Krimi-Kritik: „Platinblondes Dynamit“ von Jörg Juretzka

(c) Pendragon

Der Schriftsteller Folkmar, genannt Folle, Windell hat ein Problem: Seine Schundkrimi-Reihe um den hartgesottenen Detektiv Jack Knife soll eingestellt werden. Zukünftig will seine Verlegerin mehr Titel für das weibliche Publikum im Programm haben, daher kann er entweder auf das Geld verzichten – oder eine neue Hauptfigur erfinden. Aber das ist für Folkmar Windell gar nicht so einfach. Er ist nämlich seinem fiktiven Alter ego, dem eleganten und begehrten Schriftsteller Jarvis Chevalier, unähnlich, er kann noch nicht einmal an sein selbstgewähltes Pseudonym Will B. Everhard heranreichen. Immer noch lebt er mit seinem Kumpel Eddie in einer Wohnung, ist ständig mit der Miete im Rückstand und wird von der Polizistin Sabine Zahn mit Strafzetteln bombardiert. In seiner Verzweiflung installiert er eine Schreibsoftware auf seinem Rechner, die er einst mit einer drittklassigen Auszeichnung erhalten hat. Aber damit fängt das Drama an: Als er eine neue Geschichte beginnt, entwischt seine halbfertige Protagonistin Pussy Cat der Fiktion und landet in der Realität. Sie wähnt sich im New York der 1940er Jahre, in der sie sich mit der falschen Polizistin Sabie Tooth und der Brooklyn-Mörderin Wanda Molanski auseinandersetzen muss, befindet sich aber im Köln der Gegenwart und sieht sich mit der attraktiven Polizistin Sabine Zahn und der Vermieterin Mattka Wolanski konfrontiert. Doch sie weiß, was sie zu tun hat: Sie muss den Roosveldt-Diamanten  finden. Allerdings sieht sie aus wie Folkmar Windell mit blonder Perücke, so dass nun der Autor selbst von der Polizei verfolgt wird.

Jörg Juretzka (c) Kai Kitschenberg

„Platinblondes Dynamit“ ist eine vergnügliche Farce, in der Jörg Juretzka mit allen Ebenen einer Erzählung, verschiedenen Stilen und Stereotypen spielt. Allein schon die Romangegenwart – Folkmar Windells Zeit – steckt voller scheinbar harter Abschleppwagenfahrer, einem schmierigen Kneipenbetreiber, einer verführerischen Bardame, einer taffen knöllchenschreibenden Polizistin und natürlich Windells treuem Kumpanen Eddie. Aus dieser Gegenwart hat Windell die Groschenheftromanwelt des Jack Knife entstehen lassen und schon diese Verwandlung mitsamt den Parallelen ist höchst amüsant. Dabei wechselt der Autor gekonnt zwischen den verschiedenen Schreibstilen, so dass Groschenromanprosa neben dem schnodderigen hard-boiled-Stil steht. Vor allem aber ist in Jörg Juretzkas Krimi-Farce ist keine Idee zu abwegig, um sie nicht konsequent zu Ende zu denken. Daher kann nicht nur Pussy Cat der Romanwelt entwischen, sondern Kommissar Meckenheim kann sie auch betreten – dabei entdecken beide die Vorzüge der jeweils anderen Welt. Außerdem sind „Platinblondes Dynamit“ nahezu alle Frauen wahnsinnig attraktive Psychopathinnen und Männer willenlose Geschöpfe, die sich umgarnen lassen. Nur wenige durchschauen das Spiel. Es gibt aberwitzige Wendungen, bei denen man herzhaft lachen muss, und Jörg Juretzka lässt kein hardboiled-Klischee aus, sondern verknüpft es mit der Gegenwart und dreht und wendet es. Dabei persifliert er sogar die psychoanalytische Deutung der Groschenromane.

Bei aller Komik und allen grotesken Ideen entsteht nie das Gefühl, der Autor wisse nicht, wohin die Reise gehen soll, auch wenn die Orientierung beim Lesen mitunter schwierig ist. Am Ende werden alle Nebenhandlungsstränge und Fiktionsebenen zusammengeführt – bis selbst der Epilog noch einen draufsetzt! Wer gegen die Mischung aus Komik und Krimi nichts hat und endlich mal einen witzigen hard-boiled-Roman lesen will, ist jedenfalls bei Jörg Juretzkas „Platinblondes Dynamit“ richtig.

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