Schlagwort-Archive: Mukoma wa Ngugi

Radio-Tipp: Krimi-Lesungen von der lit.Cologne

Vor lauter Umzieherei hätte ich beinahe vergessen, noch auf eine besonders schöne Sendung von meinem Lieblingsradiosender Funkhaus Europa hinzuweisen. Am Ostermontag werden zwischen 8 und 12 Uhr die Höhepunkte der Lesungen von Tana French, Adrian McKinty, Tony Parsons, Leif GW Persson, Mukoma wa Ngugi und James Ellroy präsentiert. In der Nacht von 23 bis 3 Uhr laufen die komplette Mitschnitte, die dann auch online verfügbar sein werden.

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Gelesen Mai 2014

13 Bücher habe ich im Mai gelesen – und in Anbetracht meines Besuchs beim Filmfest Emden, einem zweitätigen Hamburg-Aufenthalt und die alljährliche Mai-Häufung von Familien-Feierlichkeiten bin ich damit sehr zufrieden. Zumal es ein Monat mit vielen guten Büchern war.

GelesenMai

André Georgi: Tribunal
Ein durchaus spannender Thriller, der allerdings sein Potential nicht voll ausnutzt.

Mukoma wa Ngugi: Nairobi Heat
Ein großartiger Kriminalroman, der einmal beweist, dass einen guten Krimi so viel mehr ausmacht als Spannung.

Urban Waite: Straße des Todes
Zwei Männer, die nicht einsehen wollen, dass sie auf der Verliererseite stehen und ihr Leben an die Wand gefahren haben. Düster, karg und blutig.

Malcolm Mackay: Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter
Sehr unterhaltsamer Kriminalroman aus Schottland.

Jörg Walendy: Tag der Unabhängigkeit
Eine deutsch-algerische Journalistin will einen Mord aufklären und verstrickt sich in der algerischen Gegenwart aus vorgeblicher Versöhnung und altem Hass. Jörg Walendy kennt sich offensichtlich gut aus in Algerien, etwas mehr Hintergrundinformationen hätte ich mir dennoch gewünscht.

Eberhard Nembach: Gypsy Blues
Ein Reporter kommt auf dem Balkan einem Organ- und Kinderhändlerring auf die Spur und bringt sich selbst in große Gefahr, um einen kleinen Jungen zu retten. Insbesondere anfangs spannend, allerdings reihen sich am Ende die Zusammenstöße der verschiedenen Parteien zu sehr aneinander.

M.J. Arlidge: Eene meene
Jeweils zwei Menschen werden entführt – und wenn einer den anderen tötet, wird der Überlebende freigelassen. Perfide Ausgangsidee, leider zu glatt ausgeführt.

Arthur Schnitzler: Fräulein Else
Gerade in Verbindung mit der interessanten Verfilmung von Anna Martinetz beweist Arthur Schnitzlers Novelle ihre Aktualität.

Adrian McKinty: Die Sirenen von Belfast
Adrian McKinty seine Belfast-Trilogie um Sean Duffy fort – und leider ist der zweite Teil aufgrund des schwächeren Kriminalplots nicht ganz so gut wie der sensationelle Vorgänger „Der katholische Bulle“, aber immer noch ein sehr guter Kriminalroman.

A.K. Benedict: Die Eleganz des Tötens
Abermals geistert ein zeitreisender Serienkiller umher – allerdings bekommt der Mörder es bei A.K. Benedict mit einem ebenfalls zeitreisenden Jäger zu tun. Einige gute Ideen, insgesamt aber zu ausführlich und überfrachtet.

A.S.A Harrison: Die stille Frau
A.S.A. Harrison erzählt eindringlich, wie eine ruhige, beherrschte Frau in einen emotionalen Ausnahmezustand schlittert – und einen Mord begehen wird.

Charlotte Otter: Balthasars Vermächtnis
Eine Kriminalreporterin untersucht den Tod eines NGO-Mitarbeiters, der sie kurz vor seiner Ermordung angerufen hat. Und schon bald steckt sie mitten in einem Sumpf aus Rassismus und Missbrauch. Ein fulminantes Debüt, in dem ich tief in die Atmosphäre von Südafrika eintauchen konnte.

