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Einige Anmerkungen zu „Sechzehn Frauen“ von Rafael Cardoso

7 Millionen Menschen leben im Stadtgebiet von Rio de Janeiro, der zweitgrößten Stadt Brasiliens. Berühmt für seine Sambaschulen und den Karneval, berüchtigt für seine Favelas. Um über diese Stadt zu erzählen, greift der brasilianische Autor Rafael Cardoso in seinem Buch „Sechzehn Frauen“ auf die Stimmen der titelgebenden 16 Frauen zurück, die in kurzen Geschichten von ihrem Leben erzählen.

(c) S. Fischer

(c) S. Fischer

Sie leben in 16 verschiedenen Stadtteilen Rios, sind reich, arm, jung, alt, glücklich und verzweifelt. Einige kennen sich, andere werden miteinander bekannt, viele treffen einen geheimnisvollen jungen Mann namens Rafael. Sie sind Schauspielerinnen, Verkäuferinnen, Studentinnen und Rentnerinnen. Ein sechsjähriges Mädchen erzählt von einem Ausflug, eine ältere Frau von ihrem Haus. Im Idealfall entstünde aus ihren Geschichten ein buntes, flirrendes Panoptikum der Stadt, jedoch hat Rafael Cardoso nicht für jede eine eigene Stimme gefunden. Dadurch erscheinen sie mitunter austauschbar und leblos.

So unterschiedlich ihre Biographien und Lebensumstände auch sind, scheinen ihre Hoffnungen allzu oft an den Männern zu hängen – insbesondere an dem verführerischen Rafael. Dadurch werden die Erzählungen häufig klischeehaft. Indes klingt in den besten Momenten des Erzählungsbandes die Zuneigung durch, die der Autor für seine Erzählerin empfindet. Dann zeigt sich, wie reizvoll die Form des Buches ist – und welches Potential sie hatte. Insgesamt bleibt es jedoch bei kurzen Einblicken und wenigen Höhepunkten.

Rafael Cardoso: Sechzehn Frauen. Übersetzt von Peter Kultzen. S. Fischer 2013.

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„Flut“ von Daniel Galera

„Er hat das Gefühl, als wollte das Meer etwas von ihm, kann sich aber nicht vorstellen, was. Als gäbe es da etwas, das er vergessen hat, oder von dem er nicht mal weiß, dass er es weiß. Das Meer fragt ihn danach und scheint immer kurz davor, die Geduld zu verlieren, aber er verlässt es gerade noch rechtzeitig, bevor es einen Wutanfall bekommt.“

Ein letztes Mal wird der 33-jährige Erzähler von Galeras Roman „Flut“ zu seinem Vater gerufen, der ihm die Geschichte seines Großvaters erzählt, der einst in dem Küstenort Garopaba bei einem Tanzfest erstochen wurde. Die Tat wurde niemals aufgeklärt. Seine Geschichte schließt der Vater mit der Ankündigung, dass er sich das Leben nehmen werde. Er bittet seinen Sohn lediglich, seine Hündin Beta einschläfern zu lassen. Er selbst bringe es nicht übers Herz und Beta würde ohne ihn zugrunde gehen. Widerwillig stimmt der Erzähler zu, entscheidet sich nach dem Selbstmord des Vaters aber dagegen. Stattdessen nimmt er Beta zu sich und begibt sich auf der Suche nach Wahrheit und Läuterung nach Garopaba. Dort lebt er zurückgezogen in einem Haus am Strand, arbeitet als Lauf- und Schwimmtrainer, beginnt eine Beziehung mit Dália, freundet sich mit einem Pensionsbesitzer an und stellt den Dorfbewohnern Fragen über seinen Großvater. Sie antworten nicht, sondern werden misstrauisch und wollen nicht über ihn reden. Auch sein Großvater war ein Fremder, der erst die Neugier und dann den Hass der Bewohner erregte, und dem Erzähler scheint es nun ganz ähnlich zu ergehen. Weiterlesen

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