Inmitten der chilenischen Atacama-Wüste liegt eine Minensiedlung. Dort lebt das Mädchen María Margarita mit ihrem Vater und ihren Brüdern. Die Mutter hat die Familie verlassen, seit der Vater durch einen Unfall seine Beine nicht mehr bewegen kann. Und die Familie muss von einer kleinen Rente leben. Die größte Attraktion vor Ort ist das Kino, aber Marías Familie kann sich nicht für alle Mitglieder eine Karte leisten. Eines Tages hat Marías Vater die Idee, dass fortan nur noch der beste Filmerzähler der Familie ins Kino gehen darf. Es kommt zu einem Wettbewerb unter seinen Kindern, den María gewinnt. Sie kann mit ihren Worten, ihrem Gesichtsausdruck und Bewegungen den Film derart lebendig nacherzählen, dass manche Werke in ihren Erzählungen sogar besser werden. Schon bald drängen sich immer mehr Zuschauer in die bescheidene Wohnstube – und María wird eine kleine Berühmtheit in der Siedlung.
Der Roman von Hernán Rivery Letelier ist eine wunderbare Liebeserklärung an das Kino. Nur im Kino ist María glücklich, dabei geht es ihr nicht nur um den Film, sondern auch die Atmosphäre im Saal, die gespannte Erwartung und die Lichter des Projektors. Doch es ist nicht alles nur märchenhaft schön in diesem Roman. In Marías Erzählungen schleichen sich kleine, kühle Bemerkungen über den harten Alltag ein. Sie muss in ihrem Leben viel durchleiden, aber im Gegensatz zu ihrer Mutter bleibt María in der Realität. Es scheint fast, als habe sie alles Unglück im Kino schon erlebt. Doch es ist der Kontrast zwischen den poetischen und entzückten Beschreibungen der Filme und Marías Erlebnissen, der beim Lesen nahegeht.
„Die Filmerzählerin“ ist auch eine Liebeserklärung an die Sprache, die Geschichten lebendig werden lassen kann. In einem Kapitel beschreibt die Erzählerin María das Verhältnis von Kino, Traum und Leben in Bezug auf Shakespeares Satz, „Wir sind vom Stoff, aus dem die Träume sind“: „Ich behaupte, das Leben kann gerade so gut aus dem gleichen Stoff sein wie die Filme. Einen Film zu erzählen ist, als erzählte man einen Traum. Ein Leben zu erzählen ist, als erzählte man einen Traum oder einen Film.“ Oder mit einem Satz von Fehlfarben: „Ich kenne das Leben, bin im Kino gewesen.“