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Krimi-Kritik: „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ von Young-ha Kim

Voriges Jahr habe ich für das CrimeMag ein Porträt über den Cass Verlag geschrieben und dafür mit Verlegerin Katja Cassing telefoniert. Damals erzählte sie mir, dass in diesem Jahr ein Roman über einen dementen Serienmörder erscheint – und ich war sofort begeistert von dieser Idee! Allein die Vorstellung, wie das planvolle Vorgehen eines Serienmörders auf das Vergessen stößt, ist schon spannend. Young-ha Kim hat mit „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ nun ein sensationelles Buch erschaffen.

(c) Cass Verlag

Nur 151 Seiten ist es lang und es sind – wie der Titel sagt – Aufzeichnungen des Serienmörders. Vor 25 oder 26 Jahren hat Tierarzt Byongsu Kim diesen zufolge seinen letzten Mord begangen, mit 16 hat er angefangen, mit 45 aufgehört. Seither hat er sich um seine Ziehtochter gekümmert, als Tierarzt gearbeitet – und Gedicht geschrieben, die von dem Kursleiter im Kulturzentrum gelobt werden. „Zu dem Zeitpunkt hatte ich bereits Dutzende Male Beute „gepackt, um sie zu erlegen“. Und unter die Erde gebracht. Aber ich hatte das nie für Lyrik gehalten. Morden ist eher wie Prosa. Jeder, der es einmal probiert hat, weiß das. Jemanden zu ermorden, ist viel mühseliger und schmutziger als man denkt.“

Er lebt nun also recht friedlich in seinem Haus, seine Tochter Uhni umsorgt ihn. Doch dann merkt er auf einmal, dass er von einem Mann verfolgt wird und ist nach einem Blick in dessen Augen überzeugt, dass dieser Uhni ermorden will. Jedoch fällt es ihm aufgrund seiner Demenz zunehmend schwer, diesen Mann wieder zu erkennen und auch Uhni glaubt seinen Warnungen nicht. Außerdem steht die Polizei mehrfach vor der Tür und ist ihm auf den Fersen. Glaubt er zumindest. Denn schließlich ist er dement – und damit der unzuverlässigste Erzähler, den man sich vorstellen kann. Es besteht keine Täuschungsabsicht in seiner Erzählung, er will nicht bewusst in die Irre führen. Doch er ist der Ich-Erzähler und schon bald stellen sich erste Zweifel an zum Beispiel der Existenz eines Hundes ein, der zu einem großartigen running gag wird. Und sogar die einzige Grundfeste gerät zunehmend ins Wanken …

Es ist ein tiefschwarzhumoriges Nachdenken über das Leben und das Sterben, das man in „Aufzeichnungen eines Serienmörders“ findet. Es geht um den Stellenwert von Kunst, es gibt Seitenhiebe auf beliebte Serienmörder-Topoi – und eine langsame Auflösung der Hauptfigur. Sehr, sehr lesenswert!

Young-ha Kim: Aufzeichnungen eines Serienmörders. Aus dem Koreanischen von Inwon Park. Cass Verlag 2020.

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