Krimi-Kritik: „Wer das Schweigen bricht“ von Mechthild Borrmann

(c) Pendragon

Der Hamburger Arzt Robert Lubitsch entdeckt in den Unterlagen seines Vaters nach dessen Tod einen fremden SS-Ausweis und das Foto einer jungen Frau. Sofort ist seine Neugier geweckt: Hatte sein perfekter Vater eine Geliebte? Aus einer Laune heraus beginnt Robert mit Nachforschungen und landet in dem kleinen Ort Kranenburg am Niederrhein. Dort sorgt er mit seinen Fragen für Aufruhr unter den Bewohnern – und schon bald geschieht ein Mord, für dessen Aufklärung eine lang zurückliegende Geschichte wieder aufgerollt werden muss. Im Zentrum stehen sechs Freunde, die sich im August 1939 das Versprechen gaben, füreinander da zu sein. Aber Eifersucht und Intrigen zerstörten nicht nur ihre Freundschaft, sondern auch ihre Leben.

Mechthild Borrmann

Vor dem Hintergrund des Faschismus erzählt Mechthild Borrmann in „Wer das Schweigen bricht“ von einfachen Menschen, die mit den Gepflogenheiten der Zeit zurechtkommen wollen – und dadurch mitunter unfassbare Schuld auf sich geladen haben. Ohne dramatische Wendungen und moralischen Zeigefinger entwirft sie auf zwei Zeitebenen ein komplexes Bild von den Opfern und Tätern eines verbrecherischen Regimes, die mit erlittenen Ungerechtigkeiten und begangenen Taten noch Jahrzehnte später leben müssen. Im Gegensatz zu vielen anderen (Kriminal-)Romanen, die zur Zeit des Nationalsozialismus spielen, holt Mechthild Borrmann aber nicht zu weit aus, sondern konzentriert sich auf ihre sechs Hauptcharaktere. Dabei wird das niederrheinische Kranenburg zu einem Zerrspiegel ähnlicher Dörfer. Es gibt Profiteure des Regimes, eiskalte Karrieristen und Mitläufer, aber auch Menschen, die im Stillen das Richtige tun. Für alle Hauptfiguren ist Liebe die stärkste Triebfeder – für gute und schlechte Taten. Dadurch werden ihre Entscheidungen umso tragischer – und Mechthild Borrmann schildert sie sich spannend und schnörkellos.

In „Wer das Schweigen bricht“ entsteht auf diese Weise auf 224 Seiten ein umfassendes Bild einer Gemeinschaft, die ein Leben lang weggeschaut hat. Dabei ist der Titel äußerst treffend gewählt: Ist das Schweigen erst einmal gebrochen, wird sich alles verändern und nichts wird mehr so sein wie vorher. Diesen leisen Kriminalroman kann ich sehr empfehlen.

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