„Der Tote aus Nordermoor“ ist ein düsterer Krimi, er ist – um ein paar Klischees zu bedienen – schroff wie die isländische Landschaft. Nachdem der LKW-Fahrer Holberg mit eingeschlagenem Schädel aufgefunden wurde, übernehmen der bärbeißige Kommissar Erlendur (Ingvar E. Sigurdsson) und seine Mitarbeiter die Ermittlungen. Sie finden in der Wohnung des Ermordeten die Fotografie eines Kindergrabes, die sie zu einem vierjährigen Mädchen führt, das 1974 bestattet wurde. Die Mutter des Kindes hatte Holberg damals wegen Vergewaltigung angezeigt, das Verfahren wurde aber von einem korrupten Polizisten eingestellt. Damit er die Vaterschaft feststellen lassen kann, lässt Erlendur die Leiche des Mädchens exhumieren. Doch dann folgt die Überraschung: Dem Leichnam wurde vor der Bestattung das Gehirn entnommen. Es liegt im „gläsernen Palast“, der Niederlassung einer Firma, die eine Gesundheitsdatenbank mit den medizinischen, persönlichen und genetischen Daten aller Isländer zusammenführt. Ihr Ziel ist es, DNS auszuwerten und Krankheiten, bei denen eine genetische Komponente vermutet wird, zu erforschen. Und anscheinend litt das Mädchen an einer seltenen Erbkrankheit.
Die Ermittlungen gehen langsam voran, mitunter ist es auch etwas zäh, allerdings überzeugt der Krimi auch mit seiner Düsterheit und seinem Sarkasmus. Die Nebenhandlungen sorgen gut dafür, dass vom eigentlichen Hintergrund der Tat abgelenkt wird – und die Verknüpfung mit der Gen-Datenbank ist gelungen. Tatsächlich wurde eine solche Datenbank 1998 in Island per Gesetz eingerichtet, da das Land mit seinen 290 000 Einwohnern, denen zudem eine weitgehende genetische Homogenität unterstellt wird, als nahezu ideal für diese Erforschung ist. Der Film, der auf dem Kriminalroman „Nordermoor“ von Arnaldur Indriðason basiert, deutet nun recht eindrücklich die Gefahren an: den Missbrauch der Daten, aber auch mögliche Konsequenzen der Ergebnisse.
Regisseur und Drehbuchautor Baltasar Kormákur präsentiert nicht das hippe, moderne Island, sondern die dunkle Seite des Landes. Es regnet, es ist kalt und stürmisch. Im Kontrast mit der kühlen Modernität der Gen-Datenbank gewinnt der Film an Spannung – und bietet zudem einen soliden Kriminalfall.