Alissa Nutting: Tampa
Vollständig aus der Perspektive einer 26-jährigen Lehrerin erzählt, die sich an ihrem 14-jährigen Schüler vergeht, ist „Tampa“ quasi eine moderne Variante von „Lolita“, die abgesehen der kalkulierten Skandalmomente auch deutlich macht, dass sexuelle Übergriffe auf Minderjährige je nach Geschlecht des Täters anders bewertet werden.

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Amerika und Afrika – Über „Americanah“ und „Nairobi Heat“

(c) S. Fischer

(c) S. Fischer

Was bedeutet es, schwarz zu sein? In dem großartigen Roman „Americanah“ erzählt Chimamanda Ngozi Adichie von der Nigerianerin Ifemelu, die in die USA geht und dort zum ersten Mal erfährt, was es bedeutet, schwarz zu sein, in einer Welt, in der weiße Haut das Ideal und erstrebenswerte Ziel ist. In dem Moment, in dem sie in den USA ankommt, spürt sie, dass fortan nicht mehr wie in Nigeria die Klasse über ihr Fortkommen entscheidet, sondern die Rasse. Ifemelu – und mit ihr der Leser – erlebt die Allgegenwärtigkeit einer Hautfarbe, die jede Fremd- und bald auch schon Selbstwahrnehmung bestimmt – abhängig von dem Land und der Gesellschaft, in der man sich befindet. In „Nairobi Heat“ geht Mukoma wa Ngugis Protagonist Ishmael gewissermaßen den umgekehrten Weg: Er ist ein afroamerikanischer Cop, der das erste Mal nach Afrika reist und dort in einem Fall ermitteln will. Im Gegensatz zu Ifemelu kennt er die Diskriminierungen in den USA, er kennt die sprachlichen und gesellschaftlichen Codes, denen man sich unterwirft oder gegen die man sich auflehnt. In Kenia erlebt er nun andere Reaktionen auf seine Erscheinung: „Die Leute hier waren klein und schlank, und ich fühlte mich maßlos schwer, als hätte ich einige Körperteile zuviel.“ Die Afrikaner rufen ihn, den „afrikanische(n) Amerikaner, (…) schwarze(n) Amerikaner“ „Weißer Mann“. Anfangs macht es ihm nichts aus, je länger er jedoch in Kenia bleibt, desto mehr empfindet er die Geringschätzung, die damit verbunden ist. Während nun Ifemelu in Adiches Roman mit sich selbst hadert und sich selbst (er-)finden muss, scheint sich bei Ishmael eine Sehnsucht zu erfüllen, die er zuvor nicht gekannt hat. Er wollte nie einer der Schwarzen sein, die sich wie Weiße verhalten, zugleich hat er aber kein Problem damit, dass Schwarze ihn für einen Verräter halten, weil er als Polizist andere Schwarze verhaftet. In Afrika findet er daher auch nicht zu selbst, sondern verbringt Tage voller Leidenschaft, Hass, Liebe und Gewalt. Es ist ein „anderes Leben, ein Leben am Limit, wo es immer um alles oder nichts ging, und in dem man vielleicht nebenbei auch noch was Gutes tun konnte“. Auch Ifemelu geht schließlich nach Nigeria zurück, getrieben von großem Heimweh und der Sehnsucht nach ihrer großen Liebe Obinze, „der einzige Mensch, bei dem sie nie das Bedürfnis verspürt hatte, sich zu erklären“.

