Wenngleich „Ein dickes Fell“ und „Mariaschwarz“ die von mir meistgeschätzten Romane von Heinrich Steinfest sind, ist Lilli Steinbeck meine bevorzugte Ermittlerin. Schon in „Tortengräber“ erschien sie mir als faszinierende Figur. Bei ihrem ersten Erscheinen war sie noch eine Nebenfigur, aber mit „Die feine Nase der Lilli Steinbeck“ wurde sie zur Hauptfigur – und konnten meinen Erwartungen mühelos standhalten.
Bei diesem Roman erinnert schon die Konzeption an einen Spionagethriller: Zwei mächtige Gegner liefern sich ein tödliches Spiel rund um den Globus, bei dem arglose Menschen zu Spielfiguren werden – weil sie vor Jahren unbemerkt eine Batman-Figur zugesteckt bekamen. Die Ermittlungen führen Lilli Steinbeck sogar bis auf die Insel Bouvet, die bei Heinrich Steinfest sehr oft eine Rolle spielt, und nach Mauritius. Dort soll es zu einem Showdown zwischen den zwei Parteien kommen. Während Steinbeck und der famose Privatdetektiv Kallimachos per Schiff auf die Insel reisen, nutzt die Gegenpartei den Flieger. Dazu buchen sie den Flug bei Oceanic Airlines. Und diese Fluggesellschaft ist aus Katastrophenfilmen bestens bekannt. Sie wurde erfunden, weil Fluglinien ihren Namen nicht auf abstürzenden oder verunglückenden Flugzeugen sehen wollen. So taucht diese fiktive Gesellschaft unter anderem in „Passagier 57“ auf, auch in dem Steven-Segal-Film „Einsame Entscheidung“ ist eine Boeing 747 mit dem Logo dieser Firma zu sehen und in der Fernsehserie „Lost“ sind die Überlebenden mit Oceanic Airlines geflogen.
In dem Roman von Heinrich Steinfest wird diese Fluglinie aber nicht nur erwähnt, sondern auch als fiktive Gesellschaft erkannt. Allerdings behauptet die taffe Agentin Palanka, es gebe mittlerweile tatsächlich eine Firma dieses Namens und führt dazu auch eine einleuchtende Begründung an: „zumindest wenn wir nicht glauben wollen, wir selbst seien fiktiv.“ Diese Bemerkung veranlasst nun wiederum ihren Chef Desprez zu der Überlegung, ob es besser sei, er sei fiktiv – dann würde er mit der Maschine abstürzen – oder er sei real und käme am Ziel an.
Es ist dieses selbstreflexive Spiel mit Film und Literatur, das Steinfests Romane ausmacht. Daher weiß Lilli Steinbeck – und mit ihr auch der Leser – dass es nichts Gutes bedeuten kann, wenn sie nicht zum Schlafen kommt. Denn sie fühlt sich gleich an das Remake von Fritz Langs „Das Testament des Dr. Mabuse“ erinnert, in dem Gert Fröbe nicht dazu kommt, seinen Kaffee zu trinken. „Man nennt das wohl Topos. Solche Topoi geben einer Geschichte Halt. Nicht gegen einen solchen Halt, doch es deprimierte Lilli Steinbeck, daß sie selbst mit ihrem Schlaf dafür geradezustehen hatte.“
In meinen vielen Beiträgen habe ich einige dieser Topoi aufgearbeitet und filmische Anspielungen interpretiert. Zusammen mit wiederkehrenden Ermittlern, Orten und Themen konstituieren sie Steinfests Romane begründen ein Universum, in dem ich sicherlich schon vieles gesehen, aber bei jedem Mal Lesen gibt es noch mehr zu entdecken. Nun freue ich mich erst einmal auf Steinfests nächsten Roman, der im September erscheinen wird. Und in „Die Haischwimmerin“ wird es ein Wiedersehen mit Lilli Steinbeck geben.
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