Krimi-Kritik: „Grabesdunkel“ von Alexandra Beverfjord

Die Studentin Helle wurde in ihrer Wohnung ermordet aufgefunden, also fährt Kriminalreporter Joakim Lund Jarner mit seiner jungen Kollegin Agnes Lea zum Tatort. Dort begegnet Agnes zufällig Helles Mitbewohnerin Ester und erhält von ihr eine CD mit Videos, die die Tote beim Sex mit verschiedenen Männern zeigt. Anscheinend hatte Helle mehr Geheimnisse als die Polizei vermutet.

(c) Piper

Die Ausgangssituation in Alexandra Beverfjords Krimidebüt „Grabesdunkel“ ist solide aufgebaut: Ein Mord an einer hübschen jungen Frau führt in exklusive Kreise, in denen Frauen zumeist Objekte sind, mit denen mächtige Männer ihre Lust befriedigen. Ausnahmsweise ist kein Polizist die Hauptfigur, sondern der Kriminalreporter Joakim Lund Jarner, der für die seriöse norwegische Zeitung Nyhetsavisen schreibt. Er erinnert sehr an Stieg Larssons Mikael Bloomkvist: Beide sind Journalisten, die sich mit einflussreichen Industriellen angelegt haben und deshalb von einem Gericht verurteilt wurden. Nun musste Joakim nicht ins Gefängnis, sondern einräumen, dass er die erhobenen Behauptungen nicht ausreichend belegen kann. Aber auch hier wird es zu einer weiteren Konfrontation kommen. Vorerst wurde er aus dem Investigativteam wieder in die Kriminalredaktion zurückversetzt. Dennoch hat es unterhaltsam, einen Fall aus dieser Perspektive zu verfolgen – zumal sich Joakim weitgehend an die geltenden Regeln und seine Kontakte hält. Leider hat die Autorin nicht darauf verzichtet, ihrer Hauptfigur das in Krimis fast schon übliche traumatische Erlebnis in der Kindheit erleiden zu lassen: Joakims Schwester starb, als er elf Jahre alt war. Seither hat er Träume, in denen er Tote sieht. Anscheinend ist seine Schwester „die Verbindung (…) zwischen mir und … all dem … all den Toten, den Sterben und denen, die sterben werden.“ Diese „Gabe“ hatte er schon als Kind, aber durch die Reaktionen seiner Umwelt unterdrückt und nun offenbart er sich in „Grabesdunkel“ erstmals seiner Kollegin. Dieser Einfall ist ebenso ärgerlich wie unnötig. Damit ist Joakim also kein hart arbeitender, gut recherchierender und vernetzter Kriminalreporter, nein, er kann Dinge sehen und ahnen. Dadurch wird es aber auch für die Autorin leichter, gewisse Wendungen zu erklären. Glücklicherweise spielt seine Gabe in „Grabesdunkel“ nur eine untergeordnete Rolle, daher bleibt abzuwarten, wie präsent sie in möglicherweise folgenden Teilen sein wird. Einen faden Beigeschmack hinterlässt sie dennoch.

Grundsätzlich bietet das Personal in „Grabesdunkel“ das Potential, andere Schwerpunkte zu setzen. Auch wenn die Gewalt in diesem Debüt nahezu ausschließlich gegen Frauen gerichtet ist, gibt es mit Joakims Kollegin Agnes, seiner Mutter und der Nachrichtenchefin drei weibliche Figuren, die eine andere Perspektive in die Handlung einbringen könnten. Darüber hinaus arbeitet Alexandra Beverfjord selbst als Journalistin und kennt sich daher in dem Alltag einer norwegischen Redaktion aus, so dass sie über den Zeitungsmarkt mehr als die bekannten Schwierigkeiten (Geld, Abonnenten, Werbung) und Sticheleien gegen die Kollegen schreiben könnte.

Diese Möglichkeiten nutzt sie in „Grabesdunkel“ leider nicht aus, so dass der Kriminalroman lediglich konventionelle Krimi-Unterhaltung mit einem soliden aufgebauten Fall bietet, der in Details durchaus zu überraschen weiß. Fans skandinavischer Serienkrimis werden wohl auf ihre Kosten kommen, insgesamt hätte der Kriminalroman aber unangepasster und mutiger sein können.

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