Auf der ersten Seite seines Romans „Bevor ich verbrenne“ erzählt der norwegische Schriftsteller Gaute Heivoll von einem 35-jährigen Mann, der sich das Leben nahm, indem er sich in die Luft sprengte. Seine Mutter – so heißt es – ging anschließend umher und sammelte die Teile in ihrer Schürze ein. „Ich weiß nicht, ob die Geschichte wahr ist. Dennoch fange ich an zu verstehen. Wenn man sich einfach hinsetzt und nachdenkt, versteht man es allmählich. Schließlich erscheint es als das einzig Richtige. So ist das einfach. Man hat keine Wahl. Man geht umher und sammelt die einzelnen Teile in der Schürze“.
Auch für seinen Roman hat sich Gaute Heivoll hingesetzt und die einzelnen Teile zusammengefügt. Im Juni 1978 erschütterten Brände die kleinen Ortschaften um Kristiansand. Anfangs glaubten die Bewohner noch an einen Zufall, dann hatten sie die Gewissheit, dass ein Pyromane sein Unwesen treibt. Erst brannte er Scheunen nieder, später zündet er auch Häuser an, in denen die Bewohner schliefen. Unruhe machte sich breit, es wurden Wachen organisiert, aber der Polizei fehlten die Hinweise. Bis einer der Bewohner die entscheidende Information liefert. Der Brandstifter ist enttarnt und auch der Leser erfährt früh, wer die Feuer gelegt hat. Doch nicht die Suche nach dem Täter ist in diesem beeindruckenden Roman entscheidend, sondern Gaute Heivoll verwebt die damaligen Ereignisse mit seiner Lebensgeschichte. Er wurde zu der Zeit der Brände in Kristiansand geboren: „Die Geschichte der Brände flocht sich (…) ein in die allerersten Monate meines Lebens und gipfelte in der Nacht nach meiner Taufe.“
Gelassen erzählt Gaute Heivoll von dem Leben in den kleinen Ortschaften, von den Hoffnungen, die Eltern für ihre Kinder haben, und von enttäuschten Träumen. Auf diese Weise will er nicht nur herausfinden, wie aus einem begabten Kind ein Brandstifter wird, sondern verstehen, was die was die Menschen zu dem macht, was sie sind – sei es Brandstifter oder Schriftsteller. Dabei durchzieht diesen Roman von der ersten bis zur letzten Seite eine bedrohliche Atmosphäre, die den Leser die Angst spüren lässt, die die Bewohner von Kristianstad bis heute nicht verlassen hat. Mit den Bränden wurden nicht nur ihre Häuser vernichtet, sondern sie haben auch erfahren, dass sie alles auf einen Schlag verlieren könnten. Diese grundsätzliche Angst lässt sie nicht mehr los. Sie können diesen „merkwürdig klaren, eiskalten Moment“ nachempfinden, in dem Johanna Vatneli bewusst wurde, dass sie alles verloren hatte – sogar ihre Zähne.
Mühelos hält Gaute Heivoll diese Spannung aufrecht, die mit der Wirkung von Bränden in der Nacht zu vergleichen ist. „Es ist erschreckend, es ist fürchterlich, und es ist unbegreiflich. Und es ist beinahe schön.“ Dank seiner eindrucksvollen Sprache benötigt Gaute Heivoll keine unnötige Dramatik, sondern erzählt konzentriert und aufrichtig – ein Berichtender mit existentiellen Ängsten. Daher ist „Bevor ich verbrenne“ nicht nur die Geschichte eines Pyromanen, sondern ein lesenswerter Roman über die Ängste eines Autoren und der Menschen.
Gaute Heivoll: Bevor ich verbrenne. Übersetzt von Ulrich Sonnenberg. Schöffling 2012.
Update: Das norwegische Filminstitut hat bekanntgegeben, dass dieser Roman von Regisseur Erik Skjoldbjærg (“Pioneer”) verfilmt wird. Das Drehbuch schreibt Bjørn Olaf Johannesen, die Hauptrolle soll Aksel Hennie übernehmen.