Finnbogi (Sveinn Ólafur Gunnarsson) und sein Schwager Alfred (Hilmar Guðjónsson) sind Straßenarbeiter irgendwo in Island in den 1980er Jahren. Sie malen die Mittelstreifen, schlagen seitliche Begrenzungspflöcke ein und bessern nicht-asphaltierte Straßen aus. Während der 33-jährige Finnbogi die Ruhe und Kühle des islandischen Sommers genießt, schleppt sich der 24-jährige Alfred bis zum nächsten Wochenende – und der nächsten Hoffnung, dass der kleine Mann mal wieder „gesqueezt“ wird.
„Either Way“ von Regisseur und Drehbuch autor Hafsteinn Gunnar Sigurðsson erzählt eine einfache Geschichte von zwei Männern, ihrer Freundschaft und ihren Beziehungen zu Frauen. Dabei glänzt der Film mit einem sehr eigenwilligen Humor und vielen amüsanten Details. Die isländische Low-Budget-Produktion lief auf einigen Festivals und hat solide Kritiken erhalten, neue Aufmerksamkeit dürfte dem Film aber durch das Remake von David Gorden Grenne gewiss ein, das auf der diesjährigen Berlinale lief. Dort habe ich „Prince Avalanche“ ebenfalls gesehen und der Film hat mir damals insbesondere mit seinem Indie-Charme gut gefallen.
„Either Way“ und „Prince Avalanche“
Die Nähe zu „Either Way“ wird bereits im Vorspann deutlich: Wurde bei „Prince Avalanche“ der Titelschriftzug eingehämmert, ist es bei „Either Way“ die gelbe Farbmarkierung, die Darsteller und Mitwirkende auf die Leinwand bringt. Nahezu alle Gags finden sich im Remake wieder, auch Dialoge wurden – sofern mich die englischen Untertitel des isländischen Films und die Erinnerung an „Prince Avalanche“ nicht in die Irre führen – wörtlich übernommen. Dadurch fallen vor allem drei Aspekte ins Auge: Es ist völlig natürlich, dass in einem Sommer in Island zwei Männer weitgehend isoliert als Straßenarbeiter unterwegs sind. Hier braucht es keine Begründung wie bei „Prince Avalanche“, in dem der Waldbrand die Notwendigkeit der Aufräumarbeiten erklärte. Dadurch wird die Beiläufigkeit der Geschichte in „Either Way“ betont, während sie in „Prince Avalanche“ um die Deutungsmöglichkeit des erzwungenen, radikalen Neuanfangs ergänzt wird. Zweitens gibt es in „Either Way“ keine Sequenz, in der die geheimnisvolle Frau durch ihr abgebranntes Haus geht – sie wäre ja aufgrund des fehlenden Brandes kaum möglich. Stattdessen wird die Frau nur zwei Mal gesehen: Beim Verlassen des Trucks und am Ende beim abermaligen Wegfahren mit dem Truckfahrer (Þorsteinn Bachmann, „Volcano“). In beiden Filmen gibt die mystische Erscheinung der Frau Rätsel auf, allerdings bleibt sie in „Either Way“ deutlich rätselhafter. Zum dritten erfolgt in „Either Way“ keine Stilisierung der Naturaufnahmen, die in „Prince Avalanche“ bisweilen surreal anmutete. Stattdessen wird die atemberaubende isländische Natur von Kameramann Árni Filippusson hervorragend eingefangen und wird fast zu einem dritten Charakter, der die Versöhnung von Finnbogi und Alfred einläutet. Dadurch ist „Either Way“ deutlich unaufgeregter als „Prince Avalanche“, schroffer, rauer und karger. Selbst die Freundschaft zwischen Finnbogi und Alfred verläuft ruhiger verläuft, ihr Streit wird mit drei bemerkenswerten Szenen gezeigt – Alfred lässt Finnbogi hängen, schläft aus Trotz außerhalb des Zelts, beobachtet Finnbogi demonstrativ beim Fischen und rettet ihn dann im entscheidenden Moment. Hier gibt es keine Jagd durch den Wald. Auch ihr anschließendes Besäufnis ist knapper erzählt und beschränkt sich auf ein verrücktes mit der Schubkarre herumfahren.
Sveinn Ólafur Gunnarsson und Hilmar Guðjónsson oder Paul Rudd und Emile Hirsch
Die Besetzung ist in beiden Filmen auf verschiedene Weise bemerkenswert. In „Either Way“ verkörpern Hilmar Guðjónsson und Sveinn Ólafur Gunnarsson („Der Tote aus Nordermoor“) perfekt die isländischen Straßenarbeiter und gerade Hilmar Guðjónsson ist ein ideales Abbild eines Jugendlichen in den 1980er Jahren. Mit seinen Haaren, seiner Mimik, seiner Gestik und seinen Klamotten werden Erinnerungen an all die Pop-Sänger dieser Jahre wieder lebendig. Sie sind reifere Charaktere, über die im Film auch mehr zu erfahren ist. Finnbogi ist mit Alfreds Schwester verheiratet und hat mit ihr und seiner Stieftochter bereits in Wien gelebt, hat sich dort aber nicht zurechtgefunden. Nun hört er Sprachkassetten, um eine Deutschprüfung zu verstehen und sich in Wien besser zu integrieren. Das steht ihm Gegensatzu zu Alvin (Paul Rudd), der sich von seinen Kenntnissen eine bessere Zukunft erhofft. Alfred ist auf den ersten Blick dem von Emile Hirsch gespielten Lance ähnlich: Beide feiern gerne und denken ständig an Mädchen. Aber durch Emile Hirschs zwar amüsante, aber exaltierte Spielweise wirkt Lance kindischer. Folglich haben Paul Rudd und Emile Hirsch etwas mehr Retro-Charme (das mag auch daran liegen, dass sie bekannter sind), ihre isländischen Kollegen sind aber als Figuren ausgereifter.
Durch diese Nuancenverschiebungen sind trotz der deutlichen Parallelen in der Handlung zwei eigenständige Filme entstanden. „Prince Avalanche“ unterhält mit dem typischen Charme des Independentkinos und legt das Hauptaugenmerk auf die Buddy-Geschichte. „Either Way“ ist trockener, hat mehr Widerhaken und konzentriert sich stärker auf die Geschichte von zwei Individuen, die sich zusammenraufen und letztlich beide einen anderen Weg – „Á annan veg“ – einschlagen müssen.
„Prince Avalanche“ startet am 26. September 2013 in den deutschen Kinos.
Bin jetzt schon gespannt…werde mir aohl auch beide anschauen. Danke für den Tipp!