Manchmal ist Kriminalliteratur sehr nah an der Wirklichkeit. Als Zoë Beck ihren Roman „Schwarzblende“ geschrieben hat, waren die Anschläge in Paris noch nicht geschehen. Und doch stellt sie die Frage, die seither viele beschäftigt: Was passiert mit einer westeuropäischen Gesellschaft, wenn der Terror auf einmal vor der eigenen Haustür stattfindet?
Eigentlich wollte Dokumentarfilmer Niall nur Recherchen für einen Film über die unterirdischen Flüsse Londons betreiben, als ihm auf einer Brücke zwei Männer mit Macheten auffallen. „Niemand lief mit einer Machete durch London. Abgesehen von den beiden Männern, die gerade an ihm vorbeigingen.“ Niall kann kaum glauben, was er sieht – und da es anscheinend niemandem anders auffällt, zweifelt er schon an seiner Wahrnehmung. Also geht er den jungen Männern hinterher, filmt sie und verfolgt sie bis in einen Park. Gerade als er glaubt, alles sei ganz harmlos und weggehen will, hört er Angstschreie. Niall sieht – und filmt – wie beiden Männer einen anderen jungen Mann mit der Machete malträtieren, schließlich auf ihn einhacken. Sie nehmen es bewusst in Kauf, dass Niall sie dabei filmt, sie sprechen sogar mit ihm und bekennen sich in seinem Film als Angehörige des Islamischen Staats. Schließlich kommen Sicherheitskräfte zum Tatort, überwältigen die beiden Attentäter und Niall. Es dauert über 24 Stunden, bis er wieder frei gelassen wird. In dieser Zeit hat er nicht nur erlebt, wie England Terrorverdächtige behandelt, sondern sein Video hat sich längst im Internet verbreitet. Er kommt zu seinen 15 Minuten Ruhm – und erhält das Angebot, einen Dokumentarfilm über die Attentäter zu drehen. Und bei seinen Recherchen stößt Niall auf unangenehme und gefährliche Wahrheiten.
Gleich drei Themen widmet sich Zoë Beck in ihrem Kriminalroman: den innenpolitischen Folgen der Angst vor dem Terror und den Fragen, wie aus Engländern Islamisten werden bzw. welche Verantwortung ein Einzelner trägt. Dabei findet sie überzeugende Szenarien, in denen die Wirkung von Frustrationen, Desillusionierungen und Angst bis hin zur bloßen Machtgier spürbar werden. Aber sie macht es sich niemals zu einfach: Nicht alle Polizisten in diesem Roman sind böse, nicht alle Medienleute gierig nach Schlagzeilen, nicht alle Gläubige verblendete Radikale. Vielmehr zeigt sie sehr eindringlich, wie schwierig es gerade für die gemäßigten Gläubigen ist, zu ihrer Religion zu stehen, aber beständig Ablehnungen ausgesetzt zu sein; wie schwierig es ist, über die Vergewaltigungen von englischen Mädchen durch pakistanische Männer zu berichten, ohne dass Hass zu schüren oder die Vorfälle zu ignorieren; und wie schwierig es ist, das Richtige zu tun, wenn man selbst von Angst erfüllt ist. Weiterlesen