Hinweis: Der Beitrag enthält kleine Spoiler!
„Three first names, triple winner right off the bat“, murmelt Raylan Givens (Timothy Olyphant) in der ersten Folge der zweiten Staffel von „Justified“. Er soll einen vorbestraften Sexualstraftäter namens Jimmy Earl Dean in Harlan County abholen – und tatsächlich läuft es für den Mann mit den drei Vornamen nicht allzu gut. Für Raylan wird dieser Auftrag abermals zu einer Reise in die Vergangenheit: Jimmy Earl Dean arbeitet für die Bennetts, die in dieser Ecke von Harlan County das Sagen haben, und die Givens sind mit ihnen seit 200 Jahren verfeindet. Zuletzt hat Raylan mit einem Temperamentsausbruch bei einem Highschool-Baseball-Spiel dafür gesorgt, dass ein Sohn der Bennetts nicht mehr richtig gehen kann. Aber Raylan weiß, wie er sich zu verhalten hat – und erklärt Clan-Chefin Mags Bennett (Margo Martindale) seinen Besuch. Dennoch mögen es die Bennetts nicht, wenn sich ein US Marshal bei ihnen herumtreibt und lösen die Probleme lieber auf ihre eigene Art. Daher muss der Vater der 14-jährigen Loretta McCready (Kaitlyn Dever) auch die Konsequenzen für seinen Anruf bei der Polizei tragen.
Die Bennetts als Mittelpunkt
Im Gegensatz zu der ersten Staffel, in der US Marshal Raylan Givens verschiedene Fälle zu lösen hatte, die ihn immer mal wieder mit Boyd Crowder (Walton Goggins) oder seiner Familie in Kontakt brachten, steht die Familie Bennett im Mittelpunkt der zweiten Staffel. Sie wohnt im gleichnamigen Ort und verdient dort ihr Geld mit dem Anbau und Vertrieb von Marihuana. Oberhaupt der Familie ist Mags Bennett. Ihr Sohn Doyle (Joseph Lyle Taylor) ist Sheriff des Orts, die anderen Söhne Dickie (großartig: Jeremy Davies) und Coover (Brad William Henke) arbeiten im Familienunternehmen.
Diese Konzentration hat viele Vorteile: Es gibt einige fortlaufende Handlungsstränge, so dass man im Gegensatz zur ersten Staffel von der ersten Episode an wissen möchte, wie es weiter geht. Auch werden nicht nur die Strukturen innerhalb der alteingesessenen Familien in Harlan County deutlich, sondern auch innerhalb der Gemeinde. Hier hat Mags Bennett ausreichend Einfluss, um einer Bergbaufirma das Leben schwer zu machen – obwohl diese Firma in dem gebeutelten Landstrich mit Geld viel erreichen könnte. Darüber hinaus werden die Charaktere differenziert gezeichnet. Mags Bennett ist nicht nur eine gerissene Gaunerin, sondern sie kümmert sich auch fürsorglich um die 14-jährige Loretta McCready (Kaitlyn Dever), deren Vater sie ermordet hat. Auf den ersten Blick wirkt sie wie eine hilfsbereite, mütterliche Frau, jedoch ist sie auch eine eiskalte Geschäftsfrau, die vor allem das Beste für ihre Familie will. Dabei gelingt es der grandiosen Margo Martindale, dass Mags Taten trotz ihrer Abscheulichkeit innerhalb der Serie verständlich erscheinen. Im Verlauf der Staffel stellt sich heraus, dass sie ihr gerade das Leben, das sie geführt hat, ersparen will. Denn in Harlan gibt es nur zwei Möglichkeiten: nach Kohl zu graben oder kriminell zu werden.
