Roger Brown ist kein liebenswürdiger Held. Er ist manipulativ, arrogant und überzeugt, immer alles im Griff zu haben. Von Beruf ist er Headhunter und gehört zu den besten in Norwegen. Er findet immer die richtige Besetzung für einen Job und holt aus den potentiellen Bewerbern mit seiner FBI-Fragetechnik fast alle Geheimnisse raus. Verheiratet ist er mit der schönen Galleristin Diana, die – davon ist er überzeugt – ihn nur liebt, weil er ihr fast alles gibt, was sie will. Einzig ihren Kinderwunsch erfüllt er ihr nicht, stattdessen hat er sie sogar zu einer Abtreibung überredet. Doch dafür hat er ihr eine Galerie finanziert und ermöglicht ihr ein luxuriöses Leben. Das Geld beschafft er durch Kunstdiebstahl. Seine Methode ist raffiniert: Er horcht in den Bewerbungsgesprächen die gut situierten, ehrgeizigen Manager über mögliche Beute und Sicherheitsrisiken aus, dann vereinbart er einen neuen Termin und schlägt in dieser Zeit zu. Alles läuft wunderbar. Denn eigentlich hat Roger Brown nur einen Komplex: Er ist mit 1,69 Meter unterdurchschnittlich groß.
Mit diesem Protagonisten macht es Jo Nesbø den Lesern in seinem Thriller „Headhunters“ wahrlich nicht einfach. Er ist unsympathisch und selbstgerecht, aber er ist ein wesentliches Teil dieses hintersinnigen Spiels, das der Autor mit den Erwartungen seiner Leser treibt. Denn schon bald gerät Roger Brown in großen Schlamassel: Mit dem großgewachsenen und intelligenten Clas Greve scheint er den perfekten Kandidaten für den freien Geschäftsführer-Posten für seinen wichtigen Kunden „Pathfinder“ gefunden zu haben, zudem besitzt Greve ein wertvolles Rubens-Gemälde. Aber dann stellt Roger fest, dass Greve offenbar eine Affäre mit Diana angefangen hat – und das kann er nicht hinnehmen. Also will er dafür sorgen, dass Greve den Posten nicht bekommt. Doch er ahnt nicht, worauf er sich wirklich eingelassen hat.
Nach ungefähr der Hälfte des Romans mag mancher glauben, er wüsste worauf die Handlung hinausläuft. Doch Jo Nesbø treibt seinen unterhaltsamen Plot mit mitunter aberwitzigen Wendungen voran, die der Geschichte viel Tempo und Überraschendes verleihen. Dabei bleibt sich der Autor bis zum Ende hin treu – und setzt im Gegensatz zu der ebenfalls unterhaltsamen Verfilmung von Morten Tyldum nicht auf ein allzu glattes Ende. Stattdessen bleiben die Widerhaken der Figuren bestehen, wenngleich dem Leser Roger Brown fast unmerklich ein wenig ans Herz gewachsen ist. Aber nicht allzu sehr …