Krimi-Kritik: „Manhattan“ von Don Winslow

(c) Suhrkamp

Nach dem großen Erfolg der späteren Werke von Don Winslow hat sich Suhrkamp entschlossen, auch seine frühen Romane herauszubringen. Und im Gegensatz zu dem etwas langatmigen „Die Sprache des Feuers“ ist „Manhattan“ ein herrlich eleganter und spannender Thriller, als dessen Autor man Don Winslow auf den ersten Blick gar nicht vermuten würde.

Erzählt wird die Geschichte von Walter Withers, dem „Großen Skandinavischen Lude und Tödlichen Anwerber“. Diese Beinamen hat er sich bei der CIA redlich verdient, immerhin sind seine Anwerbungserfolge im Europa der Nachkriegszeit legendär. Seine Waffen sind seine Überredungskunst und sein Charme, überzeugt hat er damit noch jeden potentiellen Spitzel. Auch ist „Walther Withers (…) bei der CIA nicht unglücklich. Ihm fehlte einfach nur New York.“ Also kehrt er im Jahr 1958 nach New York zurück und fängt bei einer Sicherheitsfirma als Privatdetektiv an. Seine Hauptaufgabe besteht darin, potentielle Angestellte von großen Firmen zu überprüfen – als ehemaliger CIA-Agent eine Kleinigkeit. Seine Arbeit erledigt er gewissenhaft und sorgfältig, und seine freie Zeit verbringt er mit seiner großen Liebe Anne, einer Jazz-Sängerin, die er in Europa kennengelernt hat. Dann bittet ihn sein Chef Weihnachten 1958 zu einem besonderen Auftrag: Der Senator und vermutlich zukünftige Präsident Joe Keneally ist mit seiner Frau Madeline in der Stadt und benötigt einen diskreten Sicherheitsmann. Walter übernimmt den Job – und gerät in eine abenteuerliche Verschwörungsgeschichte.

New York statt Kalifornien – Geheimnisse statt Drogenhandel
Don Winslow lässt sich sehr viel Zeit mit der Einführung seiner Figuren und des Handlungsortes. Walter Whiters ist ein Gentleman mit kleinen schmutzigen Geheimnissen, New York am Ende der 1950er Jahre ein Ort der Beat-Poeten und Jazzmusiker, der Broadway-Shows und Abhöranlagen. Gut gelingt es Don Winslow die Stimmung in der McCarthy/Hoover-Ära 1958 einzufangen. Elegant erzählt, sucht man das Stakkato seiner späteren Bücher vergebens. Hier gibt es kein „Fickt euch“ („Zeit des Zorns“), sondern ein „je t’aime“, kein heißes Kalifornien, sondern das winterliche New York, und Drogenhändler sind nur die Requisiten einer Großstadt. Die Kapitel sind lang und die Gewalt eskaliert lediglich im Showdown. In den Dialogen und Beschreibungen erahnt man seinen späteren Stil, der hier noch in den Anfängen liegt. Deshalb liest sich dieses Buch herrlich altmodisch und entpuppt sich als feine Spionagegeschichte mit lebendigen Charakteren, deren historische Vorbilder kaum verschleiert sind. Joe, sein Bruder und Beschützer Jimmy und die schöne Madeline sind gut gestaltete Nachahmungen von Jack, Bobby und Jackie Kennedy, die der Geschichte zusätzlich Authentizität verleihen und amüsante Seitenhiebe u.a. auf J. Edgar Hoover ermöglichen. Zugleich macht Don Winslow aber deutlich, unter welchen Bedingungen Kennedy möglicherweise – oder sagen wir: wahrscheinlich – sein Amt angetreten hat und in welchem Verhältnis Geheimnis und Staat zueinander stehen. Dass es sich hierbei nicht um reine Fiktion handelt, belegen mittlerweile zugängliche Protokolle und Akten, und dass nicht nur Kennedy im Visier der eigenen Sicherheitsbehörden war, hat erst Tim Weiner in seinem lesenswerten Buch „FBI“ dargelegt.

Le Carré trifft auf Ellroy
Mit Don Winslows späteren Werken ist „Manhattan“ also nicht zu vergleichen, vielmehr erinnert es nicht nur dank der Figur des Privatdetektivs und den zahllosen schönen, aber gefährlichen Frauen eher an Raymond Chandler und Dashiell Hammett, dank des Sujets an John Le Carré und – aufgrund der erzählten Zeit – an einen gefälligeren James Ellroy. Zu diesem Buch möchte man die Jazz-Songs hören, die so häufig genannt werden, und anschließend noch einmal einige Beat-Poeten lesen. „Manhattan“ ist ein eleganter und altmodischer Thriller mit wohl komponierten Sätzen – und ein großes Vergnügen.

Don Winslow: Manhattan. Übersetzt von Hans-Joachim Maass. Suhrkamp 2013.

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