Das Geschäft mit der Kohle wird in einem weiteren Handlungsstrang aufgegriffen, der sich – wie Mags Bennett – an Elmore Leonards Buch „Raylan“ anlehnt: Der Black Pike soll abgegraben werden, dafür benötigt die Kohlegesellschaft die umliegenden Grundstücke. Sicherlich wäre in diesem Handlungsstrang noch mehr drin gewesen, zumal das geplante Fracking ein aktuelles Problem ist. Aber selbst in der Kürze unterstreicht er das grundlegende strukturelle Problem, das Regionen wie Harlan County in Kentucky haben: Mit dem Kohleabbau ist nicht mehr genug Geld zu verdienen, also müssen sie sich nach Alternativen umsehen.
Alte Bekannte aus der ersten Staffel
Neben den Bennetts gibt es ein Wiedersehen mit den Figuren aus der ersten Staffel, die sich weiter entwickeln dürfen. Boyd Crowder changiert weiterhin zwischen Größenwahninn und ehrlichem Streben. Er muss im Verlauf der zweiten Staffel erkennen, dass er der Vergangenheit nicht entfliehen kann. Dabei sorgt insbesondere Walter Walton Goggins schauspielerische Leistung dafür, dass man an Boyds Schicksal Anteil nimmt, obwohl er in der ersten Staffel als Rassist und Mörder eingeführt wurde. Aber er ist keiner der typischen eiskalten Bösewichte, sondern mit Ava (Joelle Carter) ein Paar, das diese Serie sehr bereichert.
Auch Timothy Olyphant ist als grinsender, schnell zur Waffe greifender US Marshal Raylan Givens weiterhin eine gute Besetzung. Wenn Raylan über das Durcheinander sinniert, das er mal wieder angerichtet hat, findet Olyphant die richtige Mischung aus Bestürzung und einem Blick, der besagt, dass er nicht anders kann. Hier fügt er sich sehr gut in die typisch Leonardschen Protagonisten ein, die über ihre Taten oftmals erstaunt sind. Hauptkritikpunkt an der Staffel ist daher die Ausführlichkeit, mit der Raylans Beziehung zu seiner Ex-Frau Winona (Natalia Zea) geschildert wird. Dieser Handlungsstrang nimmt mit all seinen Verwicklungen nimmt zu viel Tempo heraus, hat zu viele Wiederholungen und Wendungen.
Insgesamt ist die zweite Staffel von „Justified“ ein großes Vergnügen: Es gibt spannende Geschichte, sehr viel schwarzen Humor und gute Charaktere. Und am Ende erklingt dann auch das Lied, das den Tenor der gesamte Staffel vorgibt: „You will never leave Harlan alive“.
Die zweite Staffel ist auf DVD bei Sony Pictures Home Entertainment erschienen.
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Sehr schön. Ich stimme wohl in jedem Punkt mit dir überein, nur dass ich diese Staffel mit noch mehr Lob überschütten würde. Nach einer mäßigen ersten, die zum Ende hin Fahrt aufnahm ist die zweite mit weitem Abstand die beste der Serie. Hier wird die Formel, nach der fast jede Episode (leider) funktioniert, perfektioniert und ist glücklicherweise noch unverbraucht. Das ist in den späteren Staffeln leider nicht der Fall. So sind diese, hat man deren Schema erstmal durchschaut, fast schon langweilig (auch wenn ich den Protagonisten unheimlich gerne zuschaue).
Zwei kleine Anmerkungen: Der junge Mann heißt Walton Goggins und, sollte sich der Artikel in erster Linie an Menschen richten, die die Staffel noch nicht kennen, verrätst du fast zu viel, wenn du auch vage genug bleibst.
Huch, danke, den Namen werde ich gleich ändern und dann setze ich sicherheitshalber noch eine leichte Spoilerwarnung an den Anfang. 🙂
Ich hatte schon die Befürchtung, dass dieses Niveau nicht durchgehalten wird, da ich zwischendurch sehr überrascht war, wie gut die Serie funktioniert.
Ich habe den Artikel – aufgrund von Spoilern – bisher nur überflogen, doch Intro und Outro machen auf jeden Fall Lust auf die Serie. Einmal mehr. Noch drei Staffeln “The Shield” und drei Staffeln “Brothers & Sisters”, dann zwei Staffeln “Game of Thrones” und dann ist evtl. Luft für “Justified” 🙂