Zu „Zeit der Finsternis“ von Malla Nunn

Nachdem 2009 mit „Ein schöner Ort zu sterben“ der Auftakt zu der Romanreihe um Detective Sergeant Emmanuel Cooper erschienen ist, setzt Malla Nunn die Reihe nun mit dem vierten Band „Zeit der Finsternis“ fort. Sie führt mit ihren Büchern ins Südafrika der 1950er Jahre, in eine Zeit, in der die Apartheidsgesetze mit aller Macht durchgesetzt worden: Gemischte Ehen wurden verboten, das Land wurde aufgeteilt, Stadtgebiete getrennt und jede Bewegung wurde kontrolliert. Immer wieder liest man daher in „Zeit der Finsternis“ davon, dass sich schwarze Menschen nicht an diesem oder jenem Ort aufhalten durften, dass sie gegen Regeln verstoßen. Auch ihre Hauptfigur verstößt gegen diese Regeln: Detective Sergeant Emmanuel Cooper entstammt einer gemischten Beziehung, auch er ein coloured, der aber als Weißer eingestuft wurde.

(c) Ariadne

Der Fall in „Zeit der Finsternis“ setzt nun 1953 ein. Ein Schuldirektor und seine Frau werden ermordet. Er leitete ein College in Sophiatown, einem Township von Johannesburg. Sie waren beide liberale Weiße. Zu seinem College waren auch schwarze Studenten zugelassen – und er lud sie sogar zu sich nach Hause in sein weißes Mittelschichtswohngebiet ein. Zwei dieser Studenten werden nun von seiner Tochter beschuldigt, die Tat begangen zu haben – sie sollen ihn ermordet haben, um seinen Mercedes zu klauen. Diese Aussage der Tochter der Toten, einem traumatisieren weißen Teenagermädchen, reicht dem meisten Cops schon. Sie ist für wie ein „Evangelium“. Aber Cooper hat Zweifel, er glaubt, das Mädchen lügt. Einer von ihnen ist der Sohn von Coopers Freund Samuel Shabalala, einem Constable aus der Native Detective Branch aus Durban, Lesern bestens bekannt aus den vorherigen Romane. Also will er seinem Freund und dessen Sohn, der ebenfalls etwas verbirgt, helfen – und die Wahrheit herausfinden. Zusammen mit dem deutsch-jüdischen Arzt Daniel Zweigman, einem Buchenwald-Überlebenden, machen sich Cooper und Shabala als unermüdliches Dreigestirn daran, die Morde aufzuklären und Shabalalas Sohn zu entlasten. Dabei müssen sie aber vorsichtig agieren, denn der (weiße) Polizeiapparat in Johannesburg hat den schwarzen Jungen bereits als schuldig abgehakt – und Coopers direkter Vorgesetzter scheint alles andere als ehrenhaft.

Hinzu kommt ein zweiter Handlungsstrang um eine junge Prostituierte, die eines Nachts von zwei Männer gefangen genommen und auf eine entfernte Farm verschleppt wird. Sie soll dort diszipliniert und früher oder später getötet werden. Noch aber lebt sie – und diese Handlungsstränge werden sich – man ahnt es – ebenfalls früher oder später verbinden.

„Zeit der Finsternis“ ist wie alle Teile der Reihe ein sehr gut zu lesender, spannender Kriminalroman. Ein besonderes Talent hat Malla Nunn für die Auswahl und Beschreibung der Handlungsorte. In diesem Fall spielen viele Kapitel in Sophiatown, Coopers Heimat, aber auch ein sehr symbolträchtiger Ort für Südafrika. Sophiatown wurde in den 1950er Jahren zum Symbol der urbanen schwarzen Bevölkerungsmehrheit. Es war das Zentrum des südafrikanischen Jazz, die Musiker trafen sich in illegalen Kneipen, hier bildete sich inmitten der kriminellen Banden eine Gegenkultur. Aber 1950 wurde beschlossen, alle Wohngebiete nach Rassen umzusiedeln. Ab 1955 wurde ersten Bewohner umgesiedelt, bis 1959 war die Umsiedlung abgeschlossen, 1963 wurde der Stadtteil abgerissen. An seine Stelle trat ein Gebiet ausschließlich für Weiße (Triomf, dt.: Triumph). Erst 2006 wurde der Stadtteil wieder in Sophiatown umbenannt. 1953 steht dieser Wandel noch bevor und man erlebt das Gegen- und Miteinander in diesem Stadtteil, die Gefahren wie relativen Freiheiten, die dieser Ort ermöglichte.

Mit diesem Blick zurück in die 1950er Jahre schaut Malla Nunn in eine wichtige, eine prägende Zeit in Südafrika, Man muss sich nur einmal vor Augen führen, wie viel Cooper riskiert, weil er mit einer schwarzen Frau ein Kind hat und auch noch mit ihr leben möchte. Das geht nur in einem sehr abgeschirmten Bereich, mithilfe des Schutzes eines einflussreichen Mannes. Ein anderer einflussreicher Mann hilft ihm im Polizeidienst, ansonsten wäre er längst erledigt gewesen. Und hier entsteht ein feines Netz aus Abhängigkeiten und Heimlichkeiten, das dann die südafrikanische Gesellschaft über Jahrzehnte bestimmt hat – vielleicht noch immer bestimmt – und dessen Auswirkungen man beispielsweise noch in den Romanen von Mike Nicol lesen kann. Nicol zeigt, welche Folgen es hat, wenn eine Gesellschaft von Hass, Gewalt und Abgrenzung geprägt ist, Malla Nunn erzählt gewissermaßen von der Zeit der Prägung.

Malla Nunn: Zeit der Finsternis. Übersetzt von Laudan & Szelinski. Ariadne 2016.

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