber ich glaube, nachdem sie verinnerlicht hatte, was sie getan hat und was das für Konsequenzen hat, wollte sie sie ihre Zukunft retten und hat nur an sich und ihre Familie gedacht.
Eine andere Möglichkeit wäre, dass sie selbst die Schuld auf sich nimmt, aber ich glaube da eher an meine Theorie. Für mich sah jedenfalls alles danach aus…
ich sehe da durchaus noch weitere möglichkeiten.niels reinhardt wurde von lund so in die enge getrieben,
das er in aussichtsloser lage selbstmord beging.