„Mein ganzes Leben lang habe ich Tagebuch geführt, aber die Ereignisse der folgenden Seiten sind dort nicht zu finden. Es handelt sich dabei um ein Märchen, ein Zwischenspiel, eine Episode außerhalb von Zeit und Raum. Dennoch hat sich alles wirklich so zugetragen.“ Mit diesen Zeilen beginnt „Meine Woche mit Marilyn“ von Colin Clark, das erstmals in deutscher Sprache bei Schirmer/Mosel erschienen ist. In London im Jahre 1956 war er dritter Regieassistent bei den Dreharbeiten zu „Der Prinz und die Tänzerin“, der in den Pinewood Studios gedreht wurde. Colin Clark kam gerade von der Universität und hat die Anstellung auf Vermittlung von Sir Laurence Olivier bekommen, der mit seinen Eltern befreundet war – und bei dem Film die Hauptrolle übernahm sowie Regie führte. An seiner Seite sollte die Hollywood-Ikone Marilyn Monroe spielen. Mit ihrer neu gegründeten Firma Marilyn Monroe Production war sie an dem Film beteiligt – und erhoffte sich außerdem, als Kollegin des berühmten Theaterschauspieler Olivier endlich auch als Schauspielerin ernst genommen zu werden.
Doch die Dreharbeiten laufen nicht gut. Marilyn Monroe ist unsicher, hadert mit ihren Selbstzweifeln. Sie kommt zu spät, die gesamte Crew muss häufig auf sie warten. Genau zeichnet Colin Clark nach, in welcher Situation sich Marilyn Monroe befand. Laurence Olivier ist nie zufrieden mit ihrer Leistung und kann mit ihrer Art der Schauspielerei nichts anfangen, nach kurzer Zeit scheint ihr frischgebackener Ehemann Arthur Miller seine Frau als zu anstrengend zu empfinden, ihre Vertraue und Schauspiellehrerin Paula Strasberg verabreicht ihr ebenso gerne Tabletten wie Milton Greene, ihr Ex-Geliebter und nun Geschäftspartner, der ständig in Sorge ist, er könnte die Kontrolle über sie verlieren. Da begegnet sie Colin Clark, dem 23-jährigen Filmfan und wohl unwichtigsten Mann am gesamten Set. Er ist ein netter Laufbursche, aber im Gegensatz zu allen anderen in ihrem Umfeld hat er an ihr kein materielles Interesse. Stattdessen scheint er tatsächlich bemüht, dass es ihr gut geht – und sie verbringen wunderbar unschuldige Tage miteinander.
Auch wenn Colin Clark in seinem Buch keine sensationelle Geschichte erzählt und neue Einsichten über Marilyn Monroe vermittelt, unterhält es mit seinem unschuldigen Charme. Darüber hinaus wird deutlich, wie sehr Marilyn Monroe in den Fängen des Studiosystems und den Erwartungen ihres Umfeldes steckte. Das ist auch der größte Unterschied zu der Verfilmung von Simon Curtis mit der wunderbaren Michelle Williams in der Hauptrolle. Bei Curtis fehlt diese leise Kritik an der Filmindustrie, er konzentriert sich stärker auf den Mythos Marilyn. Außerdem erzählt Colin Clark recht offen von den Affären, die Marilyn ihm gegenüber erwähnt hat.
Letztendlich bleibt von der Lektüre vor allem die Frage, ob diese Ereignisse tatsächlich so stattgefunden haben. Aber Colin Clarks Berichte sind so harmlos, dass sie glaubwürdig wirken. Und so erzählt das Buch die märchenhafte Geschichte von einer Hollywood-Ikone, die einige Tage mit einem durchschnittlichen Mann verbrachte.