(c) Transit Verlag

(c) Transit Verlag

„Americanah“ ist ein globaler Gesellschaftsroman, in dem Chimamanda Ngozi Adichie ihre scharfsinnigen Analysen und Überlegungen in eine Liebesgeschichte einbettet und zugleich von dem Leben der Nigerianer in ihrer Heimat, in England (dorthin geht Obinze) und den USA erzählt. Sehr unterhaltsam und gut zu lesen, hat dieser Roman meinen Blick auf die Welt verändert und zählt für mich zu den besten Büchern des Jahres. Die thematischen Parallelen zu „Nairobi Heat“ sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich stilistisch um zwei grundverschiedene Bücher handelt. „Nairobi Heat“ ist ein hardboiled-Roman, in dem Ishmael den Mord an einer hübschen jungen weißen Frau aufgeklärt, die eines Nachts vor dem Haus eines schwarzen Professors gefunden wird. Der Verdächtige ist Joshua Hakizimana, der 1994 beim Massaker in Ruanda tausende Flüchtlinge gerettet hat und als „der schwarze Schindler“ gilt. Er beteuert seine Unschuld, dennoch hat der Fall allein schon aufgrund der Hautfarbe des Opfers sowie des Verdächtigen politische und gesellschaftliche Brisanz. Ein anonymer Tipp führt Ishmael schließlich nach Nairobi und dort beginnt er, mehr über Joshua herauszufinden. Dadurch verbindet Mukoma wa Ngugi die Detektivgeschichte mit Überlegungen zum Leben in den USA und in Kenia, zu den Folgen des Völkermordes in Ruanda und den Umgang mit Schuld. Daneben geht es in diesem rund 180 Seiten langen Roman um die komplexen Beziehungen zwischen Afrika und den USA, um Verrat und Korruption – und inmitten der Kneipenschlägereien und Toten immer auch um Hoffnung. Deshalb ist „Nairobi Heat“ ein sagenhaftes Debüt – und ebenso wie „Americanah“ sehr gute Literatur.

Mukoma wa Ngugi: Nairobi Heat. Übersetzt von Rainer Nitsche. Transit Verlag 2014.
Chimamanda Ngozi Adichie: Americanah. Übersetzt von Anette Grube. S. Fischer 2014.

Über die Autoren

Foto: Africanwriter.com

Foto: Africanwriter.com

„Nairobi Heat“ ist der Debütroman von Mukoma wa Ngugi, der 1971 als Sohn von Ngugi wa Thiong’o in Evanston, Illionis/USA geboren wurde, in Kenia aufgewachsen ist und zum Studium zurück in die USA ging. Er arbeitet als Literaturprofessor an der Cornell University und schreibt als Journalist und Kolumnist für verschiedene Zeitungen und Zeitschriften. Sein zweiter Roman „Black Star Nairobi“ ist gerade in den USA erschienen.

(c) Beowulf Sheehan/PEN American Center

(c) Beowulf Sheehan/PEN American Center

Chimamanda Ngozi Adichie wurde 1977 in Nigeria geboren und ging im Alter von 19 Jahren in die USA. „Americanah“ ist ihr dritter Roman, zuvor erschienen „Blauer Hibiskus“ und „Die Hälfte der Sonne“ (beide im Luchterland Literaturverlag), außerdem ist ihre Kurzgeschichtensammlung „Heimsuchungen“ beim S. Fischer Verlag erhältlich. Für „Americanah“ wurde sie mit dem National Book Critics Circle Award ausgezeichnet. Sie lebt in Lagos und in den USA.

Chimamanda Ngozi Adichie wird im Mai auf Lesereise in Deutschland und in die Schweiz gehen.

12. Mai 2014
Literaturhaus Frankfurt, Schöne Aussicht 2, 60311 Frankfurt. Beginn 19:30 Uhr
13. Mai 2014
Rautenstrauch-Joest-Museum f.Völkerkunde, Bibliothek 2. OG, Cäcilienstraße 29-33, 50678 Köln
14. Mai 2014
Kaufleuten Restaurants AG, Pelikanplatz, 8001 Zürich
15. Mai 2014
Literaturhaus Basel, Theaterstr. 22, 4001 Basel
16. Mai 2014
Kulturbrauerei Palais, Knaackstr. 97, 10435 Berlin
17. Mai 2014
Universität Hannover, Literarischer Salon, Königsworther Platz 1, 30167 Hannover

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